Diskussionsanstöße: Thesen, die provozieren wollen (I)

Diskussionsanstöße: Thesen, die provozieren wollen (I)

Der ehemalige Europa-Abgeordnete und jetzige Politikberater Ulrich Stockmann will mit folgenden Thesen zur Diskussion über die Zukunft der dezentralen Luftfahrt, der Verkehrsinfrastruktur und der Nachhaltigkeit anregen und provozieren. Nachfolgend findet sich der erste von drei Teilen:

1.    2030 könnten die Flugplätze des Dezentralen Luftverkehrs, die Solarkraftwerke sein, die für die Klimawende und die Digitalisierung unserer Gesellschaft dringend gebraucht werden und die zugleich die Voraussetzung für ein klimaneutrales Fliegen schaffen.

Von den rund 900 Flugplätzen des Dezentralen Luftverkehrs sind nicht alle dafür geeignet und viele Flächen werden für den eigenen Betrieb benötigt. Sagen wir mal realistisch: 200 sind denkbar und die haben durchschnittlich 10-20 ha ungenutzte Fläche, die Photovoltaikanlagen aufnehmen könnte. In unseren Breiten produzieren moderne Solaranlagen pro ha rund 1 MWh.

Aber mehr ist auch möglich: Siehe Neu-Hardenberg (250 ha- 155MWp), Eberswalde (315 Hektar, kostete 178 Mio. € und hat eine Leistung von insgesamt 84,7 MWp.), u.a.m.   

2.    Für eine Resilienz-Strategie ist der Dezentrale Luftverkehr unabdingbar.

Auch deshalb müssen seine Flugplätze als „strategische Infrastruktur“ im Bundesinteresse begriffen und im Luftverkehrskonzept 2030 sein Gesamtnetzwerk angemessen finanziell ausgestattet werden.

 „Zweifellos: Ein Paradigmenwechsel in Richtung einer Politik der Resilienz im 21. Jahrhundert wäre ein Akt der Klugheit. Statt immer wieder kurzfristig den neuesten Katastrophen hinterherzueilen, erkennt man realistisch die Risiken an und versucht daraus, entsprechende langfristige Strategien zu entwickeln. Das ist durchaus ein schmerzhafter Lernprozess, aber vielleicht auch ein Zeichen gesellschaftlichen Erwachsenwerdens.“ (Reckwitz: Die neue Politik des Negativen; Spiegel 6.3. 2021)

Man sollte bei diesem Thema, nicht wie der Autor, zwei gegensätzliche Politiken konstruieren, sondern feststellen, dass für eine rationale Politik in Transformationszeiten hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft die Co2- Minderungsstrategie und die Resilienz-Strategie, die beiden Seiten der gleichen politischen Währung sind.

Wenn wir die Analysen der Wissenschaft zum Klimawandel ernst nehmen, müssen wir schnellstmöglich das Gesamtverkehrssystem klimafreundlicher gestalten, aber gleichzeitig auch Vorsorge treffen, dass uns die Folgen zu erwartender Klimaextreme nicht handlungsunfähig machen.

Im Folgenden ein paar grundsätzliche Überlegungen:

1.               Neben dem Begriff der „kritischen Infrastruktur“ sollte man auch den Begriff der „strategischen Infrastruktur“ einführen. Der erste Begriff bezieht sich auf gesellschaftlich hoch relevante Infrastrukturen, die unbedingt schützenswert sind. Der zweite auf eine Infrastruktur (hier die Landeplätze des dezentralen Luftverkehrs) die, wenn sie funktionsfähig erhalten werden, eine Vielzahl von operationellen Möglichkeiten bei der Krisen -und Katastrophenbekämpfung ermöglichen. („Kritische Infrastruktur“ kommt wahrscheinlich aus dem Kontext der Terrorbekämpfung; „Strategische Infrastruktur“ aus dem Militärbereich.)

2.               Die Verkehrsinfrastruktur gehört zu den systemrelevanten Grundlagen der Handlungsfähigkeit unseres demokratischen Staates. Der muss in der Lage sein, von jeder Region in jede andere Region unseres Landes in kürzester Zeit „notwendige“ Personen, Dienstleistungen und Güter zu transportieren.

3.               Extremwetter, Naturkatastrophen auch in Folge des Klimawandels, Pandemien usw. machen nicht an den Grenzen der Bundesländer halt. Es gilt deshalb für diesen Bereich auch ein „Bundesinteresse“ zu konstatieren. Der Erhalt von strategischer Infrastruktur ist (auch) als hoheitliche Aufgabe anzusehen und muss entsprechend mitfinanziert werden.

4.               Ein Grundaxiom eines resilienten Verkehrssystems lautet: es darf keine alternativlosen Destinationen geben. Dieses Axiom erklärt sich von selbst. Zu Ende gedacht: ein Ausschluss eines Verkehrsträgers durch einen anderen ist zumindest problematisch.

5.               Einer der größten Denkfehler ist die vorrangig „betriebswirtschaftliche Betrachtung“ von Flughäfen/plätzen des dezentralen Luftverkehrs. (Nebenbei käme man bei Bahnhöfen oder -steigen nie auf solche Ideen). Auch hier gilt: das System ist mehr als seine Schnittstellen.

6.               Nachsatz: Für uns ist die Resilienz-Strategie nur eine von vier Strategien zur Transformation in eine nachhaltigere Gesellschaft. Sie bietet zugleich Voraussetzungen für den Erfolg der übrigen Strategien: Emissionsreduzierung, Übergangs- und Markteinführungsstrategie.  


Teil 2 und 3 folgen!

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