Editorial : Der Sputnik-Moment der Künstlichen Intelligenz
Die Fragen lauten: Ist Amerika im globalen KI-Rennen gerade von China überholt worden? Braucht die Welt nun viel weniger Nvidia-Chips? Verlieren Open AI oder Google ihre dominanten Marktpositionen? Bei einem genauen Blick trifft nichts davon zu. Aber der Reihe nach.
Hinter Deepseek steht der Hedgefonds High-Flyer, der KI für seine Anlagestrategien einsetzt. Dessen Gründer Liang Wenfang hat sich kurz vor dem Handelsembargo Tausende Nvidia-Chips gesichert, um KI-Modelle zu entwickeln. Dass die Entwicklung des Modells nur fünf Millionen Dollar gekostet hat, glaubt in der Branche niemand. Trotzdem ist den Deepseek-Forschern ein Durchbruch gelungen: Während bisher allein das „Scaling Gesetz“ galt, wonach Fortschritt in der KI nur mit höherer Rechenleistung möglich ist, ist Deepseek mit deutlich weniger Ressourcen ausgekommen, womit die KI-Kosten für Anwender deutlich sinken können. Risikokapitalgeber Marc Andreessen spricht schon vom „Sputnik-Moment“ für die KI, als die Russen 1957 den Sputnik-Satelliten ins All schossen und damit die USA im globalen Wettrüsten böse überraschten.
Hat China damit die USA im globalen KI-Rennen überholt? Nein, sicher nicht. Aber zumindest aufgeholt, vor allem in der Effizienz der Anwendung. Jetzt wissen wir: Fortschritt ist auch ohne gigantische Rechenpower möglich. Es kommt auf die Köpfe an.
Braucht die Welt nun weniger Nvidia-Chips? Möglicherweise können die Modellentwickler wie Open AI nun mit weniger zusätzlicher Rechenpower auskommen, aber die Anwender werden angesichts der gesunkenen Kosten mehr KI einsetzen – wofür dann mehr Chips benötigt werden. Ob die großen Hyperscaler wie Microsoft oder Google nun signifikant weniger Geld in den Aufbau ihrer Rechenzentren stecken, werden wir in der bevorstehenden Bekanntgabe der Quartalszahlen erfahren. Meine Prognose lautet: nein. Denn noch immer gilt: Wir stehen am Beginn einer großen Basistechnologie. Die Gefahr, zuviel zu investieren, ist weiterhin geringer als zu wenig zu investieren und den Anschluss zu verlieren. Deepseek ist eher Ansporn für noch mehr Tempo in der KI.
Haben Open AI oder Google ihre dominanten Marktpositionen verloren? Auch nicht. Ohne die Leistung von Deepseek schmälern zu wollen: Sie haben vorhandenes Wissen effizient angewendet und dabei erheblich von der Vorarbeit der Amerikaner profitiert. Die Prüfung, ob sie dabei gegen Gesetze verstoßen haben, läuft.
Was bleibt?
- Deepseek hat die Anwendung der Künstlichen Intelligenz billiger gemacht und damit die Verbreitung beschleunigt.
- Das globale KI-Rennen ist wieder offener geworden und sogar Europa hat jetzt die Chancen, auch mit begrenzten Ressourcen wieder ernsthaft mitzumischen.
- Insgesamt war der Montag ein guter Tag für die Künstliche Intelligenz, auch wenn der Blick ins Aktiendepot zunächst das Gegenteil vermuten lässt.
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Wer Künstliche Intelligenz intensiv nutzt, bewertet die Ergebnisse meist besser als die Menschen, die KI gar nicht einsetzen, sich aber schon ein Urteil gebildet haben, lautet ein erstes Ergebnis der Forschung. Dabei ist Künstliche Intelligenz vielfach eine „Black Box“: Wie die Ergebnisse zustande kommen, können die allermeisten Menschen nicht nachvollziehen. Manchmal sogar die KI-Entwickler nicht. Dennoch wird Künstliche Intelligenz als nächste Basistechnologie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu relevanten Änderungen von Prozessen und Geschäftsmodellen führen, die im internationalen Wettbewerb eine zentrale Rolle spielen. Entscheidend für Richtung, Tempo und letztlich den Erfolg dieser KI-Transformation ist somit das Vertrauen der Menschen in die Ergebnisse der Künstlichen Intelligenz.
In einer wissenschaftlichen Studie zusammen mit dem DFKI, der Universität Frankfurt und Groß & Cie. wollen wir daher diese zentralen Fragen der KI-Transformation beantworten und Handlungsempfehlungen für Entscheider ableiten:
- Wie stark vertrauen die Menschen – sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende – der Künstlichen Intelligenz?
- Wie können Führungskräfte die Bereitschaft und das Vertrauen ihrer Mitarbeiter in KI-Systeme stärken?
- Wie wirkt sich Vertrauen in KI-Entscheidungen auf Effizienz und Innovationsbereitschaft in Unternehmen aus?
- Wie sollten Führungskräfte diese KI-Transformation für den größtmöglichen Erfolg managen?
Ein spannendes Briefing in spannenden Zeiten wünscht
Ihr
Holger Schmidt