EZB-Zinsentscheid: Ohne Zinssenkung in die Sommerpause

Die Europäische Zentralbank (EZB) legt eine Zinspause ein. Nach der ersten Zinssenkung seit fünf Jahren im Juni bleiben die Leitzinsen im Juli unverändert. Das hat der EZB-Rat, das oberste geldpolitische Gremium im Euroraum, am Donnerstag nach seiner Juli-Zinssitzung mitgeteilt. Im August macht die Notenbank nun eine Sommerpause. „Die EZB ist nicht in Eile“, meinte Mark Wall, Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank. EZB-Präsidentin Christine Lagarde will offenbar weitere Daten über die Inflationsentwicklung abwarten, bevor sie die Zinsen weiter senkt. Während des Notenbankertreffens im portugiesischen Sintra hatte sie durchblicken lassen, es gebe hinsichtlich der Inflation noch „mehrere Unsicherheiten“ und der starke Arbeitsmarkt gebe der Notenbank Zeit. „Die EZB betont wieder einmal, dass künftige Zinsentscheidungen von den volkswirtschaftlichen Daten abhängen“, kommentierte Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank. Aber das sei nur die halbe Wahrheit. Solange es die Inflationsdaten halbwegs hergäben, dürfte der von Tauben, also Befürwortern einer lockeren Geldpolitik, dominierte EZB-Rat seine Zinsen weiter senken: „Vermutlich bereits auf der nächsten Sitzung im September.“ Weitere Zinssenkungen dürften im Dezember und im März nächsten Jahres folgen, meint Krämer: „Dieser Lockerungskurs ist jedoch riskant, weil das Inflationsproblem noch nicht gelöst ist.“ Der EZB-Einlagensatz, den Banken für ihre Einlagen bei der Notenbank bekommen und der auch für die Sparzinsen eine gewisse Rolle spielt, bleibt damit bei 3,75 Prozent. Der Hauptrefinanzierungssatz, den Banken für Kredite bei der Notenbank zahlen müssen, beträgt weiter 4,25 Prozent. Und der Spitzenrefinanzierungssatz für Übernachtausleihungen der Banken bleibt bei 4,5 Prozent. Die Dienstleistungsinflation ist weiter hoch Nach der Junisitzung mit der Zinssenkung war aus dem EZB-Rat nach außen gedrungen, dass nicht alle Ratsmitglieder ganz glücklich damit waren, dass man sich schon im Vorfeld sehr stark auf diesen Schritt festgelegt hatte. Öffentlich widersprochen hatte allerdings nur das österreichische Ratsmitglied Robert Holzmann: Der Kampf gegen die Inflation sei noch nicht gewonnen, der Zeitpunkt der Zinssenkung komme somit zu früh. Die Inflation im Euroraum war nach einem Anstieg im Mai auf 2,6 Prozent dann im Juni wieder etwas gefallen auf 2,5 Prozent. Allerdings stagnierte die Teuerung ohne Energie und Nahrungsmittel, auf die Notenbanker als Indikator für die längerfristige Entwicklung gern blicken, bei 2,9 Prozent. Auch die Dienstleistungsinflation verharrte auf relativ hohen 4,1 Prozent. Das Wort von der „Sommerpause“, die die Inflation lediglich einlege, machte die Runde. Das offizielle Bild der EZB ist das eines „holprigen Weges“. Laut einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter 103 professionellen Prognostikern erwarten die meisten Zinssenkungen der EZB um jeweils 0,25 Prozentpunkte im September und Dezember. Weitere könnten dann im nächsten Jahr folgen. Was heißt das für Sparer und Bauwillige? Die Sparzinsen waren in den zurückliegenden Monaten etwas gesunken, das hatte sich mit der Zinssenkung der EZB im Juni verschärft. „Seit dem letzten Notenbanktermin Anfang Juni haben mindestens 64 von 765 betrachteten Banken und Sparkassen ihre Tagesgeldzinsen gesenkt – das entspricht einem Anteil von 8 Prozent“, berichtet das Vergleichsportal Verivox. Zinserhöhungen habe es nur bei vier Instituten gegeben. Auch im Marktdurchschnitt seien die Tagesgeldzinsen weiter gesunken, berichtet Verivox. Überregionale Banken zahlten im Schnitt aktuell 1,69 Prozent auf Tagesgeld, Anfang Juni seien es noch 1,72 Prozent gewesen. Es gibt aber auch einzelne Institute, die ihre Sparzinsen gerade heraufsetzen. So wirbt die Düsseldorfer Bank IKB jetzt mit 3,8 Prozent auf Tagesgeld bis 100.000 Euro für Neukunden, garantiert auf drei Monate, wie die Verbraucherplattform Biallo berichtet. Beim Festgeld habe sich ebenfalls der Trend „moderat sinkender Zinsen“ aus den Vormonaten nach der Leitzinssenkung fortgesetzt, berichtet Verivox. Die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Angebote mit zwei Jahren Laufzeit seien von 2,82 Prozent Anfang Juni auf aktuell noch 2,79 Prozent gesunken. Auf ihrem vorläufigen Höhepunkt im November hätten sie bei 3,39 Prozent und somit 0,6 Prozentpunkte höher als heute gelegen. Die Zinsen für Baufinanzierungen seien seit der vorigen EZB-Sitzung nicht nachhaltig gesunken, berichtet Verivox weiter. Aktuell lägen die Zinsen für Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung bei 3,71 Prozent. Für Darlehen mit fünfzehnjähriger Zinsbindung zahle man 3,85 Prozent. „Es ist keine Überraschung, dass Baufinanzierungen in Folge der Leitzinssenkung nicht günstiger geworden sind“, sagte Oliver Maier von Verivox: „Die geldpolitischen Entscheidungen der EZB beeinflussen die Zinsentwicklung nur mittelbar und in einer längerfristigen Perspektive – ausschlaggebend ist vor allem, zu welchen Kosten sich die Banken am Kapitalmarkt refinanzieren können.“ Am Kapitalmarkt seien zwei bis drei Leitzinssenkungen in diesem Jahr eingepreist. Deshalb seien die Bauzinsen schon in den Wochen kurz vor dem Jahreswechsel spürbar gesunken, sagte Maier: „Auch in den kommenden Wochen dürften sich die Bauzinsen nun ungefähr auf dem aktuellen Niveau halten.“