Beitrag von Annette Duve

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Ärztliche Direktorin Kinderpsychiatrie, Psychotherapie, Patient im Mittelpunkt, Modellprojekt

Der Patient im Mittelpunkt: Was ist eigentlich ein Modellprojekt? Die Kinder - und Jugendpsychiatrie Riedstadt ist seit 2016 eine sogenannte Modelklinik nach § 64b SGB V. Traditionell ist die psychiatrische Behandlung in Deutschland sehr stationslastig, aber es gibt nur wenige intensivambulante oder aufsuchende Angebote. Die Übergänge zwischen den Behandlungsformen gestalten sich schwieri. Im Rahmen von Modellprojekten sollten daher möglichst in jedem Bundesland Kliniken neue Behandlungsformen entwickeln mit den Zielen: - Ambulant vor stationär: d.h. stationsersetzende intensivambulante Behandlungsangebote - Mehr Behandlungskontinuität: d.h. mehr Behandlung in „aus einer Hand“, integrierte Behandlung in einem Team - Home Treatment: d.h. Aufsuchende Behandlung in den Familien. Was hat sich bei uns verändert? Wir haben mit den erwachsenpsychiatrischen Modellkliniken in Hessen eine neue Behandlungsform entwickelt die sogenannte Ambulante- Akut-Behandlung (AAB). Diese ist der tagesklinischen Behandlung ähnlich, wird allerdings wesentlich flexibler und individuell auf die Bedürfnisse der Patient*innen zugeschnitten und integriert auf den Stationen angeboten. Nach einer stationären Stabilisierungsphase können z.B. die Patient*innen nun in ihren Alltag in der Familie und Schule begleitet werden und anschließend zu den Therapieangeboten wie Einzelgesprächen, Ergo-, Moto- oder tiergestützte Therapie auf die Station kommen. Die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien werden in dieser Phase vom gleichen Behandlungsteam intensiv begleitet, da es ja häufig beim Übertrag in den eigenen Alltag wieder zu Schwierigkeiten kommt. Behandlungserfolge können dadurch nachhaltiger etabliert werden. Mittlerweile können alle unsere Patient*innen wählen, in welchem Behandlungssetting sie behandelt werden wollen. Für viele ist es sinnvoll, in ihrem Alltag zu verbleiben und gleichzeitig eine intensive therapeutische Unterstützung zu erhalten. Für andere ist der Settingwechsel auf die Station wichtig, damit sie in dem unterstützenden Milieu lernen, mit ihren Schwierigkeiten zurechtzukommen. Die flexible, individuell auf die Bedürfnisse abgestimmte Behandlung ist die Besonderheit und Stärke des Modellprojekts. Mittlerweile haben wir eine Station mit dem Schwerpunkt internalisierte Störungen wie Ängste, Depressionen und Schulabsentismus in eine Jugendlichen AAB/Tagesklinik umgewandelt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Als nächsten Schritt planen wir die Behandlung zu Hause. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu den sogenannten Psych-fächern die Bedeutung der Modellprojekte hervorgehoben hat. Darüber hinaus bieten ja mittlerweile viele Kliniken stationsäquivalente Behandlung (StäB) an. Nur Mut bei der Ambulantisierung! https://lnkd.in/e_hXyn-b https://lnkd.in/eC2QbvSC #Modellprojekt #KJPRiedstadt #Ambulantisierung

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Dr. Stefan Frisch

Leitender Psychologe/Psychotherapeut/Neuropsychologe

7 Monate

Vielen Dank für dieses Plädoyer, das so viel Engagement spüren lässt! Trotz der Euphorie über die Möglichkeiten, die sich aus Modellen ergeben, sollten wir darin liegenden Schwierigkeiten nicht außer Acht lassen sollten. Nach jetzt vier Jahren im bundesweit größten Modellvorhaben nach 64b SGB V am Pfalzklinikum AdöR haben wir mit einer Flexibilisierung und Erweiterung auch ambulanter beziehungsweise aufsuchender Behandlungen sehr gute Erfahrungen gemacht, sowohl auf Seite der Betroffenen, als auch auf Seite der Behandler. Nichtsdesto trotz sollte man insbesondere gegenüber der Politik nicht den Eindruck entstehen lassen, als werde damit alles billiger und besser. Denn wir hatten und haben viele Herausforderungen zu meistern. So löst beispielsweise ein Modellvorhaben keinen Fachkräftemangel, und eine Ambulantisierung kann schon durch fehlende Parkplätze erschwert werden. Die größte Herausforderung war jedoch bisher, dass sich durch die neuen Strukturen eines Modells auch neue Herausforderungen für alle mitarbeitenden ergeben, wie selbstverantwortlichkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit und flache Hierarchien. Auch muss ein Modell immer wieder in die Köpfe und Herzen getragen werden, das braucht viel Zeit und Geduld.

Eva Meisenzahl

Direktorin bei Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

7 Monate

Danke für den Einblick. Meine Frage: wie man im ambulanten Setting höhere spezifische Therapiedichte erreicht & mit welchen Angeboten wenn das schon stationär nicht überzeugend klappt ? Einfache Hausbesuche sind sicher keine Antwort. Ein rehabilitatives Setting tagklinisch in der Neurologie besteht aus 20 Stunden intensiv Therapie/wöchentlich. Uber 6 Wochen. Wie ist dies also im Fach Psychiatrie mit ambulanten Konzepten möglich? England & Italien betreiben seit Jahrzehnten psychiatrische Ambulantisierung - nicht unbedingt zur Begeisterung der Patienten & Kollegen. Es ist dort eine massive Sparmaßnahme. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken für Bettenburgen zu sein - jedoch will das alles doch in einen inhaltlich-therapeutischen Kontext gesetzt sein.

Christian Kaiser

Aktiv im Vorstand des Landesverbandes seelische Gesundheit M-V e.V. sowie Herausgeber des Fanzines FACTS & STORIES, Job bei EX-IN M-V e.V. und Deutsche Alzheimer Gesellschaft Landesverband M-V e.V.

7 Monate

Ich bin selbst ein Mensch mit psychischen Problemen, der schon sehr lange seit 2005 in der Selbsthilfe und seit 2012 in der EX-IN-Bewegung aktiv ist. Ich habe eine Verständnisfrage: Ich kenne es von anderen Projekten, dass sie zeitgebunden sind. Ich hoffe, dass es bei diesem Projekt nicht so ist! Ich muss aber auf jeden Fall sagen, dass ich mir dieses Herangehen schon zu der Zeit meiner Ersterkrankung mit 14 Jahren im Jahre 1997 gewünscht hätte. Ich kann nur hoffen, dass es sich auch in anderen Bundesländern durchsetzt!

Dr. med. Nicole Chou-Knecht

Aufklärung über Pathological Demand Avoidance Syndrome- das verkannte ASS-Profil

7 Monate

Das tönt einfach nur grossartig! Ein super Projekt, welches durch Flexibilität und Orientierung an den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien viel mehr zur Heilung beitragen wird als starre Systeme und Vorgaben. Ein grosses Dankeschön. Ich wünsche mir von Herzen, dass die Psychiatrie in Zukunft auch in anderen Kliniken durch solche Projekte in die Richtung von mehr Menschlichkeit und Ressourcen-Orientierung wachsen darf. 💞

Kerstin Dr. Mirbach

⛩Wisdom comes with time and experience🕉

7 Monate

👏👏👏

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