Jörg M. Karaschewski

Die deutschen Vexillologentreffen und Anfänge der Deutschen Gesellschaft für Flaggenkunde

Die noch junge Tradition der deutschen Vexillologentreffen wurde im November 1990 von Dr. Arnold Rabbow initiiert. In seiner Wohnung fanden sich am 10. November vierzehn Vexillologen und Heraldiker zu einem ersten gesamtdeutschen Treffen ein.

Nach einem ersten persönlichen Kennenlernen der Teilnehmer wurde die sehr umfangreiche vexillologische und heraldische Bibliothek in Augenschein genommen. Besonderer Blickfang war - insbesondere für die Teilnehmer aus den alten Bundesländern - eine originale Flagge der SED. Der Begutachtung der Bibliothek folgte eine Präsentation von Contrade-Fahnen aus Siena. Nach dem Mittagessen zeigte der Gastgeber seine Sammlung von Fahnen und Flaggen der ehemaligen DDR Parteien und Massenorganisationen sowie einiger sowjetischer Organisationen. Während der gesamten Dauer des Treffen gab es lebhafte Diskussionen über die verschiedensten vexillologischen Fragen. Rückblickend muß man feststellen, daß dieses Treffen eine hervorragende Basis für weitere Kontakte, Treffen und für ein "Zusammenwachsen" zwischen den beteiligten Vexillologen gebildet hat.

An eine vexillologische Gesellschaft oder einen Flaggenverein für Deutschland wurde auf diesem ersten Treffen noch nicht gedacht. Besprochen wurde lediglich eine verstärkte Zusammenarbeit hat den bereits bestehenden vexillologischen Organisationen des Auslands, insbesondere in Europa, jedoch persönlich auf individueller Basis.

Um das allgemeine Interesse einer deutschen Vereinigung, auch unter denen, die nicht an dem ersten Treffen teilnehmen konnten, auszuloten, habe ich im März 1992 einen Fragebogen zu diesem Thema im FLAGGENFORUM veröffentlicht. Der Rücklauf war jedoch enttäuschend. Nur wenige Leser machten sich die Mühe den Fragebogen auszufüllen. Bei den Antworten überwog zwar eine positive Grundtendenz, aber es wurde jedoch klar, daß eine Vereinigung zu jenem Zeitpunkt nicht den nötigen Rückhalt hätte finden können.

Angeregt und ermuntert durch das erste, wichtige Treffen in Braunschweig, luden zwei Jahre später Jürgen Rimann und ich zum 2. Deutschen Vexillologentreffen nach Achim ein. Um möglichst alle in Deutschland bekannten Vexillologen zu erreichen, wurde die Einladung über das FLAGGENFORUM ausgesprochen. Am 21.11.1992 kamen dann elf Vexillologen im Hause Rimann zusammen.

Auch bei diesem Treffen stand wiederum der allgemeine Informationsaustausch und das persönliche Kennenlernen der Teilnehmer im Mittelpunkt, die sich größtenteils nur vorn gegenseitigem Schriftwechsel her kannten.

Einen Höhepunkt des Treffens bildete ein Vortrag von Jürgen Rimann über die Flaggenführung an Fahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland, zu dem er sehr anschauliche, selbst gezeichnete Flaggentafeln vorbereitet hatte. Weitere Tafeln zeigten Fahrzeugflaggen aus Großbritannien, Kanada und Finnland. Ich konnte einige Tischflaggen aus der Zeit der Jahrhundertwende, sowie einige Fahnen und Flaggen der ehemaligen DDR präsentieren. In den Diskussionen wurde besonders auf die vielen noch offenen Fragen in der deutschen Flaggenkunde hingewiesen. Auch das Thema eines Flaggenvereins wurde kurz angesprochen, aber letztlich nicht weiter vertieft, da insbesondere Funktionsträger für eine solche Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt nicht in genügender Anzahl auszumachen waren. Ein weiteres Problem bildete die Tatsache, daß ein Großteil der Teilnehmer durch ihre langjährige Beschäftigung in diesem Bereich bereits über nahezu alle notwendigen Kontakte verfügten, so daß ein Verein ihnen letztlich nur sehr wenig hilfreich sein konnte. Nach diesem zweiten Treffen habe ich die Idee einer vexillologischen Gesellschaft weiter verfolgt, eine Satzung entworfen und Organisationsstrukturen überlegt. Es dauerte jedoch fast noch zwei Jahre bis ich ein fertiges Konzept vorlegen konnte. Angespornt, besonders von Jürgen Rimann, Gunnar Staack und weiteren Kollegen, wurde eine Vereinsgründung anläßlich eines nächsten Treffens nach zweijähriger Pause geplant.

