Seit zwei Jahren beherrscht dieses Virus die Welt. Es ist gerade mal 100 millionstel Millimeter klein und sorgt trotzdem für immer neue Wellen, Lockdowns und überfüllte Intensivstationen. Wie kommen wir da jemals wieder raus?
Einen Zustand wie vor Corona wird es wohl nicht geben. Stattdessen müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben, ohne einen zu hohen Preis zu zahlen.
Die Biologin Christine Falk erklärt uns im Interview: Damit uns das gelingt, muss aus der pandemischen eine endemische Lage werden.
Christine Falk, Medizinische Hochschule Hannover / Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie:
»Der Vorteil einer Endemie gegenüber einer Pandemie wäre, dass das Virus zwar immer noch zirkuliert in der menschlichen Bevölkerung, aber dass es kaum noch Menschen gibt, die wirklich schwer erkranken. Und damit hat man eine Situation, wie wir sie von der Grippe kennen. Auch da können Menschen schwer erkranken, aber eben sehr, sehr wenige, sodass man da davon ausgehen kann, dass ein Virus weiterhin zirkuliert, aber weder persönlich großen Schaden anrichtet, noch für die Gesellschaft einen wirklich großen Schaden hat.«
Endemisch wird das Virus erst, wenn sehr viele Menschen immun sind – entweder durch eine Impfung oder wenn sie genesen sind. Das Virus wäre dann nicht verschwunden, aber es wäre längst nicht mehr so gefährlich für die Bevölkerung wie jetzt in der Pandemie. Dann nämlich gibt es so viele Infektionen und damit auch schwere Fälle, dass selbst ein Gesundheitssystem wie das deutsche an seine Grenzen stößt. In der Endemie hingegen verläuft die Infektionskurve viel flacher. Damit gibt es auch viel weniger schwere Fälle – und die Belastung für das Gesundheitssystem bleibt überschaubar.
Anders als bei einer Pandemie, wo sich Corona weltweit ausbreitet, wird das Virus in der endemischen Phase viel regionaler auftauchen. Es könnte sogar nur in bestimmten Jahreszeiten ausbrechen, oder nur bestimmte Bevölkerungsgruppen bedrohen, ganz ähnlich wie das Influenza-Virus. Diese Menschen müssten dann weiter geschützt werden, zum Beispiel durch Auffrischungsimpfungen. Auch die Maskenpflicht könnte bei größeren Ausbrüchen zwischenzeitlich wieder eingesetzt werden.
Aber grundsätzlich ist es dann möglich, mit dem Virus zu leben, ohne große Einschränkungen.
Einige Experten erwarten nun, dass schon Omikron die Variante ist, die uns in eine endemische Lage führen wird, weil das Virus sich nun schneller verbreitet und – Stand jetzt – wohl zu etwas milderen Verläufen führt. Christine Falk ist noch vorsichtig.
Christine Falk, Medizinische Hochschule Hannover / Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie:
»Wenn wir gucken, wie schnell sich Omikron seit seiner Entdeckung – so am 24./25. November – jetzt weltweit verbreitet hat, ist es natürlich nicht auszuschließen, dass doch noch mal andere Varianten irgendwo anders auf der Welt auftauchen. Aber Omikron ist schon ziemlich erfolgreich, um es so zu formulieren. Deswegen kann es auch gut sein, dass dieses Virus uns jetzt eine Weile als Hauptvariante begleitet. Ob man ihm dann sozusagen zuschreibt, dass das unser Weg aus der Situation ist, das weiß ich nicht. Da traue ich diesem Virus einfach nicht über den Weg, genauso wie den anderen Varianten nicht.«
Der Übergang von der pandemischen in eine endemische Lage birgt Gefahren. In Deutschland sind noch viele Millionen Menschen ungeimpft – und haben damit eine viel größere Gefahr, sich anzustecken. Lässt man dem Virus zu früh freien Lauf, drohen extrem hohe Infektionsraten – und damit sowohl eine Gefahr für die Infrastruktur als auch viele schwere Verläufe und Todesfälle.
Diese Schafsherde aus Niedersachsen macht klar, worauf es jetzt ankommt: Die Frage, wann wir es in eine endemische Lage schaffen, hängt stark von der Impfquote ab. Vereinfacht gesagt: Je höher die Impfquote ist, desto schneller kommt die Endemie. Zwar können und werden sich auch Geimpfte weiter infizieren, sie kommen dann aber nur in den seltensten Fällen ins Krankenhaus.
Christine Falk, Medizinische Hochschule Hannover / Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie:
»Wenn wir es schaffen würden, dass wirklich die Menschen, die noch nicht geimpft sind, ab 5 Jahren sich mit der Impfung beschäftigen und eine Impfung bekommen und wir dann eine hohe Quote haben – 80 Prozent wäre schon toll der Gesamtbevölkerung – dann hätten wir im Sommer wirklich eine Situation, wo es realistisch – sagen wir mal vorsichtig realistisch – denkbar wäre, dass sie geringe Zahlen haben, mit geringen Zahlen mehr Freiheiten haben und so gut dann ausgerüstet sind für den nächsten Winter, dass uns da nicht mehr viel passieren kann, weil es gar nicht mehr so viele Menschen gibt, die schwer krank werden können.«
Aber: Eine endemische Lage in Deutschland allein ist noch keine langfristige Lösung des Problems. Die Impfkampagne müsste weltweit erfolgreich sein, doch gerade im Globalen Süden, vor allem in Afrika, kommen gleich drei Probleme zusammen: fehlender Impfstoff, eine teils schlechte Infrastruktur und hohe Impfskepsis. Bleiben die Impfquoten dort niedrig, droht die Gefahr, dass neue Varianten entstehen, die den Impfschutz umgehen können.
Christine Falk, Medizinische Hochschule Hannover / Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie:
»Da darf man einfach nicht vergessen, dass im Moment eine krasse Ungleichverteilung der Impfstoffe passiert. Und wenn wir das nicht irgendwie besser im Blick haben, dann ist die Frage, wann wir sorgenfrei zu einer Gesellschaft kommen können, die sich über gar keine Einschränkungen, über keine Virusbedrohung und über keine Infektionen mehr Gedanken machen muss. Das ist dann noch ein Stückchen weiter weg.«
Am Ende gilt also: Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind.