Deutsche erreicht Achtelfinale :
„Eine wirkliche Traumreise von Eva Lys“

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Eva Lys jubelt nach ihrem Sieg.
Als Nachrückerin ins Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers – das hat vor Eva Lys noch niemand geschafft. Nun erwartet sie bei den Australian Open der Härtetest. Alexander Zverevs Angstgegner ereilt das Aus.
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Die Fans stritten sich um ihr Handtuch, die Journalisten löcherten sie mit Fragen im größten Interviewraum, und die aktuell zweitbeste Spielerin der Welt wartet als nächste Gegnerin. „Es fühlt sich definitiv nicht real an“, sagte Eva Lys, nachdem sie das Achtelfinale der Australian Open erreicht hatte.

Durch das 4:6, 6:3, 6:3 über die Rumänin Jaqueline Cristian zog die Hamburgerin als erster weiblicher „Lucky Loser“ überhaupt in die Runde der besten 16 des Grand-Slam-Turniers in Melbourne ein. „Oh, das ist echt cool!“, sagte Lys, als sie von einem Journalisten darauf angesprochen wurde.

„Diese Tage haben mein Leben total verändert“

Doch eigentlich überrascht Lys am Yarra River nichts mehr. Die auf Platz 128 der Weltrangliste notierte Lys war in der Qualifikation gescheitert und erst 15 Minuten vor ihrem ersten Match offiziell als Nachrückerin ins Hauptfeld gerutscht. Dort verursacht sie unter ihrem neuen Spitznamen „Lucky Lys“ mit nun drei Siegen reichlich Furore.

„Manchmal braucht man einfach eine zweite Chance“, sagte die 23-Jährige, die die Flüge für sich sowie für ihre Mutter und kleine Schwester nun schon zum zweiten Mal umbuchen muss. Eurosport-Experte Boris Becker ist begeistert von der letzten verbliebenen deutschen Spielerin: „Das ist eine wirkliche Traumreise von Eva Lys.“

Sie erlebe hier eine „verrückte Story“, meinte Lys: „Diese Tage haben mein Leben total verändert.“ Das Erreichen der zweiten Turnierwoche bei einem Grand-Slam-Turnier sei für sie „immer so etwas wie ein Traum“ gewesen, „ich bin sehr glücklich, dass ich es geschafft habe“.

„Gibt kein geileres Match“

Im Achtelfinale wartet in Iga Swiatek aber eine scheinbar übermächtige Gegnerin. Die Weltranglistenzweite aus Polen machte beim 6:1, 6:0 über die Britin Emma Raducanu, immerhin US-Open-Gewinnerin von 2021, kurzen Prozess. Doch Angst hat Lys keine. „Für mich gibt es kein geileres Match“, sagte sie bei Eurosport: „Das ist der Grund, warum ich Tennis spiele. Ich möchte mich mit den Besten der Welt messen.“

Auch im Duell mit Swiatek in einer vermutlich großen Arena will Lys ihrer Erfolgstaktik treu bleiben. „Ich habe nichts zu verlieren. Ich glaube, das Lucky-Loser-Feeling hilft schon“, sagte sie: „Aber gleichzeitig weiß ich, dass ich die Chancen ergreifen muss.“ Beim bislang einzigen Aufeinandertreffen 2022 in Stuttgart war die Deutsche gegen die fünfmalige Grand-Slam-Turniersiegerin chancenlos.

Sportlich und auch finanziell sind die unverhofften Erfolgstage in Melbourne für Lys ein Segen. Statt rund 43.000 Euro für die dritte Quali-Runde ist ihr schon jetzt ein Scheck in Höhe von 252.000 Euro sicher. Das gibt Planungssicherheit im oft unberechenbaren Tennis-Zirkus. Dazu gehört Lys nach dem Turnier zu den Top 100 der Weltrangliste, die ein festes Startrecht im Hauptfeld bei Grand-Slam-Turnieren haben.

„Habe mir immer zu viel Druck gemacht“

Früher ist sie oft gestrauchelt, wenn sie in Reichweite der Top 100 war. „Ich habe mir immer zu viel Druck gemacht. Ich wusste immer, was auf dem Spiel steht und ich wollte es so sehr“, sagte die gebürtige Kiewerin. Inzwischen hat der „absolute Kopfmensch“ (Lys über Lys) Gelassenheit gelernt. Das betrifft auch den Umgang mit ihrer rheumatischen Autoimmunerkrankung, die sie im Vorjahr öffentlich gemacht hatte.

Der verdient verlorene erste Satz gegen Cristian brachte Lys deswegen auch nicht aus dem Konzept. Womöglich erinnerte sie sich auch an die vorangegangenen drei Duelle mit der Rumänin, die Lys alle nach einem Satzrückstand noch gewonnen hatte. Dieser Kraftakt gelang ihr nun auch im vierten Aufeinandertreffen.

Nach dem nach 2:25 Stunden verwandelten zweiten Matchball schlug sie ungläubig die Hände vors Gesicht. Dann umarmte sie ihre Schwester und Mutter innig. Ihr Vater, der auch ihr Trainer ist, erlebt all das nur aus der Ferne mit: Er war aus Melbourne abgereist, nachdem Lys aus der Qualifikation geflogen war. „Wir haben gesagt: Ab Halbfinale kommt er wieder zurück“, verriet Lys.

Taylor Fritz ausgeschieden

Gute Nachrichten gibt es derweil auch für Alexander Zverev, denn an Taylor Fritz wird seineTitelmission diesmal nicht scheitern. Der Weltranglistenvierte aus den USA, der den deutschen Tennisstar im vergangenen Jahr in Wimbledon und bei den US Open besiegt hatte, schied durch ein 6:3, 5:7, 6:7 (1:7), 4:6 gegen den Franzosen Gaël Monfils beim ersten Grand Slam des Jahres in der dritten Runde aus. 

Der 27 Jahre alte Fritz, der in den zwei Runden zuvor ohne Satzverlust geblieben war und dabei lediglich acht Spiele abgegeben hatte, musste sich während des Matches gegen den 38 Jahre alten Monfils am rechten Fuß behandeln lassen. Der Amerikaner gilt als Angstgegner von Zverev, die letzten vier Duelle mit der deutschen Nummer eins gewann er allesamt.

Die drei US-Youngster Learner Tien, Alex Michelsen und Ben Shelton lassen dagegen weiter aufhorchen. Qualifikant Tien erreichte durch ein 7:6 (12:10), 6:3, 6:3 über den Franzosen Corentin Moutet das Achtelfinale. Im Alter von 19 Jahren und 55 Tagen ist Tien der jüngste Spieler seit Rafael Nadal 2005, der beim Grand-Slam-Turnier in Melbourne in die Runde der besten 16 einziehen konnte.

Michelsen, der mit 20 Jahren nur unwesentlich älter ist, setzte sich in der dritten Runde gegen den an Nummer 19 gesetzten Russen Karen Chatschanow 6:3, 7:6 (7:5), 6:2 durch. Und der 22-jährige Shelton erreichte das Achtelfinale durch ein 6:3, 3:6, 6:4, 7:6 (7:5) über den Italiener Lorenzo Musetti.

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