Deutschland - Wollen wir uns scheiden lassen?

Deutschland - Wollen wir uns scheiden lassen?

Es stimmt, die Lage nach der EU-Wahl ist nicht zu verharmlosen. Das Zauberwort der Stunde lautet allerdings Besonnenheit. Was sich aktuell statt dessen abzeichnet, ist Spaltung. Es tun sich zwei Lager auf, die sich, nicht ganz zufällig, in alte und neue Bundesländern teilen und in einen medialen Rosenkrieg reinschlittern. Wenn wir schön so weiter machen, brauchen wir bald unsere guten deutschen Qualitätswaffen nicht mehr für ausländische Konflikte zu exportieren. Wollen wir die Scheidung oder haben wir noch Gefühle füreinander?

Es handelt sich hier nicht um einen Sachdiskussion, die es mit Zahlen Daten Fakten zu gewinnen gilt. Die Spaltung erfolgt auf der emotionalen Ebene. Nennen wir das Kind doch beim Namen. Beide Seiten haben Angst. Die AfD Wähler haben Angst vor den folgen der Immigrationspolitik. AfD-Gegner haben Angst vor dem Wiederholen der Geschichte. Angst ist kein besonnener Ratgeber. Sie ist der perfekte Nährboden, um einander zu dämonisieren.

Die Lage ist zwar komplex aber Komplexität auf struktureller Ebene bedeutet nicht, dass es keine einfache Lösung auf kommunikativer Ebene gibt. Konflikten liegen IMMER dieselben Mechanismen zu Grunde, die in der Verhaltensforschung gut bekannt sind. Dabei ist es kein Unterschied, ob es sich um einen Ehekonflikt, einen Kinderstreit im Sandkasten oder einen internationalen Konflikt handelt.

Und wie bei jedem Konflikt gibt es auch hier zwei Entwicklungsvarianten:

  1. Beide Seiten lassen sich von ihren Ängsten leiten und verteufeln sich gegenseitig. Beschimpfungen, Verurteilungen, Hassparolen folgen. Eine "wir gegen die" Mentalität macht sich breit. Das tun wir gerade. Auf beiden Seiten. Die Art, wie viele Menschen auch hier auf LinkedIn A*D schreiben, ist nur ein Beispiel dafür. Es führt zur Hass und Gewaltspierale. Eigentlich genau das Szenario, was wir verhindern wollen oder? Daher gibt es die zweite Variante.
  2. Die Seite, die sich für die "Guten und Vernunftbegabten" hält, geht in die Verständnisoffensive. Es findet ein konstruktiver Dialog nach den Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation statt. Sie hört so lange zu, bis die Luft beim Streitpartner raus ist. Sie versucht die dahinter liegenden Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen und gibt in eigenen Worten wieder, ob sie ihn richtig verstanden hat. Anschließend wird die objektive Sachlage erörtert und gemeinsam definiert, über welche äußeren Fakten man sich einig ist, bis man den kleinsten gemeinsamen Nenner identifiziert hat. Schließlich fragt sie, was sich der Partner in Bezug wünscht, um den Bedürfnissen nachzukommen. Meistens besteht ein gegenseitiger Wunsch, das Verhältnis aufrecht zu erhalten und man nähert sich in der Lösungsfindung einem Konsens.

Den Politikern und Funktionären beider Seiten sowie ihrer kommunikativen und emotionalen Intelligenz wird dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Doch in welche Richtung sie steuern werden, entscheiden wir. Jeder einzelne. Wir sollten die Verantwortung für den Kurs nicht aus der Hand geben und müssen uns nur bewusst für eines der beiden Szenarien entscheiden. Dann gilt es medial Stellung zu beziehen. Aktuell sieht die Medienlandschaft auf beiden Seiten eher nach Scheidung als nach Versöhnung aus. Wollen wir das?

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