Beitrag von Franz Sommerfeld

Profil von Franz Sommerfeld anzeigen

Publizist

Wenn der „Spiegel“ spiegelt. Empört. Mit Matthias Bartsch, Rasmus Buchsteiner, Markus Feldenkirchen, Christoph Hickmann und Viktoria Karls wendet der „Spiegel gleich fünf zum Teil durchaus gestandene Redaktionsmitglieder für seine Titelgeschichte über Sahra Wagenknecht auf. Trotzdem gelingt es ihm nur, Bekanntes zu recyceln. Anders als auf dem Titel angekündigt, erfahren die Leser nicht, wie Wagenknecht das System sprengt noch was sie plant. Es gibt nichts Neues, schon gar keine Enthüllungen. Aber viel Empörung (https://lnkd.in/eq-axFWG). Ganz ausser sich gerät das Magazin, weil Wagenknecht im Zusammenhang mit dem russischen Überfall auf die Ukraine US-Präsidenten vorwirft, auch „völkerrechtswidrige Kriege begonnen“ zu haben: „Um das kurz festzuhalten: Der demokratisch gewählte Präsident des wichtigsten deutschen Verbündeten wird hier von Wagenknecht mit einem Diktator gleichgesetzt, der sein Nachbarland überfallen ließ und gern mal Gegner vergiften, verschwinden oder im Berliner Tiergarten erschießen lässt. Kaum jemanden hier scheint das groß zu stören.“ Als habe der „Spiegel“ nicht selbst über derlei berichtet. Worin der ja tatsächlich vorhandene Unterschied zwischen beiden liegt, verrät das Magazin in seiner Erregung allerdings nicht. Die ganze Hilflosigkeit wird an einer zentralen Frage sichtbar: Nie zuvor in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte verfügte Russland mit dem BSW und der AFD über einen solchen politischen Einfluss im hiesigen politischen und parlamentarischen Apparat. Aber dem Spiegel fällt dazu nur ein, dass der BSW-Abgeordnete Klaus Ernst wie der AFD Chef und Gerhard Schröder bekanntermaßen letztes Jahr an einem Empfang der russischen Botschaft teilgenommen hat. Das ist sicher nicht hübsch, aber reicht nun überhaupt nicht aus, um diese wirklich reale Bedrohung deutscher Politik aufzuzeigen und zu analysieren. Da stellt sich die Frage: Wird beim Spiegel noch recherchiert oder hat der „Spiegel“ das mittlerweile ganz dem „Zeit“-Ressort unter Holger Stark überlassen? Im „stern“ ist Miriam Hollstein und Martin Debes immerhin ein kompaktes und interessantes Portrait der Parteichefin gelungen (https://lnkd.in/eATtCFRu). Insoweit spiegelt sich im „Spiegel“ die Ratlosigkeit des politischen und publizistischen Apparates der Republik anschaulich wider. Sie hat erst begonnen.

  • Kein Alt-Text für dieses Bild vorhanden
Andreas Montag

Journalist und Autor bei Mitteldeutsche Zeitung

6 Monate

Vielleicht darf‘s auch mal ein bisschen weniger Wagenknecht-Festspiel sein? Aber worüber sollte die politische Republik dann reden?

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Themen ansehen