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Parteiaustritte Diese Politikerinnen und Politiker haben schon mal die Seiten gewechselt

Der Übertritt der Grünen Melis Sekmen zur CDU sorgt für Aufsehen. Dabei haben schon viele Politikerinnen und Politiker das Parteibuch getauscht. Schily, Gauland, Wagenknecht: Hier sind die spektakulärsten Fälle.
Eine Übersicht von Miriam Khan und Sebastian Stoll

Heute hier, morgen dort: Die Grüne Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen wechselt zur Unionsfraktion. Offiziell heißt es, ihr Verständnis von Politik habe sich »weiterentwickelt«. Tatsächlich konnte sie sich zuletzt offenbar immer weniger mit den Eckpfeilern der aktuellen grünen Politik identifizieren .

Für die, die zurückbleiben, sind solche Aus- und Übertritte selten schön. So versuchen auch die Grünen gerade, den Schaden im Fall Sekmen so gering wie möglich zu halten.

Dabei kommt es gar nicht so selten vor, dass Politikerinnen und Politiker die Seiten wechseln: Der SPIEGEL hat die aufsehenerregendsten Fälle der deutschen Politik zusammengetragen.

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Welche Politiker schon die Partei gewechselt haben

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dts Nachrichtenagentur / IMAGO

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Vera Lengsfeld Sahra Wagenknecht Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Otto Schily Oskar Lafontaine Hans-Georg Maaßen Alexander Gauland Ingrid Matthäus-Maier Günter Verheugen Gustav Heinemann Oswald Metzger

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Sie ist gerade einmal 21, als Melis Sekmen 2014 in den Mannheimer Gemeinderat gewählt wird. Die Jungpolitikerin der Grünen ist engagiert und beliebt: Bei der Bundestagswahl 2021 holt sie in ihrem Wahlkreis das beste Erststimmenergebnis, das die Mannheimer Grünen je bei einer Bundestagswahl erzielt haben. Drei Jahre später dann der Cut: Sekmen verlässt die Grünen – für die Union. »Meine Vorstellung darüber, wie und in welchem Stil Politik gemacht wird, hat sich weiterentwickelt«, erklärt sie im Juli 2024 ihren Wechsel in die CDU/CSU-Fraktion.

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dts Nachrichtenagentur / IMAGO

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Man müsse nicht unbedingt »nach als Siebzig- oder Achtzigjähriger mit derselben Parteifahne beerdigt werden«, der man mit 20 Jahren zuerst gefolgt sei: Dass er fünf verschiedenen Parteien angehörte, verheimlicht Gustav Heinemann nicht etwa – er trägt es zeitlebens selbstbewusst vor sich her: In der Weimarer Republik engagiert Heinemann sich in der linksliberalen DDP, später der christsozialen Partei CSVD. Nach dem Krieg wird er in der CDU Innenminister unter Adenauer, wendet sich aber als Pazifist angesichts der Wiederbewaffnung Deutschlands von der Partei ab. Heinemann versucht sich an einer Parteineugründung, aber nachdem die »Gesamtdeutsche Volkspartei« (GVP) keinen Erfolg hat, wechselt er in die SPD. Als deren Mitglied wird er zunächst Bundesjustizminister, 1969 schließlich Bundespräsident.

Foto: Sven Simon / IMAGO
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In seiner Zeit bei den Grünen eckt Oswald Metzger immer wieder an, seine Positionen werden vielfach als neoliberal kritisiert. Vor dem Parteitag Ende 2007 geht Metzger, seinerzeit Landtagsabgeordneter in Stuttgart, zuvor mehrere Jahre im Bundestag, aber zu weit und sagt in einem Interview, viele Sozialhilfeempfänger sähen ihren Lebenssinn darin, »Kohlenhydrate oder Alkohol in sich hineinzustopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleiche den eigenen Kindern angedeihen zu lassen.« Im Unfrieden verlässt er seine Partei und schließt sich Anfang 2008 der CDU an. Für diese wollte er gern als Direktkandidat für die Bundestagswahl antreten, scheitert aber an parteiinterner Konkurrenz – mehrfach.

