Nesseltiere auf Achse : Korallen reisen ins Blaue
Korallen sind Tiere – auch wenn sie meist nicht so aussehen. Tatsächlich können die meisten von ihnen sich nicht von ihren Standorten entfernen, ähnlich wie die Seeanemonen und Seefedern, mit denen sie den Unterstamm der Anthozoa bilden, zu Deutsch: Blumentiere.
Doch in der Familie der Pilzkorallen gibt es einige, für die das nicht gilt. Sie sind nur als Jungtiere ortsfest. Als Heranwachsende lösen sie sich irgendwann von ihrem Fels oder Riff am Meeresgrund und begeben sich auf Wanderschaft. Wie sie das machen, beschreiben australische Forscher nun in „Plos One“ anhand von fünfzehn Exemplaren der Pilzkoralle Cycloseris cyclolites. Sie hatten die Tiere in ihrem Labor an der Queensland University of Technology in Brisbane per Zeitraffer gefilmt.
Dabei konnten sie bestätigen, dass die Korallen sich an der Farbe des Lichts orientieren: Zwölf der 15 korallischen Probanden krochen in Richtung einer blauen Lampe, und zwar mit Geschwindigkeiten von bis zu 22 Zentimetern in einer ein- bis zweistündigen Aktivitätsphase. Drei reagierten auch auf weißes Licht, kamen dann aber nur zwei bis acht Millimeter weit. Setzte man die Tiere zwischen eine weiße und eine blaue Lichtquelle, steuerten sie alle die blaue an.
Das passt zur Hypothese über den Zweck der Wanderung: Die Tiere drängt nicht die Suche nach Nahrung oder Sex zur Ortsveränderung, sondern nach Gefilden größerer Meerestiefen, wo der Seegang weniger spürbar ist und die Temperaturschwankungen geringer sind. Den Weg in die weniger stressigen Tiefen weist das Blau. Denn nach etwa zehn Metern dringt praktisch nur noch Licht dieser Farbe durch die Wassersäule.
Überdies konnten die Forscher die Biomechanik des Korallengangs studieren. Demnach kommt Cycloseris cyclolites durch Aufblähen und Kontraktion seines Körpers vom Fleck – und damit ähnlich wie Quallen. Am Boden sieht diese Technik allerdings weit weniger elegant aus und erlaubt auch nur Geschwindigkeiten von maximal einem Fünfzigstel des Spitzentempos einer Nacktschnecke. Und auch dieses bisschen Mobilität verlieren sie, je älter und damit größer die Tiere werden, weshalb sie sich nicht beliebig viel Zeit lassen können auf ihrem Weg ins gelobte Land in der Tiefe. Auch wenn es also nicht so aussieht: diese Korallen haben es eilig.