»Das Ende von Social Media«: Sozial – oder bloß digital?
Teilen, Liken und Folgen: Diese Tätigkeiten kamen mit Social Media in unser Leben. Folgt man dem Titel dieses Buchs, steht nun ihr Ende bevor. Oder vielleicht doch nicht? Mit dem Untertitel – »Warum wir digitale Netzwerke neu denken müssen« – relativiert Dominik Ruisinger diesen anklingenden Abgesang jedenfalls gleich wieder.
Der Autor beschäftigt sich als Referent, Trainer und Berater seit Jahrzehnten mit der vernetzten Kommunikation der digitalen Welt. Ruisinger sieht als »zentrales Merkmal von Social Media […] die Interaktivität beziehungsweise soziale Interaktion, wodurch sich Informationen, Einschätzungen, Meinungen schnell verbreiten können« (S. 27). Er vollzieht die Genese der sozialen Medien nach, welche die elektronische Kommunikation zwischen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Auf verschiedenen Ebenen begründet Ruisinger seine These, nach der die Attraktivität von sozialen Medien nachgelassen hat. Wesentliche Faktoren seien dabei die zunehmende Präsenz wirtschaftlicher Interessen, etwa durch Werbung oder Influencer, sowie die durch Algorithmen gesteuerten Angebote. Seitdem immer mehr KI-generierter Content in den sozialen Medien auftauche, habe zudem die Vorsicht der Nutzer zugenommen, da diese Inhalte oft kaum als solche zu erkennen seien. Welchen Einfluss Shitstorms, Hasskommentare und die Androhung von Gewalt auf die abnehmende Nutzung haben, wird nur beiläufig erwähnt.
Weniger Plattform, mehr Community?
Ruisinger beobachtet eine Tendenz zum Rückzug aus Social-Media-Kanälen wie Facebook, durch die sich das Nutzerverhalten insgesamt verändert habe. Angebote wie Direktnachrichten, E-Mail-Newsletter oder Messengerdienste profitierten von der Abkehr der User von den ursprünglichen Formen der Social-Media-Kommunikation, was der Autor beispielhaft an der zunehmenden Verbreitung von WhatsApp erläutert. Detailliert widmet sich Ruisinger der Frage, wie Nutzer zukünftig mit Hilfe unterschiedlicher Kommunikationsstrategien angesprochen werden könnten. Jenseits der Angebote US-amerikanischer Technologiekonzerne sieht er die Chance, interaktive digitale Kommunikation in kleinen, themenspezifischen Communitys zu etablieren.
Ruisingers Ausführungen sind praxisorientiert. Er vermittelt viele Details zu Plattformen und Applikationen, die dem Austausch dienen, darunter auch das zuletzt kontinuierlich gewachsene Businessnetzwerk LinkedIn. Da der soziale Aspekt über diese Medien hinweg immer weniger Relevanz habe, schlägt der Autor schließlich vor, die Bezeichnung »Social Media« durch »Digital Media« zu ersetzen.
Das Buch ist inhaltsreich und unterhaltsam, zudem sehr übersichtlich und gut strukturiert. In hervorgehobenen Textsegmenten werden zu Grunde liegende Konzepte erklärt. Über einen Code im Buch steht auch eine Onlineversion zur Verfügung, die aktuellen Literaturverweise laden zu vertiefender Lektüre ein. So ist das Buch nicht nur für Kommunikationsexperten interessant, denn es regt dazu an, den eigenen Umgang mit digitalen Angeboten zu reflektieren.
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