Foto: IMAGO
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1982 wechselt die FDP den Koalitionspartner – und Ingrid Matthäus-Maier die Partei: Weil ihre Fraktion die Koalition mit der SPD aufkündigt und zur Union wechselt, bekommt das Land einen neuen Kanzler, auf Helmut Schmidt folgt Helmut Kohl. Die sozialliberale Matthäus-Maier will den neuen Kurs nicht mittragen: Aus Protest verlässt sie die FDP-Fraktion, wenige Wochen später tritt sie in die SPD ein. Ihr Bundestagsmandat legt sie anschließend nieder, um bei der Wahl wenige Monate später für ihre neue Partei ins Parlament einzuziehen.

Foto: Marc John / IMAGO
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Eine ähnliche Geschichte wie Ingrid Matthäus-Maier hat Günter Verheugen: Bis zum Generalsekretär der FDP bringt er es in der sozialliberalen Koalition, nach der Hinwendung der Partei zur Union wechselt er zur SPD. Und teilt aus: In einem SPIEGEL-Essay schreibt Verheugen wenig später von einer »Krise des Liberalismus« und von einer neuen Regierung, die handle »wie ein Elefant im Porzellanladen«. Für seine neue Partei wird Verheugen später unter anderem Erweiterungs-, und später Industriekommissar in der EU-Kommission.

Foto: Chris Emil Janssen / Chris Emil Janßen / IMAGO
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Eine Konservative bei den Linken? Darüber staunt selbst Partei-Urgestein Gregor Gysi: »Da war diese junge Frau, die unbedingt das Alte wiederhaben wollte «, sagt er über eine seiner ersten Begegnungen mit Sahra Wagenknecht in den Neunzigern. Sehr »präsent« sei sie gewesen – und wohl nicht zuletzt deshalb macht sie bei den Linken schnell Karriere, positioniert sich als Kommunistin. Aber im Laufe der Zeit wechselte sie immer wieder die Positionen, irgendwann haftet ihr das Etikett Populistin an. Damit ist sie so weit weg von Parteimitte und -führung, dass die Risse nicht mehr zu kitten sind. Die Entfremdung gipfelt im Parteiaustritt Wagenknechts Ende Oktober 2023, nachdem sie zuvor unter anderem das Ende der Sanktionen gegen Russland und Kriegstreiber Wladimir Putin gefordert hatte. Im Januar 2024 gründet sie das nach ihr benannte BSW.

Foto: Bernd Elmenthaler / IMAGO
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26 Jahre trennen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Ansonsten gibt es mehr, das sie eint – die 2014 geschlossene Ehe etwa, die linke Gesinnung und das Hadern mit der eigenen Partei. In den Sechzigern tritt er in die SPD ein, macht in seiner Heimat Saarland Karriere und wird erst Ministerpräsident. Mehr oder weniger freiwillig kandidiert er 1990 erfolglos fürs Kanzleramt, wird später Parteivorsitzender und Finanzminister unter Gerhard Schröder. Im Streit um die Finanzpolitik legt er im März 1999 alle Ämter nieder. 2005 dann der Austritt aus der SPD – nach fast 40 Jahren. Im selben Jahr schließt er sich dem Linksbündnis aus WASG und PDS an, das später in der Linken aufgeht. Im Bundestagswahlkampf 2021 ruft er seine Landsleute im Saarland nach internen Streitereien dann dazu auf, ihn und seine Partei nicht zu wählen. Ein Jahr später verlässt Lafontaine die Linke, der er den Verlust und Verrat der eigenen Identität vorwirft. Anfang 2024 tritt der mittlerweile 80-Jährige dem BSW seiner Frau bei.

Foto: Christian Ender / IMAGO
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Es ist ein sehr spezieller Freundeskreis, der Otto Schily in den Sechziger- und Siebzigerjahren umgibt: Rudi Dutschke zählt dazu, auch Horst Mahler. 1980 schlägt Schily selbst einen durchaus als revolutionär zu bezeichnenden Weg ein: Er gründet die Grünen mit und zieht als Abgeordneter in die erste grüne Bundestagsfraktion ein. Dort macht er schnell von sich reden – im doppelten Sinne: CDU-Politiker Dietmar Kansy bezeichnet ihn nach einer Ansprache im Bundestag als »Mini-Goebbels«. Schily macht sich immer wieder für eine Koalition mit der SPD stark – scheitert damit aber ebenso wie mit der Kandidatur für den Fraktionsvorstand. 1989 verlässt er die Grünen deshalb – und wechselt zur SPD.

