Teil des Gaza-Deals :
Tausende Häftlinge gegen knapp hundert Geiseln

Von Christian Meier, Tel Aviv
Lesezeit: 3 Min.
Ein freigelassener palästinensischer Häftling wird 2023 in Ramallah begrüßt (Archivbild)
Im Austausch für die Geiseln soll Israel zahlreiche Häftlinge entlassen. Manche wurden erst vor kurzem inhaftiert, andere sitzen seit Jahrzehnten im Gefängnis.
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Im Rahmen des Gaza-Deals sollen 98 Geiseln freigelassen werden, 33 von ihnen in der ersten, sechswöchigen Phase, die am Sonntag begonnen hat. Im Austausch für sie wird Israel möglicherweise Tausende palästinensische Häftlinge und Gefangene freigeben. In der ersten Phase sollten 1904 Inhaftierte entlassen werden, teilte Israels Justizministerium am Freitag mit. Wie viele weitere freikommen sollen, falls die Vereinbarung die zweite Phase erreicht, müssen Israel und die Hamas noch aushandeln.

Bei den Häftlingen handelt es sich um ganz unterschiedliche Personen: von Frauen und Kindern, die vor wenigen Monaten im Gazastreifen von der israelischen Armee festgesetzt wurden, bis zu wegen Mordes verurteilten Widerstandsführern, die seit Jahrzehnten in israelischen Gefängnissen sitzen. Für die Palästinenser ist ihre Freilassung ein sehr emotionaler Moment, für die Hamas ist sie ein großer propagandistischer Erfolg – in Israel ist sie hochumstritten.

Um die Zahlen und Kategorien der Häftlinge, die für die Geiseln freikommen sollen, wurde lange gerungen. Ende Oktober 2023, wenige Wochen nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober, hatte Hamas-Anführer Yahya Sinwar angeboten, alle israelischen Geiseln für alle palästinensischen Häftlinge freizulassen. Israel wies den Vorschlag zurück und warf der Hamas vor, das Angebot sei nicht ernst gemeint. Einen Monat später gab es einen ersten Austausch: 105 im Gazastreifen festgehaltene Geiseln wurden freigelassen, während Israel 240 Häftlinge entließ.

Häftlinge als Verhandlungsmasse?

Fast die Hälfte von ihnen war minderjährig, drei Viertel waren nicht verurteilt. Nach dem 7. Oktober hatte Israel zahlreiche Palästinenser aus dem Westjordanland und aus Ostjerusalem verhaftet – manchen Einschätzungen zufolge als Verhandlungsmasse gegenüber der Hamas. Zudem nahm die Armee im Gazastreifen zahlreiche Menschen als „illegale Kämpfer“ gefangen. Sie wurden teilweise in umgerüsteten Militärbasen interniert.

Die Zahl der Palästinenser in israelischen Haftanstalten stieg dadurch stark: Vor dem Krieg waren es etwa 5200, wenige Monate später fast 10.000. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Zustände in den überfüllten Einrichtungen. Zudem warfen sie den Behörden unmenschliche Behandlung vor: Gefangene säßen fast den ganzen Tag lang mit Handschellen und Augenbinden in Käfigen. Besuche des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz hat Israel seit dem 7. Oktober untersagt. Mehrere Dutzend Inhaftierte, vor allem aus dem Gazastreifen, kamen ums Leben, es gibt Berichte über Folter. Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft führten im Juli zu einem Aufruhr, als rechte Demonstranten versuchten, die Festnahme verdächtigter Soldaten zu verhindern.

Mehr als ein Drittel der palästinensischen Häftlinge befanden sich im Sommer 2024 in sogenannter Administrativhaft. Diese immer wieder kritisierte Praxis ermöglicht praktisch die unbegrenzte Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren oder Anklage. Vereinzelt wird Administrativhaft auch gegen Juden verhängt. Israels Verteidigungsminister Israel Katz teilte am Freitag allerdings mit, dass alle jüdischen Israelis in Administrativhaft freigelassen würden. Es handelte sich um fünf Siedler, denen Gewalt gegenüber Palästinensern vorgeworfen wird. Schon nach seinem Amtsantritt im November hatte der Likud-Politiker angekündigt, er werde keine Administrativhaft gegen Juden mehr verhängen.

Zu den palästinensischen Häftlingen, die in der ersten Phase freikommen sollen, zählen auch knapp 300, die lange Haftstrafen verbüßen. Einige von ihnen wurden wegen Terroranschlägen verurteilt, bei denen zahlreiche Menschen getötet wurden. Muhammad Abu Warda etwa wurde zu 48 Mal lebenslanger Haft verurteilt; er soll hinter zwei Selbstmordanschlägen der Hamas auf Busse in Jerusalem im Jahr 1996 stehen, bei denen 45 Menschen zu Tode kamen.

Um zu verhindern, dass solche Personen wieder in Freiheit sind, reichten mehrere Israelis am Wochenende beim Obersten Gericht Petitionen gegen die ersten Häftlingsentlassungen ein. Die Richter wiesen diese am frühen Sonntagmorgen zurück: Das Gericht mische sich in solche Entscheidungen der Politik nicht ein.

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