Telegram-Chef Pawel Durow: War die Festnahme politisch motiviert?

Am vergangenen Wochenende gerieten russische Propagandisten in Panik, und das hatte nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, mit der andauernden ukrainischen Offensive in Kursk zu tun. Stattdessen ging es um die Verhaftung des 39 Jahre alten Tech-Milliardärs Pawel Durow am späten Samstagabend am Le-Bourget-Flughafen bei Paris. Durow ist Entwickler und Gründer des Messenger-Dienstes Telegram und der Social-Media-Plattform VKontakte, die als russische Facebook-Variante gilt. Durow war kurz nach seiner Landung mit einem Privatjet aus Aserbaidschan festgenommen worden. Die französischen Ermittler hatten einen Haftbefehl wegen Verdachts auf Betrug, Drogenhandel, organisierte Kriminalität, Terrorismusförderung und Cybermobbing erlassen. Durow verließ Russland 2014 Durow wird vorgeworfen, nichts gegen diese kriminellen Machenschaften auf Telegram zu unternehmen. Am Sonntag bezog Telegram Stellung: Man halte sich an die EU-Gesetze einschließlich des Digital Services Act. „Der CEO von Telegram, Pawel Durow, hat nichts zu verbergen und reist häufig durch Europa“, hieß es in der Erklärung. Es sei absurd zu behaupten, dass eine Plattform oder ihr Eigentümer für den Missbrauch auf der Plattform verantwortlich seien. Durow wird oft als russischer Mark Zuckerberg bezeichnet, dabei besitzt er neben der russischen und der französischen auch die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Arabischen Emirate und eines karibischen Inselstaates. Er inszeniert sich gerne als Weltbürger, der um den Globus jettet, posiert im Geiste von Steve Jobs im schwarzen Oberteil, dann aber auch oberkörperfrei. Er gibt an, über 100 biologische Kinder zu haben. Sein Geburtsland hatte Durow noch 2014 verlassen, da er nicht mit der Einmischung der russischen Behörden in seine Plattform VKontakte einverstanden war. Diese hatten Durow aufgefordert, Daten von oppositionellen Kräften preiszugeben. Die Social-Media-Plattform hatte er 2006 zusammen mit seinem Bruder Nikolaj gegründet, verkaufte seine Anteile aber später. Nach Stationen in Berlin und San Francisco lebt er mittlerweile in Dubai, wo auch der 2013 ebenfalls gemeinsam mit seinem Bruder ins Leben gerufene Messenger-Dienst Telegram seinen Sitz hat. Duma-Abgeordnete fordern Durows Freilassung Telegram hat Durow zufolge mittlerweile über 900 Millionen Nutzer, besonders populär ist die App in Osteuropa. So ließen Kommentare zur Verhaftung aus Russland auf Telegram nicht lange auf sich warten. Leonid Sluzkij, Abgeordneter und Vorsitzender der rechtsextremen LDPR-Partei, kommentierte Durows Festnahme patriotisch mit: „Egal nun ob er ein ‚Guter‘ oder ein ‚Schlechter‘ ist, er ist ein Russe.“ Schadenfreude gab es hingegen bei Ex-Präsident Medwedjew: „Er wollte ein genialer Mann von Welt sein, der bestens ohne Heimat auskommt. Ubi bene ibi patria! Er hat sich verkalkuliert.“ Doch auch Regierungsgegner forderten die Freilassung Durows, und sogar Elon Musk verteidigte ihn. Aufgrund der prinzipiell fehlenden Moderation der Inhalte ist Telegram bei prorussischen Propagandisten beliebt, die mit der Verhaftung Durows auch um die Zukunft ihrer Lieblingsplattform sowie um ihre eigene Zukunft fürchten dürften. So schrieb die RT-Chefin Margarita Simonjan in ihrem Telegram-Kanal, Durow sei eingesperrt worden, „um die Schlüssel zu kriegen“. Und er werde sie übergeben. Dahinter steckt die Befürchtung, Durow könne Frankreich Zugang zu den Nutzerdaten seiner Plattform verschaffen. Auch hierzulande ist Telegram bei Rechten und Verschwörungstheoretikern besonders beliebt, überdies wird die App für Drogenkäufe und sexuelle Dienstleistungen benutzt. Über die Funktion „Leute in der Nähe“ können Letztere leicht gefunden werden. Gleichzeitig wird die App auch schlicht als Messenger genutzt. Kanäle zur Verbreitung von Informationen werden zudem etwa vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj und von russischen Oppositionellen verwendet. Dass die Verhaftung politisch motiviert gewesen sei, dementierte der französische Präsident Macron am 26. August auf Twitter. Frankreich bekenne sich zur Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, zu Erfindungen und zum Unternehmergeist. Es sei Aufgabe der Justiz, in voller Unabhängigkeit das Gesetz durchzusetzen. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben Frankreich am Dienstag aufgefordert, ihnen die konsularische Betreuung des festgenommenen Chefs des Messenger-Dienstes Telegram zu ermöglichen, meldete AFP. Die emiratischen Behörden „verfolgen den Fall ihres Staatsbürgers Pawel Durow intensiv“, erklärte das Außenministerium in Abu Dhabi am Dienstag.