Dividendenstrategie: ja oder nein?
Dividenden oder nicht – das ist eine der Lieblings-Anlegerfragen. Ein paar Argumente, warum Dividenden bei meiner Selektion von Aktien und ETFs bislang kaum eine Rolle gespielt haben, neuerdings aber als Bonus hinzugekommen sind.
Ganz grundsätzlich: Es gibt durchaus Unternehmen, bei denen beides funktioniert. Wachstum + ordentliche Dividenden-Ausschüttung. Ich bin im Healthcare-Sektor auf zahlreiche Unternehmen gestoßen, die ich per se gut & haltenswert finde und bei denen ich dann die Dividende on top mitnehme. Ich würde es aber sogar besser finden, die Konzernüberschüsse würden direkt wieder investiert als ausgeschüttet und so doppelt besteuert werden.
Gleichzeitig muss man feststellen, dass die Dividenden-Strategie, so wie sie von Fintwit mit tollen Langfristig-Charts immer wieder angepriesen wird, eigentlich nur dann Sinn macht, wenn die Ausschüttungen direkt wieder investiert werden. In den USA gibt es dafür die DRIP-Wiederanlage, bei uns gibt Vergleichbares leider nicht. Es geht dann wieder Rendite verloren: 1.) Bei Ausschüttungen durch die Abgeltungsteuer, wenn Freibetrag (schnell) überschritten und 2.) Fees für Wiederanlage (für alle, die nicht gerade bei einem Neobroker sind, kostet das dann auch schnell noch mal 1,5 % Transaktionsgebühren).
Für wen macht die Dividenden-Strategie also Sinn?
1.) Für den, der es sich leisten kann, auf Growth anstelle von verlässlichen Ausschüttungen zu verzichten (= eher wohlhabende Investoren, die bereits ein Vermögen aufgebaut haben und verlässliche Erträge wollen). Wenn in meinen 60ern bin und über 1 Million Euro verfüge, kann es durchaus Sinn machen, die Aktien entsprechend nach soliden Dividendenzahlungen von Qualitätsunternehmen auszuwählen. Aber: Bei einer angenommen Dividendenrendite von 3 % (weil Qualitätsunternehmen) kämen so nur 30.000 Euro zusammen – VOR Steuern. Nach Steuer etwa 24.000 Euro = 2 K / Monat. Man müsste also schon Millionär sein, um nach der Strategie frugal leben zu können (bei angenommenem Werterhalt.) (Ja, Dividenden-Steigerungen erhöhen über die Jahre die Rendite – die Größenordnung ist als Ausgangsbasis gewählt.)
2.) Für junge Anleger in den 20ern, die den Schneeball mit einem Anlage-Horizont von 20+ Jahren ins Rollen bringen können. Hier arbeitet dann tatsächlich der Zeitfaktor – vorausgesetzt, sie halten die Investments stoisch im gleichen Umfang (bedeutet: Gehalt darf 20+ Jahre nicht sinken bzw. sollte eher steigen – v.a. bei erheblichen Zusatzkosten wie Familiengründung) durch und eine Weltwirtschaftskrise im Stile der 30er zerschießt nicht das Dividenden-Wachstum. (Das ja am Ende die Hypothese für den Schnellball-Effekt, aber – siehe Walgreens –, nicht in Stein gemeißelt ist, auch nicht bei Aristokraten.)
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Lebensphase bestimmt Anlagestrategie
Wer dagegen irgendwo in der Saftpresse des Lebens zwischen 30-50 steckt und Familie und ggf. Immobilie (die mit Kind plötzlich ein Thema wird, auch wenn man vorher bei eine wollte) zu schultern hat – für den dürfte die Dividenden-Strategie IMHO eher kompliziert werden, weil sie entsprechend stoisch verlässlich hohe Mittelzuflüsse benötigt, ehe sie irgendwann nach 20+ Jahren Wirkung zeigt. Hier wäre das Ziel dann eine gute (frühere) Rente und die Finanzierung der Ausbildung der Kinder, die mit guten Dividenden-Ausschüttungen ordentlich finanziert werden könnte – überhaupt nichts dagegen einzuwenden.
