Sieg gegen Frankreich: Erfolgreicher Olympia-Test für deutsche Handballer

Wow, was für ein Ergebnis! 35:30 gegen den Olympiasieger und Europameister, und das zwei Wochen vor Beginn der Sommerspiele in Paris. Das sieht danach aus, als ob es die stark verjüngte deutsche Handball-Nationalmannschaft den Franzosen ordentlich gezeigt und ihre eigenen Medaillenträume hat reifen lassen. Also Jubel, Trubel, Kraftmeierei in der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB)? Gemach. Kurz nachdem sich das Team von den 10.105 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle für den vorolympischen Testspielsieg hatte feiern lassen, relativierten Spieler und Bundestrainer Alfred Gislason den Budenzauber. Er sei „sehr zufrieden“ mit der Leistung seiner Mannschaft, sagte Gislason, „obwohl ich es nicht überbewerten will, dass wir heute gewonnen haben“. Der erste Erfolg gegen Frankreich seit fast zweieinhalb Jahren war ein Triumph mit beschränktem Wert. „Immer schöner, zu gewinnen als zu verlieren“ Das Prestigeduell zwischen der DHB-Auswahl mit Frankreich geriet weniger zu einem echten Härtetest als vielmehr zu einer flüchtigen Bestandsaufnahme, was bei den beiden Teams nach den bisherigen kräftezehrenden Vorbereitungswochen derzeit funktioniert und was nicht. Dass die Deutschen dabei am Samstag besser abschnitten als die Franzosen, lag an der eigenen Stärke wie an der Schwäche des Olympia-Gastgebers. „Es ist immer schöner, zu gewinnen als zu verlieren“, sagte Kapitän Johannes Golla, der das Auftreten seines Teams über sechzig Minuten „in Ordnung“ fand. Zugleich wies der deutsche Abwehrchef aber auch darauf hin, dass die Franzosen „nicht am Limit waren“. Der Equipe Tricolore steckte ein dreiwöchiges Trainingslager in den Knochen, in dem Nationaltrainer Guillaume Gille den Schwerpunkt aufs Athletische gelegt und seine Spieler zum Ächzen gebracht hatte. Zum anderen fehlten Gille am Samstag einige seiner Besten, allen voran die beiden verletzten Linkshänder Nedim Remili und Dika Mem, die in jedem Turnierspiel den Unterschied ausmachen können. Entsprechend geriet das Zusammenspiel der Franzosen am Samstag mitunter fehlerhaft. „Eigentlich sind wir nicht zufrieden. Wenn wir für Frankreich spielen, müssen wir immer gewinnen“, sagte Nikola Karabatic, der beste Handballspieler der vergangenen zwei Jahrzehnte, der nach den Sommerspielen seine Ausnahmekarriere beenden wird und in der Westfallenhalle mit Souvenirs und Standing ovations aus Deutschland verabschiedet wurde. Dass die Franzosen nicht wie bei der Europameisterschaft im Januar mit den höchsten Erwartungen nach Deutschland gereist waren, zeigte sich nach Spielschluss. Ein Pulk Nationalspieler verließ den Ort der Niederlage schlendernd, scherzend und schulterklopfend. „Die Vorfreude ist gestiegen“ Auf deutscher Seite brachte das erste von drei vorolympischen Testspielen – am kommenden Wochenende folgen Begegnungen mit Japan und Ungarn – einige Erkenntnisse darüber, was in Paris möglich sein könnte. Nicht zuletzt der Grünschnabel Marko Grgic zeigte, warum er für viele Außenstehende überraschend von Gislason ins Olympiaaufgebot berufen wurde. Der Rückraumspieler von ThSV Eisenach trat in seinem zweiten Länderspiel frisch und forsch auf und brachte in der Offensive ein gewisses Extra ins deutsche Spiel. Per Siebenmeter erzielte der 20-Jährige seinen ersten von letztlich vier Länderspieltreffern und bestach gelegentlich durch clevere Anspiele. „Es ist gut, so einen Jungen zu haben, der draufgeht und Bock hat“, sagte Mitspieler Rune Dahmke. „Er ist sehr abgezockt“, bescheinigte Bundestrainer Gislason dem Jüngsten in seinem jungen Team. Grgic selbst wollte bei aller Freude sein erfolgreiches Heimdebüt nicht überbewerten. „Vielleicht gibt es das gewisse Anfängerglück“, sagte der Rückraumspieler. Ermutigend im Hinblick auf Paris war auch, dass sich die Deutschen in der Offensive effektiv zeigten. Die Verteilung der 35 Treffer auf viele Profis und Positionen spricht für eine gute Breite. „Die Angriffsleistung war fast die beste, die wir gespielt haben“, sagte Kapitän Golla. Und dass sich die DHB-Auswahl gegen Frankreich nicht vorübergehend einen kollektiven Schwächeanfall leistete wie oft gegen starke Gegner bei Turnieren, schürt auch Zuversicht vor dem ersten olympischen Vorrundenspiel in knapp zwei Wochen gegen Schweden. „Die Vorfreude ist gestiegen“, sagte Golla. Es bleiben allerdings Fragezeichen: Ob die laut Gislason entscheidende Achse mit Torwart Andreas Wolff, Abwehrchef Golla und Goalgetter Julian Köster besser funktioniert als bei der am Ende ernüchternden Heim-EM vor einem halben Jahr, war gegen Frankreich kaum erkennbar. Wolff machte nach guter erster Halbzeit für den nicht minder stark parierenden David Späth Platz, Golla erlitt kurz nach Spielbeginn einen Schlag ans Knie und kehrte erst in der zweiten Halbzeit sporadisch zurück. Und Köster scheiterte mit seinen Würfen 46 Minuten lang reihenweise an den französischen Torhütern, ehe ihm schließlich sein erster von zwei Treffern gelang. Aber wen interessiert’s. Entscheidend ist bei Olympia.