Der lange Anlauf der Agentur
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Der lange Anlauf der Agentur

Als vor einigen Jahren viele europäische Autohersteller damit starteten, den Umstieg ihres Vertriebs auf das Agentursystem zu planen, erteilte Renault dem eine Absage. Konzernchef Luca de Meo fürchtete finanzielle Risiken, wenn sich ein Hersteller so viel Betriebskapital um den Hals bindet, statt das Geschäft dem Händler zu überlassen. Und de Meo wollte die Kosten dieser Transformation schlicht nicht tragen.

Eine Reihe von Herstellern ist nun ebenfalls vorsichtiger geworden. Ford, Škoda und VW Nutzfahrzeuge vertagen den Start, andere haben längst verschoben. Man ist noch nicht so weit. Nach dem Höhenflug kommt die harte Landung. Mit dem Agentursystem haben Hersteller große Hoffnungen verbunden: geringere Vertriebskosten, höhere Preiskontrolle und direkter Kundenkontakt („Customer Journey“). Doch die Vorteile gibt es nur mit großem Aufwand und hohen Investments. Die Realität hält gerade Einzug.

Das Agenturvertriebsmodell, in guten Zeiten von Unternehmensberatungen am grünen Tisch erfunden, war kein Problem, als die Nachfrage höher war als das Angebot. Doch dann drehte der Markt in Deutschland. Das Angebot an Neuwagen übersteigt längst wieder die Nachfrage. Und das Pricing ist schwieriger denn je.

Das Agenturmodell ist noch Zukunftsmusik. Hersteller schlagen noch kaum Nutzen daraus, diese Wende eingeleitet zu haben. Und natürlich ist das neue Vertriebssystem Teil der Elektrifizierung, weil es für E-Autos eingeführt wird (vor allem VW), und dieser Trend verzögert sich ebenfalls.

Und doch gibt es eine strategische Notwendigkeit, sich mit all den Herausforderungen – Digitalisierung, sich veränderndes Kundenverhalten, Drang zu mehr Effizienz – auseinanderzusetzen. Autokonzerne müssen heraus-finden, wie das Geschäft im Jahr 2035 aussieht und darauf vorbereitet sein. Doch der Transformationsprozess bis dahin wirft aktuell mehr Fragen auf, als es Antworten gibt.

Philipp Kranich

Wegbereiter für den Automobilhandel der Zukunft | Unternehmensberater | Mediator | Speaker | Lecturer

6 Tage

Hallo und vielen Dank für den Artikel. Die Zurückhaltung vieler Hersteller gegenüber dem Agenturvertriebsmodell zeigt, dass die Transformation komplexer und kostspieliger ist als ursprünglich gedacht (gerade in Hochzinsphasen). Renaults frühzeitige Absage unterstreicht die Risiken – insbesondere das finanzielle. Auch andere Marken wie Ford, Škoda und VW Nutzfahrzeuge verschieben den Wechsel, da der Markt sich verändert hat und das Agenturmodell in der aktuellen Phase nicht den erhofften Nutzen bringt. Dennoch bleibt es strategisch notwendig, sich auf die Herausforderungen der Zukunft – von Digitalisierung bis Elektrifizierung – vorzubereiten, auch wenn der Weg dorthin mehr Fragen als Antworten aufwirft.

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