Foto: Annette Riedl / picture alliance / dpa
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Jeder Mensch spricht heute von den Grünen. Aber wer auf dem Wahlzettel genau hinsieht, stellt fest: Eigentlich heißt die Partei Bündnis 90/Die Grünen – und die heutige Partei ist das Ergebnis einer Fusion im Jahr 1993 unter anderem der West-Grünen und dem noch in der zerfallenden DDR gegründeten Bündnis 90. Damals gibt es allerdings einige Bündnis-90-Mitglieder, die diesen Schritt nicht mitgehen wollen, zu fern scheinen ihnen die Positionen der Grünen von ihren eigenen. Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck gehört dazu. 1995 tritt Platzeck schließlich in die SPD ein, wird für die Sozialdemokraten unter anderem Oberbürgermeister von Potsdam und später Ministerpräsident in Brandenburg. Ende 2005 übernimmt Platzeck für einige Monate den Vorsitz der Bundespartei, gibt den Posten aber aus gesundheitlichen Gründen nach wenigen Monaten auf.

Foto: M. Popow / Metodi Popow / IMAGO
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Wie Matthias Platzeck kommt auch Vera Lengsfeld aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung – hat aber heute einen deutlich weiteren Weg hinter sich. Einst wegen ihrer Ansichten aus der SED ausgeschlossen, schließt sich Lengsfeld zur Wendezeit den Grünen an. 1996 wechselt sie zur CDU, in der Befürchtung, die Grünen könnten sich der SED-Nachfolgepartei PDS annähern. 2005 scheidet sie aus dem Bundestag aus. Seitdem driftet Lengsfeld immer weiter nach rechts, nimmt etwa am rechtspopulistischen »Neuen Hambacher Fest« teil. Masken bezeichnete sie in der Coronapandemie als »Maulkorb«, das Parteiensystem nannte sie zuletzt »überholt« – und trat aus der CDU wieder aus.

Foto: Metodi Popow / IMAGO
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40 Jahre lang ist Alexander Gauland Mitglied der CDU, schafft es allerdings nur bis ins Amt des hessischen Staatssekretärs. Dann sucht er sich eine neue politische Heimat: 2013 gründet er gemeinsam mit unter anderem Bernd Lucke die Wahlalternative 2013, aus der später die AfD hervorgeht. Seitdem nimmt seine Karriere deutlich an Fahrt auf, er wird 2017 Bundessprecher und Fraktionsvorsitzender – obwohl oder gerade weil seine Äußerungen schrittweise zügelloser und problematischer werden. Er bezeichnet Hitler und die Nazizeit als »Vogelschiss« in der deutschen Geschichte und fordert in einer Rede dazu auf, die damalige Migrationsbeauftragte Aydan Özoğuz »in Anatolien [zu] entsorgen.«

Foto: Political-Moments / IMAGO
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Noch einer, der sich aus der CDU heraus radikalisiert: Hans-Georg Maaßen tritt 1987 der Partei bei, sein höchstes Amt ist allerdings kein parteipolitisches, sondern das des Verfassungsschutzchefs. Selbiges verliert er 2018 nach problematischen Äußerungen über die kurz zuvor stattgefundenen Ausschreitungen in Chemnitz. Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender fragt damals, »wen Herr Maaßen eigentlich schützt, die Verfassung oder eher die Verfassungsfeinde von rechts«. Maaßen bleibt zunächst weiter in der CDU, fällt in Folge allerdings noch stärker mit verschwörerischen, hetzerischen und antisemitisch konnotierten Aussagen  auf. Im Januar 2024 verlässt er die CDU und kommt damit dem Rausschmiss zuvor. Einen Monat später formiert sich die 2017 gegründete WerteUnion zur Partei, Maaßen übernimmt deren Führung.

Foto: Sascha Fromm / Thüringer Allgemeine / IMAGO
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Dass es auch einen Weg zurück aus der Radikalisierung gibt, kann man an Gert Hoffmann sehen, der als Student 1968 in die NPD eintritt. Die Episode ist nur kurz, später wird Hoffmann sie als »Jugendsünde« bezeichnen. Als Mitglied der CDU ist Hoffmann von 2001 bis 2014 Oberbürgermeister von Braunschweig.

Foto: Jens Kalaene / picture alliance / dpa
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