ESG und Vergütung: Wie löst man Zielkonflikte?

Unternehmen agieren nachhaltiger und passen ihre Vergütungsmodelle entsprechend an. Dabei ist es wichtig, Zielkonflikte (Trade-offs) zu vermeiden. Ein Kommentar von Stephan Hostettler und Claudia Würstle. 

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«Ein Vergütungsmodell entfaltet seine Anreizwirkung nur dann, wenn es fokussiert ist.»

Bis vor kurzem war die variable Vergütung kotierter Unternehmen vor allem an das Erreichen klassischer finanzieller Kennziffern sowie an individuelle Ziele geknüpft. Nun fordern Stimmrechtsberater und Investoren mit zunehmender Vehemenz, dass ESG-Aspekte (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) in das Vergütungsmodell integriert werden. Das stellt Verwaltungsräte vor die Frage, wie sie mit dem Thema ESG im Vergütungsmodell umgehen sollen. Ein Präsident einer Schweizer Versicherung hat – bei einem Referat in Bezug auf Zielkonflikte zwischen ESG und finanzieller Performance angesprochen – gesagt: «If you believe in trade offs, you are not convinced.» Dies zeigt ein klares Commitment und stellt Prioritäten klar. Schliesslich liegt es auf der Hand, dass sich gewisse Ziele – zumindest kurzfristig – oft diametral gegenüberstehen. Zum Beispiel schmälern Zusatzkosten für eine CO2-ärmere Produktionsanlage mittelfristig den Gewinn. Doch wie kann man diesen potenziellen Konflikten Rechnung zu tragen? Dies kann grundsätzlich auf zwei Ebenen erfolgen. Erste Ebene: Auswahl weniger, aber materiell wichtiger ESG-Kriterien. Unternehmen stellen die für ihr Tätigkeitsgebiet relevanten ESG-Themen in einer sogenannten Materialitätsmatrix dar. In der Regel veröffentlichen Gesellschaften eine Vielzahl von ESG-Faktoren im Geschäftsbericht. Es ist allerdings wenig sinnvoll, alle aufgeführten Kriterien direkt ins Vergütungsmodell zu übertragen. Denn ein Vergütungsmodell entfaltet seine Anreizwirkung nur dann, wenn es fokussiert ist. Demnach sollte auf Basis der Materialitätsmatrix eine Diskussion geführt werden, welche der darin genannten Elemente auch in der Managementvergütung eine Rolle spielen sollen. Anschliessend werden wenige, aber strategisch relevante Zielgrössen abgebildet. Zweite Ebene: Minimierung von Zielkonflikten in der Performance-Messung und -Beurteilung. Hierzu gibt es im Kern vier Ansatzpunkte. Am häufigsten zu beobachten ist ein Modell, bei dem Unternehmen die als wichtig erachteten ESG-Faktoren im Sinne einer direkten Ursache-Wirkungs-Beziehung mit quantitativen Zielgrössen versehen und in das Vergütungsmodell übertragen. Abhängig von den jeweils hinterlegten Formeln und dem Erreichungsgrad steigt und fällt die variable Vergütung der Manager. Etwa vier von fünf Unternehmen folgen in der Schweiz und international diesem Ansatz. Dieser entspricht dem üblichen Verständnis von Anreiz-Bonus-Wirkung, birgt jedoch die Gefahr, dass der gesamte Bonusplan zu komplex wird und Zielkonflikte nicht angemessen berücksichtigt werden. Ein zweiter Ansatz stützt auf berechenbare Kosten aus dem ESG-Spektrum ab. Typischerweise sind das CO2-Kosten, die mittels internem Carbon Pricing einfach quantifizierbar sind. In den Vergütungsmodellen wird auf einen Gewinn abgestellt, von dem diese Kosten in Abzug gebracht worden sind. Im Gegensatz zur ersten Variante ist diese frei von Trade-offs, sofern der CO2-Preis verlässlich und korrekt berechnet werden kann. Sie hat im Vergleich zu den übrigen Varianten auch den Charme der Einfachheit. Kehrseite der Medaille ist, dass viele relevante Faktoren, vor allem diejenigen aus dem «S» oder «G» des ESG betreffend Vergütung aussen vor bleiben. Beim dritten Ansatz fliessen ESG-Faktoren in Form einer Gesamtbeurteilung in das Vergütungsmodell ein. Dabei werden auch qualitative Aspekte berücksichtigt. Dazu werden strategisch relevante ESG-Themen definiert, die mit konkreten Kriterien unterlegt werden. Diese sollten messbar sein, unterliegen aber keiner Gewichtung und mathematischen Formeln wie in Variante 1. Vielmehr erfolgt eine Gesamtbeurteilung durch den Verwaltungsrat, nach Vorschlag der Geschäftsleitung. In der Schweiz verfolgen Unternehmen zunehmend diesen Ansatz, da er die Diskussion um «wahre» Performance entlastet und Trade-offs besser berücksichtigt. Dann gibt es schliesslich die Möglichkeit, ESG-Kriterien als Mindestanforderung bzw. als Schwellenwert zu definieren. Zum Beispiel: Mindestens eine CO2-Reduktion von x% pro Jahr oder eine Verbesserung der Sicherheit von y. Dies erleichtert die Handhabung des Vergütungsmodells in der jährlichen Praxis und verschiebt die Diskussion über Trade-offs zwischen ESG und finanzieller Performance auf die Strategieebene – respektive in die periodisch zu führende Diskussion, wie ambitiös diese Schwellenwerte denn festgelegt werden sollen. Nach unserer Beurteilung und Erfahrung werden die beiden zuletzt beschriebenen Modelle der komplexen Herausforderung am ehesten gerecht. Sie gehen mit der Frage der Zielkonflikte geschickt um und reflektieren zudem die von den Eigentümern, Verwaltungsräten und Managern direkt erfahrene

