Postkarte aus dem neuen Japan.
Picture of the author by the author in Japan, June 2024.

Postkarte aus dem neuen Japan.

Das Argument „Japanische Unternehmen muss man nicht im Depot haben, sie verändern sich sowieso nie“ hat über Jahrzehnte gestimmt.

Doch seit Anfang 2023 steigen japanische Aktien. Nur ein zwischenzeitliches Aufbäumen oder steckt da mehr dahinter? Ich wollte mir selbst ein Bild machen und reiste letzte Woche nach Japan. Mit unserem Partner für japanische Aktien – der Fondsgesellschaft Aspoma – besuchte ich 22 Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen.

Drei Erkenntnisse schicke ich meinem detaillierten Bericht voraus:

1.     Japan verändert sich.

2.    Genau hinsehen ist wichtig.

3.    Der günstige Yen macht Japan zu einem großartigen und vor allem auch erschwinglichen Urlaubsland.

Was war jahrzehntelang das Problem in Japan?

Nach dem Platzen der großen Aktienblase der 1980er-Jahre begannen die Unternehmen Liquidität zu horten. Über jedes vernünftige Maß hinaus. Das ging so weit, dass manche Geschäftsmodelle an der Börse unter ihrem Nettobargeldbestand gehandelt wurden. Das heißt, man bekam das Geschäftsmodell gratis obendrauf. Erstaunlicherweise gibt es das vereinzelt heute noch.

Doch was ist die Taube am Dach wert, wenn ich sie nie erwische? Der Bargeldbestand war eine Schatzkiste, an welche Minderheitsaktionäre nicht herankamen. Deshalb maß der Markt diesem unverzinsten Berg Geld auch keinen Wert zu.

Abenomics und heutige Maßnahmen

Vor 10 Jahren startete der damalige Premier Shinzo Abe eine Reforminitiative, die wir heute unter Abenomics kennen. Das japanische System zeigte sich jedoch veränderungsresistent. Bis Anfang 2023. Da forderte die japanische Aktienbörse Tokyo Stock Exchange TSE von allen gelisteten Unternehmen Maßnahmen .

Das ist bemerkenswert, denn schließlich wird die TSE von diesen Unternehmen über die Listing-Gebühren bezahlt. Natürlich stecken hier staatliche Initiativen dahinter. Die Regierung war jedoch schlau genug, das Problem nicht über den komplizierten Prozess der Gesetzgebung, sondern über die TSE anzugehen. Die Unternehmen wurden aufgefordert, „Maßnahmen zu ergreifen, um ein Management zu implementieren, das sich der Kapitalkosten und des Aktienkurses bewusst ist."

Plötzlich musste sich das Management mit völlig neuen Begriffen auseinandersetzen, wie zum Beispiel mit Kapitalkosten oder der Rendite auf das eingesetzte Kapital.

Anfang 2024, ein Jahr nach den publizierten Forderungen, veröffentlichten bereits die Hälfte aller Unternehmen im Prime Segment Informationen zu den Veränderungen. Die TSE hakte im Februar nach und konkretisierte die Erwartungen.

Niemand kann sich entziehen

Keines der 22 von mir besuchten Unternehmen zuckte einfach mit den Schultern und ignorierte diese Initiative. Ganz im Gegenteil, in jeder Präsentation befand sich zumindest eine Seite zum Thema.

Zwei Kennzahlen kristallisierten sich heraus: die Rendite auf das Eigenkapital (ROE, Return On Equity) und der Preis in Relation zum Buchwert (P/B). Viele Unternehmen liefern uns Eigentümern einen viel zu geringen ROE und entsprechend werden sie oft weit unter ihrem Buchwert gehandelt. Nun nehmen sie dazu Stellung, wie sie die Situation verbessern wollen.

In der Diskussion mussten wir dennoch immer nachhaken, um herauszufinden, ob spürbare Maßnahmen folgen werden. Und hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Während die einen glaubwürdige Maßnahmen über einen klaren Zeitraum präsentierten, war bei anderen wenig Wille zu Veränderung zu erkennen.

Handverlesene Auswahl

In Japan haben wir mehr als die Hälfte des Anlagevolumens in kleine Unternehmen investiert. Das geht nur mit genauer Bilanzanalyse und persönlichen Besuchen, um die Unternehmensziele genau zu verstehen. Stimmen diese mit unseren Ansprüchen überein?

Wir investieren nicht pauschal in den japanischen Aktienmarkt, sondern in einzelne japanische Geschäftsmodelle. Entsprechend stark abweichend kann die Wertentwicklung unseres Aktienanteils zu großen Indizes, wie dem Nikkei 225, sein. Mit den aktuell 66 Aktienpositionen halten wir unter 2% aller Titel, die in Japan an der Börse handeln. Der handverlesene Zugang ist deshalb mehr als nur ein Schlagwort.

Abschließend komme ich auf das Thema Japan als Urlaubsland zurück. Meine Meinung: Japan ist definitiv eine Reise wert. Sie werden die Vielfalt an Aktivitäten, die Höflichkeit, Sauberkeit und hohe Sicherheit schätzen. Wunderbares Essen, eine Kultur ohne Trinkgeld und verlässliche Zugverbindungen erhöhen die Attraktivität.


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Robert Karas, CFA

Chief Investment Officer | Partner at Bank Gutmann

4 Monate

Hier noch ein wichtiger Kommentar von Harald Staudinger, CFA zum Thema: "Bei japanischen Unternehmen können niedrige Renditen auf das Eigenkapital (ROE) verschiedene Ursachen haben. Jene Unternehmen, die eigentlich hohe Renditen in ihrem operativen Kerngeschäft erwirtschaften, deren ROE aber verwässert wird durch zu viel unproduktives "Cash" auf den Konten, sind interessant. Von allen möglichen Problemen, die man als Management eines Unternehmens haben kann, ist das eines der angenehmsten und am leichtesten zu lösen! Aktienrückkäufe und Dividendenanhebungen führen unmittelbar zu einem Abbau von überschüssiger Liquidität in der Bilanz und ohne große Anstrengung zu einem höheren Eigenkapitalrenditen. Bei weitem noch nicht alle Unternehmensleitungen in Japan sind bereit dafür, aber die jährlichen Rekordzahlen bei Gewinnen, Aktienrückkäufen und Dividendenzahlungen zeigen, dass sich in Japan vieles in die richtige Richtung verändert. "

Matthias Rau 🌱

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Wie immer: sehr lesenswert!!

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