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Datenlese So egozentrisch sind unsere Abgeordneten

Foto: DPA/ Quelle: Deutscher Bundestag/ SPIEGEL ONLINE
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Wer vor dem Bundestag spricht, will überzeugen. Bei manchen Abgeordneten klingt es aber eher so, als wollten sie vor allem ihr Ego pflegen. Wir haben ausgewertet, welche Parlamentarier in ihren Reden am häufigsten "ich", "mein", "mir" oder "mich" sagen. Ganz vorne dabei ist ein Minister.

Natürlich bedeutet der häufige Gebrauch von Personalpronomen nicht automatisch, dass Abgeordnete nur um sich selbst kreisen. Manchmal lassen sich "ich", "mein", "mir" oder "mich" kaum vermeiden. Etwa wenn ein Redner von einem Besuch in seinem Wahlkreis berichtet. Oder seine Meinung offen auch als solche kenntlich macht.

Die Spitzenreiter bei den Vielrednern

Die Spitzenreiter bei den Vielrednern

Dass es aber noch viel intensiver geht, beweist einer der Gewinner unserer Auswertung. Georg Nüßlein (CSU) erreichte einen beachtlichen Ego-Faktor: In seinen Redebeiträgen seit 2012 war jedes 44. Wort ein Pronomen der ersten Person Singular, genauso häufig wie bei seinem Parteifreund, Verkehrsminister Peter Ramsauer. Den dritten Platz belegt Guido Westerwelle. Ich! Mein! Mir! Mich!

Wie das klingt, lässt sich in den Plenarprotokollen eindrucksvoll nachlesen. Bei Nüßlein wird das "ich" zum rhetorischen Stilmittel, wie dieses Beispiel aus dem März 2013 zeigt: "Weil Sie hier so schreien, sage ich: Ich bin gespannt, wie Ihre Handreichung aussehen wird. Ich bin gespannt, wie Sie das, was Herr Altmaier vorgeschlagen hat, mitgestalten werden." Eine waschechte "ich"-Anapher, die sich kunstvoll durch die Beiträge des promovierten Juristen zieht. Nachlesen können Sie die einzelnen Redebeiträge im Dokumentations- und Informationssystem  des Deutschen Bundestags.

Auswertung mit allen Parlamentariern

Auswertung mit allen Parlamentariern

Bezieht man nicht nur Vielredner mit mehr als 18.000 Wörtern, sondern alle Abgeordneten in die Auswertung ein, ergeben sich andere Ranglisten. Den höchsten Ego-Faktor erreicht dann CDU-Frau Michaela Noll aus Mettmann in Nordrhein-Westfalen. In ihren Redebeiträgen war jedes 26. Wort ein Ich-Pronomen, allerdings umfassten diese insgesamt auch nur 1145 Wörter. Gesamtsieger Peter Ramsauer landet übrigens im Vergleich ohne Mindest-Wortanzahl auf einem immer noch beachtlichen 27. Rang. Und während unter den 16 Vielrednern mit den häufigsten Pronomen nur drei weiblich waren, sind es im Gesamtvergleich immerhin sieben.

Männliche Abgeordnete

Männliche Abgeordnete

Überhaupt zeigen sich im Vergleich der Geschlechter spannende Unterschiede: Den höchsten Ego-Faktor bei den Herren erreicht der Grünen-Abgeordnete Arfst Wagner: Von den 764 Wörtern seiner Reden war jedes 29. ein "ich", "mein", "mir" oder "mich". Ansonsten finden sich unter den Spitzenreitern bei den Männern vor allem Parlamentarier der FDP, allen voran Jürgen Koppelin, der Landesvorsitzende der FDP in Schleswig-Holstein. Von ihm sind immerhin 9500 Wörter in die Auswertung eingegangen, jedes 33. davon war ein Pronomen der ersten Person Singular.

Weibliche Abgeordnete

Weibliche Abgeordnete

Der Frauenvergleich hingegen wird, wie auch das Gesamtranking, von der CDU/CSU dominiert. Fünf der führenden sechs Abgeordneten sitzen für diese Parteien im Bundestag. Gut sichtbar ist aber auch die SPD unter den vorderen Plätzen vertreten. Übrigens: "Meine" und "meinen" wurden in dieser Auswertung nicht gezählt, um Verwechslungen mit Formen des Verbs "meinen" zu vermeiden.

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