24 Orte für 2024

Exotische, inspirierende und einfach schöne Reiseziele für das kommende Jahr

– Teil 1 –

9. Dezember 2023

KAIRO

Ägyptens Hauptstadt verblüfft mit dem größten Museum der Welt.  

Kairo, wuselige Hauptstadt: An allen Ecken und Enden wird die Metropole modernisiert, neue Museen und Hotels entstehen.
Kairo, wuselige Hauptstadt: An allen Ecken und Enden wird die Metropole modernisiert, neue Museen und Hotels entstehen. Foto: Myriam Boulos / Magnum Photos / Agentur Focus

Text: FLORIAN SIEBECK

Vor 22 Jahren schrieb die ägyptische Regierung einen Wettbewerb für den Entwurf eines neuen Museumskomplexes aus, der einen der größten antiken Schätze der Welt beherbergen sollte. Nur einen Monat später fand die symbolträchtige Grundsteinlegung statt. Doch dann passierte erst einmal: nichts. Das ehrgeizige Projekt, ganz in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wurde von finanziellen und politischen Rückschlägen heimgesucht, und als der Ausbruch des Arabischen Frühlings Anfang 2011 Ägypten erreichte, kamen die Arbeiten zum Stillstand. Erst vier Jahre später wurden sie wieder aufgenommen.

Ende des Jahres nun soll das „Große Ägyptische Museum“ (GEM) endlich eröffnen. Der Termin war zwar schon für 2018, 2019 und 2020 angekündigt worden, diesmal scheint es aber ernst zu sein. Das Atrium des weitläufigen modernen Gebäudes, das einem antiken Segelschiff nachempfunden ist, war in den letzten Monaten schon testweise für Besucher geöffnet. Dort steht unter anderem die elf Meter hohe und 83 Tonnen schwere Statue von Ramses II., die einst den Kairoer Hauptbahnhof schmückte. In den Ausstellungen, die vom Stuttgarter Atelier Brückner konzipiert werden, sollen bald mehr als 100.000 antike Artefakte zu sehen sein, darunter erstmals die gesamte Schatzsammlung aus dem Grab von König Tutanchamun.

Geplant ist, dass drei Museen in Kairo die Schätze des alten Ägyptens gemeinsam präsentieren: Das historische Ägyptische Museum am Tahrir-Platz mit seinen Tierfiguren, Grabinschriften und mit bunten Hieroglyphen verzierten Stelen bleibt geöffnet, das unlängst eröffnete Nationalmuseum der ägyptischen Zivilisation wird als Ruhestätte der königlichen Mumien dienen, und das neue „Große Ägyptische Museum“ soll neben Artefakten aus prähistorischen Zeiten auch Exponate aus den – vergleichsweise moderneren – griechischen und römischen Perioden der ägyptischen Geschichte ausstellen. Wenn es eröffnet wird, soll es das größte Museum der Welt sein – größer als der Louvre in Paris.

Es gibt viel zu entdecken in Kairo. Seit der Revolution 2011 waren die Besucherzahlen stark zurückgegangen, dann kam Corona. Auf manche Touristen wirkte der Besuch der Pyramiden beinahe wie ein Spaziergang auf dem Mond: So leer war das fünfte Weltwunder lange nicht gewesen. Nun will das Land die Touristen im Eiltempo zurückholen. Nicht nur den Museen wurde ein Facelift verpasst, auch neue archäologische Stätten wurden erschlossen oder restauriert, darunter das Grab des Djoser mit seinem unterirdischen Labyrinth aus hieroglyphenbedeckten Gängen in der altägyptischen Nekropole Sakkara vor den Toren Kairos.

Und auch sonst bleibt in Kairo gerade kaum ein Stein auf dem anderen. Das Gesicht der Stadt, die in den letzten Jahren zusehends zerfiel, verändert sich rasant. Die gut 1000 Jahre alte Metropole mag im Vergleich zu den 4500 Jahre alten Pyramiden vergleichsweise jung daherkommen, doch die vielen Kulturen und Gesellschaftsschichten machen sie zu einer der dynamischsten Metropolen der Welt. Mit Schritten wie der Restaurierung des Aquädukts der Zitadelle von Kairo oder der Eröffnung des neuen „Sphinx International Airports“ wollen die Verantwortlichen mehr Besucher in die Stadt holen.

Die Stadt will sich dem 21. Jahrhundert öffnen, ohne seinen Charme der alten Welt zu verlieren. Doch die Herausforderungen sind enorm, Kairo ist die bevölkerungsreichste Stadt Afrikas, und sie wächst und wächst – die Bevölkerung des Großraums der Stadt wird bis 2050 voraussichtlich von jetzt 22 auf 40 Millionen Menschen ansteigen. Gut 50 Kilometer östlich von Kairo baut die Regierung deshalb für 59 Milliarden Dollar eine neue Hauptstadt (siehe auch Seite 138). Auch sie soll bald eröffnet werden. 2036 sollen dort nach dem Wunsch der Regierung die ersten Olympischen Spiele in einem afrikanischen Land stattfinden.

Die Stadt ist Teil der Strategie, das „alte“ Kairo zu entlasten. Zwar beabsichtigt die Regierung nicht, die neue Hauptstadt zu einem bedeutenden Ziel für Reisende zu machen – sie soll vor allem die Verwaltung beherbergen – dennoch wird es dort unter anderem den „Iconic Tower“ geben, mit einer Gebäudehöhe von 394 Metern das höchste Gebäude Afrikas. Auf einer Fläche von 700 Quadratkilometern werden zahlreiche Parks und Grünanlagen geplant, auch ein Themenpark soll entstehen, der nach Angaben ägyptischer Beamter größer sein wird als Disneyland.

Im „alten“ Kairo sorgt der Umzug von Regierung und Behörden nicht nur für eine Entlastung der stets kurz vor dem Verkehrskollaps stehenden Stadt, sondern schafft auch Räume für neue Projekte im Tourismussektor: So wird eine ganze Reihe historischer Paläste frei, in denen etwa Boutique-Hotels oder kulturelle Einrichtungen unterkommen sollen. Kairo ist im Umbruch, und Besucher können mittendrin sein, wenn sich die Stadt, die lange höchstens als Durchgangsstation für die Schätze der ägyptischen Kulturgeschichte genutzt wurde, immer stärker zu einer eigenen Reisedestination entwickelt. Im laufenden Jahr soll die Zahl der Touristen in Ägypten erstmals die Marke von 15 Millionen knacken – bis 2028 soll sich die Zahl verdoppeln. So leer wie jetzt wird es in Kairo auf absehbare Zeit also wohl nicht mehr werden. 

Eine Geschichte aus der aktuellen Ausgabe des Magazins der F.A.Z. „Frankfurter Allgemeine Quarterly“

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