Das aus meiner Sicht große 'ABER' zur Dividenden-Strategie liegt in der Selektion der Werte. Was bringen mir die besteuerten 10 Prozent Ausschüttung bei Altria oder 8 Prozent bei Mercedes, wenn mein Investmentcase bestenfalls der Werterhalt ist? Ja, cool, 7-8 Prozent vor Steuer, aber bleibt der Kurs eines Raucherkonzerns bzw. Autoherstellers ohne Elektro-Verkaufsschlager die nächsten 10 Jahre auch stabil? Warum sich auf die Dividende versteifen, wenn man die 7-8 % durch die historische Wertsteigerung mit einem ETF auf den S&P 500 erzielen könnte?
Jeder nach seinem Gusto
Die einzige Erklärung, die ich für die gigantische Dividenden-Bubble hier habe, ist psychologischer Natur. In einer Welt, in der es soviel Unsicherheit gibt wie bei Investments an der Börse, bieten die Ausschüttungen eben eine gewisse Sicherheit und Planbarkeit. Fair enough.
Gleichzeitig wäre der Preis der Sicherheit gewesen, in den letzten 25+ Jahren Unternehmen wie Amazon, Alphabet, Apple (Dividende erst seit 2012) & Co. verpasst zu haben, die Anlegern soviel mehr Rendite eingefahren hätten.
Long story short: Jeder nach seinem Gusto. Bei mir sind die Dividenden in den letzten 12 Monaten übrigens auch deutlich gewachsen – aber nur, weil mein Investmentcase auf absehbare Zeit Sektoren wie Healthcare, Biotech und Energy favorisiert und die Ausschüttungen als Bonus on top kommen. Ich erspare Euch aber die Kupon-Screenshots 💶 🙃
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10 Monategute Frage Nils Jacobsen : ich bevorzuge auch Aktien mit ordentlicher Dividende, das bringt Cashflow zum Leben und Investieren... nach 20 Jahren systematischem Investieren kann ich sagen: 1/3 des Return kommt bei mir aus Dividenden, aber 2/3 aus Kurssteigerungen; das bringt so 8-9% pro Jahr für ein 45/55 Portfolio... somit bleibe ich bei Dividenden ausschüttenden Untermehmen, halte mich aber von extremen DivRenditen > 5% eher fern, da dort meistens doch der Wurm drin ist im Unternehmen... 😉
Der Finanzplanungs- und Investmentprofi für Unternehmer, Selbstständige, Freiberufler und leitende Angestellte
10 MonateIch habe ein breit diversifiziertes Portfolio mit verschiedenen Segmenten. Unter dem Strich habe ich damit im letzten Jahrzehnt eine sehr gute Rendite erzielt, war immer liquide (ohne es gebraucht zu haben) und habe brutale Abstürze vermieden aber auch keine absolute Spitzenperformance erreicht. Viel wichtiger aber: das Portfolio passt zu meinem Risikoprofil und meiner persönlichen Situation Nils Jacobsen
Nachhaltigkeit & Landwirtschaft | passionierte Privatanlegerin und Aktionärin 📉
10 MonateGlücklicherweise kann man ja das eine tun ohne das andere zu lassen. Mein absolute Wachstumsrakete ist AMD, die keine Dividenden zahlen. Weitere Titel mit tollem Wachstum sind aber Novo Nordisk, Apple, Microsoft, McDonalds, Amgen, Waste Management usw. - alle mit Dividendenausschüttungen. Mich motiviert der Cashflow ungemein und ich nehme diesen gerne mit. Zudem habe ich Spaß daran, meine Dividenden zu erfassen und ihnen beim Wachsen zuzusehen :)
Analyst bei NORD/LB
10 MonateZudem helfen Dividenden offenbar in vielen Währungsräumen dabei, sich gegen Inflation zu hedgen - hier mal ein Blick auf Daten aus den USA: