Die Halbleiterindustrie wird durch KI und den Aufbau lokaler Produktionsstätten angetrieben
Die Technologiebranche wird derzeit von der Künstlichen Intelligenz (KI) dominiert. Der Bedarf an neuen, leistungsfähigen Datenzentren führt zu erheblichen Investitionen. So haben Microsoft und OpenAI kürzlich bekannt gegeben, dass sie 100 Milliarden US-Dollar in ein Projekt für ein KI-Datenzentrum stecken werden. Davon profitieren insbesondere NVIDIA mit seinen leistungsstarken Prozessoren (GPUs), aber auch die gesamte Halbleiterindustrie. Es werden schnelle Speicherchips (sogenannte HBM, High Bandwidth Memory) entwickelt, was Speicherchip-Herstellern wie Samsung zugutekommt.
Von Hagen Ernst, stellvertretender Leiter für Research und Portfoliomanagement bei DJE Kapital AG
Der Markt für Halbleiterausrüstung bzw. Maschinen zur Herstellung von KI-Chips erscheint besonders interessant. Neben der KI gibt es mehrere Faktoren wie die steigende Kapitalintensität (die Herstellung von Halbleitern wird immer komplexer) und der Aufbau lokaler Produktionsstätten (um die Abhängigkeit von Taiwan zu verringern), die zu einem strukturell überdurchschnittlichen Wachstum führen könnten.
Neue Produktionskapazitäten und strategische Expansionen
Trotz des aktuellen KI-Booms war das Jahr 2023 ein schwieriges Jahr für die Halbleiterindustrie. Laut der Semiconductor Industry Association (SIA) schrumpfte der Markt für Maschinen zur Halbleiterfertigung WFE (Wafer Fab Equipment) um acht Prozent, hielt sich damit jedoch besser als der gesamte Halbleitermarkt, der um 16 Prozent einbrach (siehe Tabelle). 2024 dürfte noch ein Übergangsjahr werden. Wir sollten uns in der Nähe der Talsohle befinden und ab der zweiten Jahreshälfte dann im Aufschwung. Die SIA prognostiziert ein Wachstum von zwei Prozent in diesem und acht Prozent im nächsten Jahr. Hier kommen mehrere Faktoren zusammen: Neue Produktionskapazitäten für KI-Chips werden benötigt. Zudem dürfte die Erholung im Speicherchip-Segment nach Jahren geringer Investitionen der Speicherchip-Produzenten zu einer starken Nachfrage vor allem beim Kapazitätsausbau für schnelle DRAM-Speicherchips (HBM) führen. Ferner werden weltweit neue lokale Chipfabriken geplant, um die Abhängigkeit von Taiwan – ein Großteil der Halbleiter wird dort hergestellt - zu reduzieren. Mit hohen Subventionen wird versucht, führende Halbleiterproduzenten wie beispielsweise TSMC oder Samsung für Standorte im eigenen Land zu gewinnen. Die USA haben mit dem „Chip Act“ ein 52 Milliarden-US-Dollar-Programm und Europa ein 43 Milliarden-US-Dollar-Programm zum Aufbau lokaler Fertigungsstätten beschlossen. Dank großzügiger Subventionen will beispielsweise Samsung 44 Milliarden US-Dollar in ein neues Werk in Texas investieren (nahezu eine Verdreifachung der ursprünglichen Planung) und TSMC bis zu 40 Milliarden US-Dollar in ein neues Werk in Arizona. In Deutschland investiert ein US-Halbleiterhersteller mehr als 30 Milliarden Euro, davon 9,9 Milliarden Euro an staatlichen Fördermitteln, in Magdeburg. Der Aufbau neuer lokaler Fertigungskapazitäten dürfte daher ab dem nächsten Jahr zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Maschinen zur Halbleiterfertigung führen: Ist der Bau einer neuen Fabrik erst einmalbeschlossen, muss sie auch anschließend mit Maschinen ausgestattet werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Wachstumsprognose der SIA von acht Prozent eher zu konservativ, zumal der Abschwung im Jahr 2023 außergewöhnlich stark ausfiel und das Wachstum im Aufschwung bislang immer deutlich höher war: in den letzten beiden Zyklen +14 Prozent im Jahr 2016 und +16 Prozent im Jahr 2020.
Umsatzentwicklung im Halbleitermarkt
Dynamisches Wachstum trotz technologischer Herausforderungen
Beschleunigtes Wachstum trotz technischer Herausforderungen Der Halbleitermarkt wächst bereits überdurchschnittlich, aber die Ausrüstungsbranche legt noch einmal deutlich zu. Nach Angaben der SIA wuchs diese zwischen 2014 und 2023 durchschnittlich um elf Prozent, während der Halbleitermarkt nur um vier Prozent pro Jahr wuchs. Die immer kleiner werdenden Strukturen (heute sind bei TSMC bereits zwei Nanometer möglich) haben die Halbleiterproduktion an ihre physikalischen Grenzen gebracht. Insbesondere die Belichtung der Schaltkreise (Lithographie) ist extrem komplex geworden. Extrem ultraviolette Strahlung (EUV) mit einer Wellenlänge von nur 13,5nm ist erforderlich. Eine solche Maschine kostet weit über 100 Millionen US-Dollar. Die zunehmende Komplexität der Produktion hat dazu geführt, dass die Halbleiterproduktion immer kapitalintensiver wird. Nur noch wenige Unternehmen wie Samsung haben eine eigene Fertigung. Die meisten Chipunternehmen, einschließlich NVIDIA, haben ihre Produktion mittlerweile ausgelagert. Neben der zunehmend kapitalintensiven Produktion dürfte der Aufbau neuer lokaler Kapazitäten in den USA und Europa zu einem strukturell höheren Wachstum führen.
