Kommentar :
An Drau und Salzach

Lesezeit:

"Kärnten ist anders." Jörg Haider hat soeben einen Beweis für die Gültigkeit der volkstümlichen Redewendung geliefert, die mehr denn je auch politische Losung ist. Der bisherige und nach dem Wählerwillen auch künftige Landeshauptmann ...

"Kärnten ist anders." Jörg Haider hat soeben einen Beweis für die Gültigkeit der volkstümlichen Redewendung geliefert, die mehr denn je auch politische Losung ist. Der bisherige und nach dem Wählerwillen auch künftige Landeshauptmann zu Klagenfurt, der vor und nach dem von ihm maßgeblich verursachten bundespolitischen Debakel - Stichwort "Knittelfeld" - ab und zu "da" und dann wieder "weg" gewesen zu sein schien, ist nach seinem Kärntner Wahlerfolg gegenwärtiger und vor allem stärker denn je. Zwar bestimmte das angebliche einfache Parteimitglied Haider stets unmittelbar oder mittelbar darüber mit, was seine Gehilfen in der Wiener Koalition mit der ÖVP bewirkten oder unterließen. Dennoch wäre dem Kanzler und ÖVP-Vorsitzenden Schüssel ein schwächerer Haider, der letztlich von Gnaden der Volkspartei dann doch Landeshauptmann geblieben wäre, lieber gewesen. Doch mit diesem Wahlsieg in "seinem" Land wird Haider künftig noch mehr in der Bundespolitik mitzumischen trachten. Die "Haiderianer" werden auch in der FPÖ wieder die Oberhand gewinnen. Sowohl für den Alltag der schwarz-blauen Koalition als auch für die großen Vorhaben wie die Harmonisierung des Rentensystems und die Reform von Krankenversicherung und Gesundheitswesen verheißt das nichts Gutes.

Haider bleibt in Kärnten und übernimmt dennoch in der Bundespartei wieder das Kommando. Sein Anspruch auf Rückkehr an die Spitze der FPÖ, wo er zwischen 1986 und 1999 gestanden und von wo aus er die Partei groß gemacht hat, bevor er sie mit "Knittelfeld" an den Rand des Zusammenbruchs brachte, ist mit dem Sieg in Kärnten bereits so gut wie erfüllt. Nicht einmal Vizekanzler Gorbach, der die FPÖ nach den Turbulenzen in ruhigeres Fahrwasser führte, kann dagegenhalten. Der Vorarlberger wird es wohl nicht einmal wollen.

Haider gewann gegen den österreichischen Bundestrend. Die Kärntner wollten mehrheitlich nicht die Rückkehr der zwischen 1945 und 1989 allmächtigen SPÖ. Schon gar nicht unter dem Spitzenkandidaten Ambrozy, der Haider nichts entgegenzusetzen vermochte. Die Kärntner, die sich gewöhnlich nicht um die Meinungen jenseits von Karawanken und Saualpe scheren, finden sich eben auch trotzig mit einem Landeshauptmann ab, dessen Eskapaden sie entweder gutheißen oder halt doch achselzuckend ertragen. Seinen Aktionismus, mit dem er freilich finanzielle Zuweisungen für Kärntner Projekte erzwingt, halten sie für wirkungsmächtige Landespolitik. "Unserem Jörg", der wie niemand sonst Regierung und Opposition in einem darzustellen versteht, trauten sie zu, es "denen in Wien" weiterhin gebührend zu zeigen. Wer außer den sechzehn FPÖ-Abgeordneten Haider dann tatsächlich zum Landeshauptmann wählt, ist daher nebensächlich geworden. Die ÖVP in Kärnten ist verstümmelt, ihre die Wähler verscheuchende Doppelspitze Schnee von gestern. Und der SPÖ, die der FPÖ in Kärnten ziemlich wesensgleich ist, bleibt nichts, als Haider anzuerkennen und sich mit ihm zu arrangieren.

