Augsburgs Matchwinner :
Wie Keven Schlotterbeck zum Hellseher wurde

Von Günter Klein, Augsburg
Lesezeit: 3 Min.
Versprechen eingelöst: Augsburgs Keven Schlotterbeck hatte den Spielverlauf gegen Heidenheim im Gefühl.
Augsburgs Keven Schlotterbeck erfüllt beim 2:1-Sieg über Heidenheim seine Mission – und muss trotzdem um seinen Platz in der Mannschaft kämpfen, weil auch die interne Konkurrenz überzeugt.
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Am Samstagabend erzählte Jess Thorup, der Trainer des FC Augsburg, dass er am Donnerstag ein Einzelgespräch mit Keven Schlotterbeck geführt habe. Ein im Grunde unangenehmes, denn Thorup musste dem 27 Jahre alten Innenverteidiger, der im Sommer 2024 mit einem klaren Stammplatzanspruch zum bayerisch-schwäbischen Bundesligaverein gewechselt war und dort bislang eine ansprechende Saison spielt, die Nichtberücksichtigung in der Startelf für die Partie gegen den 1. FC Heidenheim mitteilen. Schlotterbeck war einige Wochen angeschlagen gewesen, hatte noch nicht viele Trainingseinheiten mitgemacht. Die Reaktion des Spielers gefiel Thorup, er gab sie wie folgt wieder: „Keven hat gesagt, er ist derjenige, der in der 90. Minute reinkommt und dann das 2:1 macht.“

Die Geschichte fand mit nur geringfügigen Abweichungen so statt. Schlotterbeck wurde bereits in der 70. Minute eingewechselt, und das 2:1 erzielte er mit der letzten Aktion des Nachmittags, in der Nachspielzeit. Thorup resümierte zufrieden: „Man braucht im Kader nicht nur Spieler, die von Anfang an dabei sein wollen, sondern auch solche, die reinkommen und treffen.“ Schlotterbeck regte sich kein bisschen darüber auf, dass er nicht das komplette Spiel bestreiten durfte: „Ich hatte zum zweiten Mal eine Muskelverletzung, da kann man es schon ruhiger angehen lassen.“

Es war sein drittes Tor, das er für den FC Augsburg erzielte. Schlotterbeck hat dem Klub, der ihn von seiner Wanderschaft durch den Profifußball erlöste, schon einige Punkte eingespielt. Der SC Freiburg hatte ihn mehrmals verliehen, an Union Berlin, an den VfL Bochum, bei dem er erlebte, was ein dramatischer Kampf um den Klassenverbleib ist. Solchen Stress will er sich in Augsburg ersparen, durch drei Siege aus vier Spielen nach der Winterpause hat sich der FCA von den gefährlichen Rängen abgesetzt. Was Thorup witzeln ließ: „Vor zehn Tagen war noch Druck und Abstiegskampf, jetzt reden alle über Europa.“

„Konkurrenz ist gut. Nur mit ihr wird man besser“

In der ersten Halbzeit, als er auf der Bank saß, hatte Keven Schlotterbeck noch Muße, sich darüber zu informieren, wie es seinem jüngeren Bruder ging. Nicht so gut. Nico Schlotterbeck (25), der deutsche Nationalspieler, kassierte für Borussia Dortmund im Aufeinandertreffen mit Werder Bremen früh eine Rote Karte. Als Keven Schlotterbeck in Augsburg eingewechselt wurde, führte der BVB noch. Nach dem Abpfiff erfuhr er vom 2:2-Endstand in Dortmund und ärgerte sich ein bisschen. Aber natürlich wog die Freude über den eigenen und den Augsburger Erfolg das auf.

Die Schlotterbeck-Brüder sind beide Innenverteidiger, in gemeinschaftlichen Sitzungen konsultieren sie privat einen freiberuflichen Spielanalysten, mit dem sie Videoanalysen betreiben – und Nico wie Keven mögen es, im gegnerischen Strafraum aufzutauchen. Doch damit genug der Parallelen. Kevens Karriere verlief schleppender: Sie trug sich zunächst in den Niederungen des baden-württembergischen Amateurfußballs zu, während Nico immer als herausragendes Talent galt.

Doch während Nico sich vor den Medien lieber wegduckt, genießt Keven den öffentlichen Auftritt. „Nico hat eben schlechte Erfahrungen gemacht“, sagt er. Keven redet gerne und das auch recht wortreich („Ich habe ausgeholt von hier bis nach Meppen“). Als am vergangenen Montag der FC Augsburg für Sponsoren und Freunde des Vereins seinen Neujahrsempfang abhielt, setzte man zu Moderator Michael Leopold als Vertreter der Mannschaft Keven Schlotterbeck auf die Bühne. Er war wie immer sehr unterhaltsam. Als er nach seinem Sehnsuchtsziel gefragt wurde, antwortete er: „Ballermann 6“.

Bis zu einer möglichen Mallorca-Sause als Saisonabschlussfahrt sind es aber noch einige Monate, in der auch der verdienstvolle Keven Schlotterbeck um seinen Platz kämpfen muss. Augsburg spielt zwar mit Dreierkette, hat aber sieben Innenverteidiger im Kader: Neben Schlotterbeck sind das Kapitän Jeffrey Gouweleeuw, Maximilian Bauer, der nach einer Long-Covid-Erkrankung um den Anschluss kämpfende Reece Oxford, der soeben vom VfL Wolfsburg ausgeliehene Cédric Zesiger, Chrislain Matsima und Noahkai Banks. Der Franzose Matsima erzielte das 1:0 gegen Heidenheim, wurde vor ein paar Tagen von der AS Monaco fest verpflichtet und erhielt in Augsburg einen Vierjahresvertrag. Trainer Thorup sieht bei ihm „Potential für einige Ebenen höher“.

Der 18 Jahre alte Banks ist das derzeitige Juwel des Augsburger Nachwuchses: Er ist Deutschamerikaner, wurde auf Honolulu geboren und wuchs in der Allgäuer Gemeinde Dietmannsried auf. Nachdem er am Freitag von seinem ersten Startelfeinsatz erfahren hatte, alarmierte er Familie und Freunde. „Bei uns im Dorf wurde dann eine Leinwand und ein Bierzelt aufgestellt“, berichtete er. Thorup war mit Banks „zu hundert Prozent zufrieden“, ließ ihn 70 Minuten spielen. Dann kam Schlotterbeck, damit er sein Versprechen einlösen konnte.

Von Banks hält Schlotterbeck viel: „Schon als er gegen den VfB Stuttgart erstmals eingewechselt wurde, war er der beste Mann auf dem Platz.“ Dass vereinspolitisch ein besonderes Augenmerk auf die Förderung des 18-Jährigen gelegt wird, ist für Schlotterbeck kein Problem: „Konkurrenz ist gut. Nur mit ihr wird man besser.“

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