Von smart bis hart: Trennungsmanagement oder „Kicked out“
Eine Analyse aktueller Downsizing-Strategien (Teil 2)
In Teil 1 hatten wir bereits verschiedene Personalabbaustrategien betrachtet. Es zeigte sich, dass diese üblicherweise in aufgrund ihrer betriebswirtschaftlicher Wirkungen und arbeitsrechtlicher Restriktionen oft gestaffelt angewendet werden. Doch woran liegt es, dass Unternehmen teils unterschiedliche Downsizingstrategien verwenden? Teilweise an Gründen die außerhalb unmittelbarer Kostenüberlegungen liegen. Eine kleine Fallanalyse.
Vergleichen wir die Vorgehensweise von Tesla und VW. Hier zeigen sich wie die Ursachen der Kündigungen und verschiedene Rahmenbedingungen die Downsizingstrategien beeinflussen. Dabei betrachten wir im Fall von Tesla aus Gründen der Vergleichbarkeit nur das Vorgehen am deutschen Produktionsstandort.
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Eine zunächst etwas paradox erscheinende Situation spielt sich gerade im brandenburgischen Grünheide ab. Während Tesla dort einerseits im Rahmen seines weltweiten Downsizings Stellen abbaut, demonstrieren Bürgerinitiativen gegen eine Erweiterung des dortigen Tesla-Werks. Wie passt das zusammen?
Prof. Dr. Michael Knörzer vom APRIORI HR:LAB ordnet dies ein: „Das Beispiel Tesla ist fast wie aus dem Lehrbuch und beschreibt einen typischen Fall von konkurrenz- und kosteninduzierter Personalanpassung. Tesla scheint grundsätzlich strategisch richtig positioniert. Der weltweite Markt für Elektroautos wächst, wenn auch aktuell langsamer als in den vergangenen Jahren. Insbesondere im wichtigsten Wachstumsmarkt China gewinnen E-Autos zunehmend an Popularität, während gerade die Zulassungszahlen in der EU nach einem Wachstum im Jahr 2023 und zu Beginn des Jahres stagnieren, was beispielsweise wie in Deutschland auch durch den Wegfall von Kaufprämien begründet ist. Tesla kann von den weltweiten Wachstumstrends im Bereich der E-Mobilität jedoch deutlich weniger profitieren als die Konkurrenz. Während Teslas Model Y in allen drei Schlüsselmärkte – China, USA, Europa – immer noch an der Spitze der Zulassungsstatistiken rangiert, holt die Konkurrenz bei den Marktanteilen auf. Tesla antwortet darauf mit Preissenkungsstrategien, um Marktanteile zu halten. Dies löst wiederum Kostendruck aus, der auch bei den Personalkosten aufgefangen werden muss“, und ergänzt „Tesla wäre nicht Tesla und Elon Musk nicht Elon Musk, wenn man das nicht etwas anders kommunizieren würde. So liest man gerade, dass Tesla Einsparungen durch Fortschritte bei den Entwicklungs- und Produktionsprozessen, günstigere Kostenstrukturen aus verbesserten Lieferketten und Skaleneffekte aus der Produktion an den Kunden weitergibt. So kann man es natürlich auch sehen“. Diese aktuelle konkurrenzgetriebene Personalanpassung stehe aber der grundsätzlichen langfristigen Wachstumsstrategie, zu der beispielsweise auch der Ausbau des Grünheider Werkes gehöre, nicht entgegen, betont Prof. Knörzer. Die Ankündigung von Elon Musk, man müsse sich zyklisch alle fünf Jahre „schlank, innovativ und hungrig für die nächste Wachstumsphase“ aufstellen, klinge jedenfalls etwas gewollter als es die aktuellen Notwendigkeiten erscheinen lassen, meint Prof. Knörzer. Konsequenterweise nutzt Tesla hier relativ harte Instrumente des Personalabbaus. Diese waren in einem ersten Schritt die Nichtverlängerung von ca. 300 Leiharbeitsverträgen. Dass aufgrund der kurzfristigen Ankündigung und der fehlenden Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter scharfe Kritik von Gewerkschafts- und Betriebsratsseite kam, hat wohl zu einem Lerneffekt beim amerikanischen Autobauer geführt: statt der ursprünglich in den Medien kolportierten „echten“ Kündigungen bei festangestellten Mitarbeitern in vielfachem Umfang soll nun erst einmal über ein “Freiwilligenprogramm” mit dem Betriebsrat verhandelt werden.