Ganz anders geht es im Bundesland Salzburg zu. Die resche SPÖ-Spitzenkandidatin Burgstaller hat die seit 1945 fest in ÖVP-Hand befindliche Veste Hohensalzburg geschleift. Ihr Stimmenzuwachs, der sensationell zu nennen ist, darf dem Umstand zugeschrieben werden, daß sie den aufgestauten Ärger über die fragwürdige Wiener Rentenreform auf ihre Mühlen zu lenken vermochte. Frau Burgstaller hat den Machtwechsel trotz gar nicht so schlechter (wirtschafts- und kultur)politischer Leistungen des Amtsinhabers Schausberger erwirkt. Ihr zupaß kam auch dessen Ungeschicklichkeit, bereits den eigenen Nachfolger zu präsentieren, der zwar einen klingenden Namen trägt, aber doch ein unbeschriebenes Blatt ist. Der Auftritt im "Doppelpack" offenbarte wenig Zutrauen in die eigene Kraft. Frau Burgstaller hingegen hat ihren "Durchmarsch" persönlich gewinnend bewerkstelligt, so daß sie sich zugleich für Bundesaufgaben empfahl. Zunächst wird sie jedoch nach Waltraud Klasnic (ÖVP) in der Steiermark der zweite weibliche Landeshauptmann in Österreich und damit der erste "rote" an der Salzach. Aber mit dem Sieg der volksnahen Frau dürfte zeitgeistgerecht die Herausforderin des persönlich eher spröden SPÖ-Bundesvorsitzenden Gusenbauer erwachsen. Lediglich ihre Abstammung aus einer Bauernfamilie paßt noch nicht so recht zu der traditionellen Arbeiterpartei SPÖ.

Das Ergebnis im seiner Geschichte nach christlich-sozialen, nach 1945 ÖVP-regierten Salzburger Land dürfte sich alles in allem für die österreichische Innenpolitik folgenreicher erweisen als das an eine Einzelperson gebundene Ergebnis in Kärnten. Denn dem Bundeskanzler Schüssel ist an der Salzach ein viel herberer Schlag versetzt worden als an der Drau, wo die Volkspartei ohnedies stets schwach und lediglich "dritte politische Kraft" gewesen ist. Somit tut der Machtwechsel in der ÖVP-Hochburg Salzburg der Volkspartei, deren politisches Selbstvertrauen im Jahre 2002 gestärkt worden war, und dem seinerzeit gewachsenen Selbstbewußtsein ihres Bundesvorsitzenden mehr weh als Haiders Wiedererstarken dank der Kärntner Mentalität. Wenn demnächst vielleicht noch die Bundespräsidentenwahl zuungunsten der ÖVP endet und sich in der Partei die immer wieder aus Tirol und Niederösterreich befeuerte großkoalitionäre Neigung stärker bemerkbar macht, könnte das eher auf die Wende in Salzburg als auf das Signal von Kärnten zurückzuführen sein. Das wäre nicht ohne Einfluß auf das Schicksal der zweiten Auflage der schwarz-blauen Koalition. Bundeskanzler Schüssel dürfte jetzt vielleicht mehr als in den Tagen und Wochen davor, als ihm das unterstellt wurde, über die "Option Brüssel" nachdenken, also über einen späteren Wechsel an die Spitze der EU-Kommission, für den er die Unterstützung aller europäischen Volksparteien brauchte. Doch auch diese werden sich daran orientieren, wie erfolgreich Schüssel in seiner Heimat ist.

Ohne Abo weiterlesen
Dies ist kein Abo. Ihre Registrierung ist komplett kostenlos, ohne versteckte Kosten.
Oder 3 Monate für 1 € pro Monat Zugang zu allen FAZ+ Beiträgen erhalten und immer aktuell informiert bleiben.
Empfehlungen
FAZ+Nach Vorwürfen der Union:
Was heißt Zivilgesellschaft heute?

Die Zivilgesellschaft ist in Misskredit geraten. Die Union wirft der Ampel vor, parteipolitisch voreingenommene Organisationen gefördert zu haben. Woher der Begriff kommt und was er mit der „stillen Mitte der Bevölkerung“ zu tun hat.

Rüdiger Soldt, Stuttgart
Stellenmarkt
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Stellenmarkt
Zum Stellenmarkt
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Stellenmarkt
Mitglied der Gesamtgeschäftsführung (m/w/d)
St. Augustinus Gruppe über Rochus Mummert Healthcare Consulting GmbH
Zum Stellenmarkt
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Stellenmarkt
Leiter Entwicklung (m/w/d)
über Dr. Maier + Partner GmbH Executive Search
Zum Stellenmarkt
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Stellenmarkt
CFO (m/w/d) - Region DACH und Italien
Dr. Maier + Partner GmbH Executive Search
Zum Stellenmarkt
Verlagsangebot
Sprachkurs
Lernen Sie Englisch
Immobilienbewertung
Verkaufen Sie zum Höchstpreis
o2
iPhone 16 Pro Max: Fortschrittliche Technik im schlanken Design
vcheck
Richtig vererben und verschenken
feinschmecker
Feinschmecker-Shop Fond vom Wild mit gratis Schöpfkelle
  翻译: