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Wie kaufen wir in Zukunft ein?

Von FELIX SCHWARZ, Grafiken: CLAUDIA BOTHE, Datenrecherche: MATTIAS JANSON (Statista)

17. Juni 2024 · Der Online-Handel hat in den vergangenen Jahren enormen Zulauf bekommen. Zuletzt ließ die Dynamik aber nach. Werden soziale Medien und Künstliche Intelligenz neuen Schub geben?

Ob trendige Jeans, eine neue Spielekonsole oder das nächste Bett: Einkaufen im Internet ist aus dem Alltag der Deutschen kaum noch wegzudenken. Die Bestellung lässt sich auch bequem vom Sofa aus aufgeben, die Lieferzeiten sind mittlerweile relativ kurz, und der Rückversand klappt in vielen Fällen problemlos. Das überzeugt immer mehr Menschen: Lag der Anteil des Online-Handels am gesamten deutschen Einzelhandel 2005 noch bei mickrigen 1,5 Prozent, erreichte er 2022 schon bei 13,4 Prozent.

Doch auch Läden in Innenstädten und Einkaufszentren müssen sich nicht verstecken. Obwohl seit Jahren der E-Commerce als Totengräber vieler Läden gilt, wollen die Kunden hierzulande darauf nicht verzichten. Im Internet bestellte Kleidungsstücke etwa schicken Verbraucher oft zurück – wegen unpassender Größen oder enttäuschter Erwartungen. Was vor Ort gekauft wird, wird seltener getauscht. Persönliche Beratung hat auch deswegen immer noch einen hohen Stellenwert.

Fast die Hälfte der Kunden kaufte zwischen März 2023 und März 2024 laut einer Umfrage Kleidung in herkömmlichen Geschäften. Für Spielzeuge und Sportprodukte etwa waren es hingegen weniger als 15 Prozent. Jeder Fünfte ging in einen Laden, um sich Bücher, Filme, Musik oder Spiele zu kaufen. Für Christian Wulff von der Unternehmensberatung PwC kann sich das durchaus sehen lassen: „Im Buchhandel feiert das stationäre Geschäft gerade ein großes Comeback.“

In der Corona-Pandemie mussten viele Geschäfte schließen – was den Online-Handel beflügelte. 50 Prozent der Verbraucher haben zuletzt online Kleidung gekauft, 39 Prozent bestellten Schuhe. Doch vom dicken Geschäft aus der Corona-Zeit war 2023 weniger zu spüren. Der Ukrainekrieg, der Konflikt im Nahen Osten und die Inflation drückten auf die Konsumlaune.

Für Julia Pötzl von der Unternehmensberatung McKinsey war es vor allem die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen zwei Jahre, die das Online-Geschäft verhagelte. „Wir sollten deswegen aber auf keinen Fall den Online-Handel abschreiben“, sagt sie. Aktuell sei der Online-Umsatz immer noch höher als vor der Corona-Pandemie. Mehr noch: Der E-Commerce werde wichtiger und habe ein enormes Wachstumspotential.

Pötzl ist für das gesamte Jahr 2024 verhalten optimistisch: Marktforschungen würden zeigen, dass die Kunden wieder mehr Lust auf Online-Shopping haben würden, wenn die Wirtschaft wieder wachse. Was im Online-Handel oft entscheidend sei: der Preis und die Liefergeschwindigkeit. Im stationären Handel komme es auch auf andere Fragen an: Ist der Laden in meiner Nähe? Wie gut ist die Beratung? Und ermöglicht der Betreiber ein Kauferlebnis, das überzeugt und in Erinnerung bleibt?

Worauf viele Fachleute hinweisen: Online- und Offlinehandel stehen in vielen Fällen gar nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen sich gegenseitig. Neben Versandhändler sind auch Unternehmen, die einst mit einem reinen Offline-Geschäft gestartet sind, heute äußerst erfolgreich im Internet unterwegs. Gemessen am globalen E-Commerce-Umsatz war Otto 2023 das größte Einzelhandelsunternehmen mit Hauptsitz in Deutschland. Auf Platz zwei landete Zalando. Mit Ceconomy (Media-Markt und Saturn), Adidas und der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) folgten drei ursprünglich stationär ausgerichtete Unternehmen.

Es reicht allerdings längst nicht mehr aus, als Online-Händler nur schnell und reibungslos die Ware zu den Kunden zu bringen. Die Verbraucher möglichst lange auf der Website zu halten, ihr Verhalten zu dokumentieren und auszuwerten, wird immer wichtiger. Die Werbeplätze auf den Internetseiten gelten als entscheidender Wettbewerbsfaktor. Allein mit Werbung erwirtschaftete Amazon 2023 fast 45 Milliarden Dollar – ein Rekordwert. Mit einem Marktanteil von 60 Prozent ist Amazon außerdem mit deutlichem Abstand die Nummer eins im deutschen Online-Handel.

Längst sind es aber nicht nur amerikanische Unternehmen, die Maßstäbe im E-Commerce setzen. Die global größten Umsätze macht Alibaba aus China. Und die Plattformen Temu und Shein versuchen zur Absatzförderung Kunden durch Spiele und zeitlich begrenzte Angebote auf ihren Plattformen zu halten. Sie lassen zudem von zahlreichen Lieferanten produzieren und direkt liefern. Damit verzichten sie auf Zwischenhändler, was Zeit und Geld spart. Allerdings stehen Lieferanten unter dem Verdacht, Menschenrechtsstandards zu verletzen und die Umwelt stark zu belasten.

Äußerst effizient greifen Temu und Shein auf Künstliche Intelligenz (KI) zurück, um Trends früher erkennen zu können. Und wenn es um den innovativen Einsatz von KI geht, haben die Ansätze der Chinesen in Deutschland schon Nachahmer gefunden: Das Hamburger Unternehmen About You verdient nicht nur mit dem klassischen Handelsgeschäft Geld, sondern auch durch den Verkauf der eigenen Shop-Software an Kunden wie etwa Deichmann, Fielmann und s.Oliver.

Eine wichtige Rolle für den Erfolg von Onlinehändlern spielen auch soziale Medien. Über sie können Kunden mittlerweile direkt Produkte kaufen und sich mit ihren Freunden über ihre Einkäufe austauschen, ihre Produkte vorführen, kommentieren und die Kommentare anderer Käufer lesen. Der sogenannte Social Commerce nahm in den vergangenen Jahren an Fahrt auf: Lag der globale Umsatz 2018 noch bei unter einer Milliarde Dollar, könnte er bis 2028 auf fast 8,5 Milliarden Dollar klettern. Manche Fachleute sehen darin die Zukunft des Handels.

Vor allem die Videoplattform Tiktok ist äußerst beliebt. Die Chinesen sorgten mit ihrem Shop in den USA und in Großbritannien schon für Aufsehen. Allerdings steht die Onlineplattform in den USA vor dem Aus. Die Furcht ist, dass die Kommunistische Partei Chinas die große Reichweite der Plattform nutzen könnte, um Einfluss auf ihre Widersacher auszuüben. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg könnte der Konzern die Ausweitung seines Shops in Europa aufschieben, um sich stärker auf das US-Geschäft zu konzentrieren.

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