Schaut man in die Listen der meistverkauften Elektroautos, finden sich Modelle von VW außer im Heimatmarkt Deutschland vergleichsweise selten in den absoluten Spitzenpositionen der internationalen E-Automärkte. Dennoch hat sich die VW Gruppe als weltweit drittgrößter Produzent von E-Autos etablieren können, hinter Tesla und BYD. „Dennoch ist die strategische Grundvoraussetzung hier eine ganz andere. VW und die anderen Unternehmen der Gruppe sind hinsichtlich der Antriebstechnologien und Modellpaletten deutlich diversifizierter als Tesla. Dies gilt dann fast zwangsläufig auch für die dahinter stehenden Personalstrukturen. Das hat Konsequenzen für Personalanpassungen“, erläutert Prof. Knörzer die Ausgangssituation beim deutschen Autobauer. Hinzu kommen weitere Besonderheiten, so der Professor für Personalmanagement: „VW hat eine lange Tradition der Phasen von Personalaufbau und -abbau, und insofern viele Lerneffekte aus den vergangenen Jahrzehnten, was geht und was eher nicht. Zudem sehen wir hier eine viel stärkere Position von Gewerkschaften und Betriebsräten im Konzern, was von vornherein zu einem deutlich konsensorientierterem Personalabbau zwingt, ganz unabhängig von den kollektiv- und individualarbeitsrechtlichen Vorgaben“. So verwundert es nicht, dass hier von Anfang an „harte“ Kündigungen möglichst vermieden werden sollten. Allerdings scheint das angebotene Abfindungsprogramm viele der hauptsächlich betroffenen Verwaltungsmitarbeiter nicht recht zu begeistern, sodass VW bis Ende Mai noch eine „Turboprämie“ von 50.000 Euro auf die Abfindungsprämie drauflegt, wenn sich die Mitarbeiter bis dahin für einen Aufhebungsvertrag entscheiden, wie die Wirtschaftswoche berichtete. „Interessant ist hier vor allem aus personalstrategischer Sicht, dass VW aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und die Abfindungsregelung unter den doppelten Vorbehalt stellt: Mitarbeiter und Unternehmen müssen sich dafür aussprechen. Damit will man vermeiden, dass die besten Mitarbeiter gehen und das Geld mitnehmen, wie früher schon öfter passierte“. Im pauschalen Abfindungsprogramm 2006, aber auch in früheren Personalabbauphasen war VW genau dies passiert. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Downsizingstrategie von VW ist die Nutzung der natürlichen Fluktuation. Mit einer „maximalen Nutzung der demographischen Kurve“ zitiert hier die Wirtschaftswoche interne Quellen. „Diese Option kann VW natürlich deutlich intensiver ziehen als Tesla, da die Altersstrukturen in beiden Unternehmen ganz anders sind“, erläutert Prof. Knörzer. „Diese Art des ‚sozialverträglichen Personalabbaus‘ passt auch zur stark arbeitnehmermitbestimmten Unternehmenskultur und ist unter den aktuellen Gegebenheiten vermutlich die einzig gut zu kommunizierende. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass VW als Hauptsponsor der Nationalmannschaft ausgerechnett bei einer Heim-EM Negativschlagzeilen wegen einer Kündigungswelle in den Medien lesen möchte. Der Imageschaden würde sich unter diese Bedingungen potenzieren. Auch solche gesellschaftlichen Wahrnehmungseffekte können manchmal dazu führen, wie smart oder hart Unternehmen Personalanpassungen vornehmen“.