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Wenige Großanbieter dominieren den Markt
Marktdominanz durch wenige große Anbieter Der Markt hat sich stark konsolidiert und konzentriert sich im Wesentlichen auf fünf große Anbieter. Mit einer Marktkapitalisierung von 350 Milliarden Euro ist ASML mittlerweile der größte Wert. Die Niederländer haben eines der wenigen europäischen Vorzeigeunternehmen im Technologiesektor aufgebaut. Mit einem Marktanteil von über 80 Prozent hat ASML nahezu eine Monopolstellung im Bereich der Lithographie. Das Unternehmen profitierte in den letzten Jahren von einem überdurchschnittlichen Wachstum (durchschnittlich 15% p.a. in den letzten fünf Jahren), da die Umstellung auf EUV der technisch anspruchsvollste Prozess innerhalb der Halbleiterfertigung ist. Daher genießt ASML aktuell eine Prämie gegenüber dem Sektor. Die Umstellung auf EUV ist nun erfolgt, und die neue Generation an Maschinen ist nicht mehr so extrem anspruchsvoll, was dazu führen könnte, dass andere Prozesse in der Backend-Fertigung, zum Beispiel das sogenannte Packaging, also das Einbringen eines Gehäuses und die elektrische Kontaktierung, in den Fokus rücken und ASML somit künftig eher wieder im Gleichschritt mit dem Sektor wachsen könnte. Tokyo Electron gehört zu den Unternehmen, die in den beiden wichtigen Prozessen Wafer-Beschichtung mittels Ätzen (Etching) und mittels Gasphasenabscheidung (Chemical Vapor Deposition, kurz CVD) vertreten sind. Tokyo Electron profitiert von der aktuell anhaltenden Yen-Schwäche, hat aber bereits eine hohe Bewertungsprämie (KGV 28 für 2025 vs. Peer 24). Bei allen Anbietern in diesem Bereich hat das zum Teil wiederkehrende Servicegeschäft zu einer gewissen Gewinnstabilität im Krisenjahr 2023 geführt, wenngleich das Geschäft volatil und konjunktursensitiv bleibt.
Langfristige Investitionsmöglichkeiten und die schwierige Frage nach dem Ausstieg Auf Sicht von einem Jahr haben sich bereits alle Aktien gut entwickelt (und z. T. sogar nahezu verdoppelt, wie z.B. Tokyo Electron). Dennoch könnte weiteres Kurspotenzial vorhanden sein. Zum einen stehen wir erst am Anfang eines Aufschwungs, der in der Regel drei Jahre dauert. Zum anderen erscheinen die Markteinschätzungen eher konservativ. So rechnet die SIA für das Jahr 2025 nur mit einem Wachstum von acht Prozent, was deutlich unter den üblichen Wachstumsraten in Aufschwungphasen der Vergangenheit liegt. Einige Sonderfaktoren wie KI und der Aufbau lokaler Produktionsstätten sprechen sogar eher dafür, dass der Aufschwung diesmal stärker ausfällt und möglicherweise länger anhält. Es ist zugleich schwierig, den genauen Zeitpunkt des Ausstiegs zu bestimmen. Häufig werden Abschwungphasen bereits sehr früh antizipiert (ca. 18 Monate im Voraus), was bedeuten würde, dass der jetzt beginnende Aufschwung in der Regel in drei Jahren endet, also Mitte 2027.
Schlussendlich ist das genaue Timing eine Herausforderung, und Investitionen in qualitativ hochwertige Unternehmen sollten einen langfristigen Anlagehorizont haben. Auf lange Sicht dürften alle Halbleiterausrüstungsunternehmen von dem strukturellen Wachstum profitieren.
Zusammenfassung: KI und lokale Produktion sind Wachstumsmotoren für den Halbleitermarkt Obwohl die Aktien der Halbleiterausrüstungsunternehmen bereits erhebliche Kursgewinne verzeichnet haben, könnten sie noch weiteres Aufwärtspotenzial haben, da wir uns erst am Beginn einer Aufschwungphase befinden, die in der Regel drei Jahre dauert. Darüber hinaus könnte der Aufschwung diesmal stärker ausfallen und möglicherweise länger anhalten, während die aktuellen Marktschätzungen noch von einem unterdurchschnittlichen Wachstum ausgehen. Dafür sprechen zumindest einige besondere Faktoren wie KI und der weltweite Aufbau von lokalen Chipfabriken. Die Aktien sind jedoch sehr volatil, und Investoren sollten den Sektor daher sorgfältig beobachten.
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