Die Erfolgsgeschichte der modernen Architektur ist auch eine Erfolgsgeschichte der Fotografie: Als etwa der Architekt Mies van der Rohe (1886 bis 1969) in den zwanziger Jahren vorschlug, einen gläsernen Wolkenkratzer an der Berliner Friedrichstraße in unmittelbarer Nähe zur Spree zu errichten, da war es vor allem eine geschickte Fotomontage, die den ungläubigen Zeitgenossen diese - damals so gar nicht baubare - Vision als denkbar vor Augen treten ließ. Fotomontagen waren Mittel, die Greifbarkeit einer bisher undenkbaren Zukunft zu behaupten, und die Sammlung von Modell- und Architekturfotografien, die am 13. November in Berlin zur Auktion gebracht wird, dokumentiert nicht nur die Geschichte der modernen Architektur - sie ist selbst ein Teil von ihr.

Denn es waren Fotografien, nach denen der 1930 abgerissene Barcelona-Pavillon Anfang der achtziger Jahre in Spanien rekonstruiert werden konnte, und es waren Fotos von Modellen und Innenräumen, die zu ihrer Zeit den Eindruck erweckten, das moderne Leben habe schon begonnen: So entstanden auf der Deutschen Bauausstellung in Berlin 1931 Fotos in einem Haus, das eigentlich nur eine Attrappe war und in einer Ausstellungshalle stand - was man auf diesen Aufnahmen aber nicht sieht.

Was man auch sieht auf diesen Fotografien, die von Modellen und Montagen bis zu Bauten die Frühphase von Mies van der Rohes Schaffen zeigen, ist die Opulenz jener Moderne, die dem Architekten vorschwebte und die so gar nichts mit dem pietistischen Askese-Ingrimm seiner Mitstreiter vom Bauhaus zu tun hat. Mies van der Rohe baute das Gegenteil von weißen Kisten; er steigerte die räumliche Großzügigkeit und die materielle Opulenz alter Prachtbauten, abstrahierte sie vielleicht und vermied Schnörkel - aber die Art, wie er im Innersten des Barcelona-Pavillons inmitten feiner Stahlbeine und großer, leichter Glasmäntel eine wild gemaserte Marmorwand aufbaute, offenbart den geheimen Barockkünstler im Avantgardisten.

Mies van der Rohes legendäre Marmorwand war 1929 schon das, was zwanzig Jahre später die Gemälde des Abstrakten Expressionismus sein wollten: keine Botschaft, sondern ein reines Material- und Formerlebnis. Dass der Pavillon mit seinem freien Grundriss, der aus zusammengeschobenen Wandfragmenten besteht, dem formauflösenden Kubismus seinerseits viel verdankt, zeigt, wie eng Kunst und Architektur in dieser Zeit verwoben waren. Doch viel mehr als die Malerei war die Fotografie das Medium, das einen glaubwürdigen Vorschein jener modernen Wohnwelt geben konnte, die Mies nach 1933 nur noch im amerikanischen Exil realisieren konnte. So gesehen bleibt der utopische Kern dieser Fotos bis heute lebendig - sie führen ein leichtes, offenes, elegant modernes Deutschland vor, das es so nie gab.