Am 4. Februar 1995 war es dann soweit, nachdem ich 45 Vexillologen aus ganz Deutschland zum 3. Deutschen Vexillologentreffen wiederum nach Achim eingeladen hatte. Die Resonanz war sehr positiv, wenn leider auch nicht alle teilnehmen konnten. Ab 9.00 Uhr versammelten sich die Teilnehmer im Achimer Kulturhaus "Alter Schützenhof' zu dem schon traditionellen Informationsaustausch. Der Veranstaltungsraum war mit vier Flaggen geschmückt (siehe folgenden Beitrag!), die Jürgen Rimann für alle Treffen entworfen hatte und von denen die letzte die Vereinsflagge werden sollte.

Gegen 1 1.00 Uhr eröffnete ich den offiziell en Teil der Veranstaltung mit einem kurzen Abriß über den Tagesablauf und die geplante Vereinsgründung. Im Anschluß hielten Thilo Biegler ein Referat über das "Signalisieren mit Flaggen auf See" und Erwin Günther eines über die Entwicklung von Kommunalflaggen in den neuen Bundesländern. Schließlich gab Gunnar Staack eine Einführung in die von ihm und Dieter Linder im Aufbau befindliche Flaggendatenbank.

Nach der Mittagspause konnte eine Teilnehmergruppe die Flaggendatenbank praktisch an dem Rechner von Dieter Linder in Augenschein nehmen, während sich der andere Teil an die Besprechung und Klärung letzter Detailfragen der Vereinssatzung machte. Der vorliegende Satzungsentwurf wurde auf Anraten von Dr. Dietrich Deseniss gestrafft und teilweise umformuliert. Um 15.30 Uhr konnten dann die Vereinssatzung, die Grundzüge der Vereinsorganisation sowie grundsätzliche personelle Fragen der Vereinsorgane im Plenum besprochen werden.

Nachdem sich alle Teilnehmer einhellig für die Gründung einer deutschen vexillologischen Vereinigung ausgesprochen hatten, wurde der Gründungsakt offiziell vollzogen. Die Anwesenden faßten den einstimmigen Beschluß, die Deutsche Gesellschaft für Flaggenkunde" (Namensvorschlag von Gunnar Staack) zu gründen und unterzeichneten die bereits vorbesprochene Satzung. Nach kurzer Aussprache über die vorliegenden Entwürfe für eine Vereinsflagge, wurde der Entwurf von Jürgen Rimann bevorzugt und die Flagge als offizielles Symbol der Gesellschaft angenommen.

Es folgte die Wahl des Vereinsvorstandes, in den folgende Teilnehmer gewählt wurden:

Jörg M. Karaschewski als 1. Vorsitzender und Schatzmeister

Dr. Andreas Herzfeld als 2. Vorsitzender

Jürgen Rimann als Schriftführer.

Nach der Festsetzung des Mitgliedsbeitrages wurde die Herausgabe einer vereinseigenen Zeitschrift beschlossen. Es wurde vereinbart, die Zeitschrift halbjährlich herauszubringen. Die Zeitschrift soll sich mit der Förderung der Kommunikation zwischen den Lesern und besonders mit den noch offenen Fragen der Flaggenkunde in Deutschland befassen. Neben Gunnar Staack erklärten sich die Friedrich Kück, Volker Bernhardt und Dr. Dietrich Deseniss für eine Mitarbeit an der Vereinszeitung bereit. Aus dieser Gruppe wurde Dr. Deseniss als Beisitzer in den Vorstand berufen. Volker Bernhardt erklärte sich bereit, über die Mauritius Buch Verlag GmbH, den Druck und den Versand der Vereinszeitung zu organisieren. Für die Erstellung des Layouts und die Aufbereitung von Beiträgen fand sich Gunnar Staack bereit. Friedrich Kück stellte sich als zentrale Anlaufstelle für die Belange der Vereinszeitschrift zur Verfügung.

Es wurden sodann zwei Arbeitsgruppen gebildet, von denen sich eine mit der Erstellung einer Bibliographie vexillologischer Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, die andere sich mit der wachsenden kommunalen Vexillologie in den neuen Bundesländern befassen werden. Die Arbeitsergebnisse dieser Gruppen sollen auf den jeweils stattfindenden Nfitgliederver5ammlungen vorgestellt werden. Es ist weiterhin vorgesehen, allgemein interessierende Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu veröffentlichen.

Für die nächste Mitgliederversammlung einigte man sich auf den Tagungsort Leipzig und auf den Termin 4, November 1995. Durch die Notwendigkeit, eine jährliche Mitgliederversammlung abzuhalten, ist ein Fortbestand regelmäßiger jährlicher deutscher Vexillologentreffen gesichert. Nachdem ich um 18.32 Uhr die erste Versammlung der Gesellschaft schloß, diskutierten die Teilnehmer noch lange in kleineren Gruppen weiter.


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