Beim dritten Ansatz fliessen ESG-Faktoren in Form einer Gesamtbeurteilung in das Vergütungsmodell ein. Dabei werden auch qualitative Aspekte berücksichtigt. Dazu werden strategisch relevante ESG-Themen definiert, die mit konkreten Kriterien unterlegt werden. Diese sollten messbar sein, unterliegen aber keiner Gewichtung und mathematischen Formeln wie in Variante 1. Vielmehr erfolgt eine Gesamtbeurteilung durch den Verwaltungsrat, nach Vorschlag der Geschäftsleitung. In der Schweiz verfolgen Unternehmen zunehmend diesen Ansatz, da er die Diskussion um «wahre» Performance entlastet und Trade-offs besser berücksichtigt. Dann gibt es schliesslich die Möglichkeit, ESG-Kriterien als Mindestanforderung bzw. als Schwellenwert zu definieren. Zum Beispiel: Mindestens eine CO2-Reduktion von x% pro Jahr oder eine Verbesserung der Sicherheit von y. Dies erleichtert die Handhabung des Vergütungsmodells in der jährlichen Praxis und verschiebt die Diskussion über Trade-offs zwischen ESG und finanzieller Performance auf die Strategieebene – respektive in die periodisch zu führende Diskussion, wie ambitiös diese Schwellenwerte denn festgelegt werden sollen. Nach unserer Beurteilung und Erfahrung werden die beiden zuletzt beschriebenen Modelle der komplexen Herausforderung am ehesten gerecht. Sie gehen mit der Frage der Zielkonflikte geschickt um und reflektieren zudem die von den Eigentümern, Verwaltungsräten und Managern direkt erfahrene

Beim dritten Ansatz fliessen ESG-Faktoren in Form einer Gesamtbeurteilung in das Vergütungsmodell ein. Dabei werden auch qualitative Aspekte berücksichtigt. Dazu werden strategisch relevante ESG-Themen definiert, die mit konkreten Kriterien unterlegt werden. Diese sollten messbar sein, unterliegen aber keiner Gewichtung und mathematischen Formeln wie in Variante 1. Vielmehr erfolgt eine Gesamtbeurteilung durch den Verwaltungsrat, nach Vorschlag der Geschäftsleitung. In der Schweiz verfolgen Unternehmen zunehmend diesen Ansatz, da er die Diskussion um «wahre» Performance entlastet und Trade-offs besser berücksichtigt. Dann gibt es schliesslich die Möglichkeit, ESG-Kriterien als Mindestanforderung bzw. als Schwellenwert zu definieren. Zum Beispiel: Mindestens eine CO2-Reduktion von x% pro Jahr oder eine Verbesserung der Sicherheit von y. Dies erleichtert die Handhabung des Vergütungsmodells in der jährlichen Praxis und verschiebt die Diskussion über Trade-offs zwischen ESG und finanzieller Performance auf die Strategieebene – respektive in die periodisch zu führende Diskussion, wie ambitiös diese Schwellenwerte denn festgelegt werden sollen. Nach unserer Beurteilung und Erfahrung werden die beiden zuletzt beschriebenen Modelle der komplexen Herausforderung am ehesten gerecht. Sie gehen mit der Frage der Zielkonflikte geschickt um und reflektieren zudem die von den Eigentümern, Verwaltungsräten und Managern direkt erfahrene Performance angemessen.

  • veröffentlicht in Finanz und Wirtschaft am 26.04.2022

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