Flache Hierarchien sind die Fortsetzung des Holzwegs
Illustration: Pia Steinmann

Flache Hierarchien sind die Fortsetzung des Holzwegs

Viele Manager und Führungskräfte wollen ihre Unternehmen flacher machen, um so zu mehr Effizienz oder Effektivität zu gelangen, Mittelmanagement und interne Bürokratie zu verringern. Das Problem: Organisationen sollten nicht flach sein, sondern dezentralisiert. „Flach“ ist nur eine Verlängerung des Holzwegs. Denn in „Flach“ bleibt es bei Steuerung von oben nach unten.

***

Hierarchische Steuerung in der Unternehmensführung war einmal eine gute Idee. Das war im Industriezeitalter. Seit dessen Ende aber ist die Fähigkeit der Märkte, uns zu überraschen erheblich gestiegen: Wertschöpfung im Wissenszeitalter ist dynamischer als Wertschöpfung wie wir sie im Industriezeitalter kannten. Dienstleistung, Kustomisierung, Einzelfertigung, Unvorhersehbarkeit und Wettbewerbsdichte haben dramatisch zugenommen. In jeder Organisation muss darum das „Außen“ an der Macht sein – Gegensteuerung von „oben“ in form von Anweisung und Kontrolle versagt. Steuerung kollabiert. Lässt man Steuerung dennoch zu, dann führt sie zwangsläufig zu Fehlsteuerung und beeinträchtigt Wertschöpfung.

No alt text provided for this image

Wertschöpfung in Richtung Markt als dominantes Prinzip.

Flache Hierarchien sind keine Lösung. Sondern eher die Weiterführung einer Managementtradition, die längst zum Denkfehler geworden ist. Wendet sich eine Organisation nicht konsequent dem Markt zu, sondern verbleibt im Modus hierarchischer Steuerung, dann wächst Mittelmanagement immer wieder nach. Ebenso wie bürokratische Steuerungsrituale – darunter Zielverhandlung, Mikromanagement, Budgetierung, Planungsprozesse, Umlagen, Kostenmanagement und exzessive Regelungen. Nur in „Dezentralisiert“ verschwindet der Grund, überhaupt Mittelmanagement und Steuerung zu haben. Dann werden Selbstorganisation und Führung von außen nach innen möglich. Wird Hierarchie trivial. Wertschöpfung in Richtung Markt kann zum dominanten Prinzip werden.

"Wer von einer Lähmschicht in der Mitte spricht, hat das Problem nicht verstanden."

Verzichten Sie also besser ganz darauf, Ihr Unternehmen „flach“ machen zu wollen. In Komplexität muss Organisation föderativ sein, nicht flach. Wenn außen Markt regiert, ist es innerhalb der Organisation die Peripherie, die Geld verdient, am Markt lernt, sich schnell und intelligent anpassen kann. Das Zentrum verliert seinen Kompetenzvorsprung – es kann kaum noch nützliche Anweisungen geben. Kopplung zwischen Peripherie und Zentrum muss entsprechend so gestaltet sein, dass es möglich ist, Marktdynamik aufzunehmen und zu verarbeiten. Dazu muss die Peripherie das Zentrum marktlich steuern und Ressourcenhoheit besitzen. Nicht umgekehrt.

Dezentralisierung folgt anderen Gesetzen als Hierarchie. Im Prinzip der Dezentralisierung geht die Rückgabe von Autonomie und Entscheidungshoheit an Teams in der Peripherie immer weiter. Dezentralisierung hört niemals auf.

 ***

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Juli 2015 auf dem Blog "Mitarbeiter führen Unternehmen" veröffentlicht.

No alt text provided for this image

Niels Pfläging ist Unternehmer, Beeinflusser, Advisor und profilierter Fürsprecher einer neuen, zeitgemäßen Führung. Fünf Jahre lang war er Direktor des renommierten Beyond Budgeting Round Table BBRT, einem internationalen Think Tank. Später gründete Pfläging die internationale Open-Innovation-Vereinigung BetaCodex Network. Sein viertes Buch Organisation für Komplexität erschien 2014 im Redline Verlag und wurde schnell zum Bestseller. 2015 folgte bei Redline sein neues Buch Komplexithoden: Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität, in Co-Autorenschaft mit Silke Hermann. Sie erreichen Niels Pfläging unter kontakt@nielspflaeging.com. Twitter: @NielsPflaeging

Helga Peukert (Sterr)

Business Consultant / Project Manager — Business / Marketing Software, Processes, and Automation

4 Jahre

Wie werden die unterschiedlichen Charaktere, Bedürfnisse und Ziele des Individuums in dieser Art der Organisation behandelt? Menschen sind real verschieden. Der eine kann ohne Ansage von oben, nicht arbeiten. Der nächste möchte nicht führen und will keine Verantwortung tragen. Wiederum ein nächster kommt mit Änderungen nur schwer zurecht, ein anderer ist kreativ, offen und innovativ und der nächste wiederum ein stiller, der nicht in der Lage ist, seine guten Ideen zu kommunizieren. Dezentralisierung hat in meinen Augen Grenzen, wenn man es nicht schafft, all diese Menschen unter einen Hut zu bringen. Oder?

Thomas Kleiner

INVEST IN YOURSELF - Zwei Jahrzehnte Erfahrung als Unternehmer und Vorstand in der Digitalisierung - Etablierung innovativer/produktiver Organisationsformen - Krisenmanagement als Verwaltungsrat - visionäre Strategien

5 Jahre

Andrea Sailer - das Buch benötigen wir, iXenso ist ja nah dran... aber nachjustieren müssen wir dennoch 😉

Marny Naatz

Coach für Führungskräfte I Expertin für Stress- und Konfliktmanagement I Begleiterin in unsicheren Zeiten I Unterstützerin produktiver Teamarbeit und wertschätzender Zusammenarbeit

7 Jahre

Kann ich nur teilweise zustimmen. Dezentralisierung ist nicht die Lösung, um Menschen in die Selbstverantwortung zu bringen. Ich sehe den Ansatz des Managements 3.0 von Jürgen Appelo gewinnbringender.

Michael Zimmer

Data enables better decisions - You act better when you are sure

7 Jahre

setzt die psychologische Grundtugend des "loslassen" bei Management & Eigentümern voraus. Wünschenswert, aber für das eine oder andere Alphatier schwierig - leider

Michael Ptacek

Experience has no shortcuts

7 Jahre

Wie soll das umgesetzt werden?

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Niels Pflaeging

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen