Ilona, warum rankt mein Text, zieht aber kaum Traffic?
Es ist wieder Dude-Donnerstag, und ich lade euch mit meiner Tasse heißem Kaffee in der Hand herzlich zu einer neuen, kleinen Runde “Welche Fragen mir als SEO-Redakteurin oft gestellt werden” ein.
Beim letzten Mal hatte ich ja erzählt: Die häufigste Frage, die mir immer wieder gestellt wird, ist: Ilona, warum rankt mein Text nicht?
Heute machen wir mal mit einer weiteren, oft gestellten Frage weiter, und die lautet: Warum rankt mein Text - zieht aber gar keinen Traffic?
Dazu kann ich vorweg schicken: Manchmal schätzt man das Suchvolumen im Vorfeld verkehrt ein. Und: Suchvolumina sind Schwankungen unterworfen.
Wir schauen uns das mal genauer an, und ich erzähle euch, wie ich vorgehe, um diesen Fehler möglichst zu vermeiden.
Gutes Suchvolumen, super Ranking aber wenig Traffic - was ist da los?
Wenn ein Artikel zwar gut für ein Keyword rankt, aber dennoch über einen längeren Zeitraum hinweg kein nennenswerter Traffic fließt, kann das natürlich diverse technische Gründe haben: Eventuell funktioniert das Tracking auf der Website nicht richtig, oder es gab im entsprechenden Betrachtungszeitraum einen Serverausfall, oder oder oder.
Wahrscheinlicher ist aber: Es hat tatsächlich niemand danach gesucht, das Suchvolumen ist wesentlich niedriger als gedacht. Aber warum das auf einmal? Wir stürzen uns ja nicht mit Absicht auf ein Thema, das gar kein Suchvolumen hat.
Dazu ziehe ich mal ein Keyword-Beispiel heran, an dem sich die Problematik ganz gut skizzieren lässt.
Beispiel Kinderfreizeitbonus
Der Kinderfreizeitbonus ist eine einmalige Sonderzahlung der Bundesregierung an einkommensschwächere Familien, der jetzt gerade im Spätsommer nach und nach an alle ausgezahlt wird. Gutes Thema, viel Erklärungsbedarf, viel Aufklärungsarbeit, wunderbar, ran ans Werk.
Also fein, schauen wir mal, was die Keyword-Tools zum Hauptkeyword Kinderfreizeitbonus sagen:
(Stand: 20.09.2021)
Was fällt sofort auf? Es gibt im hohen Tausenderbereich massive Abweichungen bei den Suchvolumina und bei den geschätzten Klicks/Visits auf Position 1, nur beim Wettbewerb sind sich SISTRIX und der KWFinder offenbar einig, der ist wohl easy bis machbar. Beim Trend sagen auch beide: Daumen hoch, das Thema ist aktuell ziemlich angesagt. ahrefs hat jedoch gar keine Daten dazu.
Nun denn, im ersten Moment könnte man denken: Ein Suchvolumen zwischen 14.500 und 37.600 bei okayem Wettbewerb - ist doch nicht schlecht! Doch, Sekündchen.
Alarm Nummer 1: Bei solchen Höhen ist der Wettbewerb selten so niedrig wie angegeben.
Es wäre ja wunderbar, wenn wir hier ein rares Keyword mit solch massivem Suchvolumen und easy Wettbewerb entdeckt hätten. Das halte ich aber für unwahrscheinlich. Ich denke sogar, dieses Keyword ist ordentlich umkämpft. Da steht die arbeitsagentur.de auf der 1, und dahinter folgen große Medien und Bundesministerien mit ihren Websites. Es würde mich wundern, wenn die so “easy” zu schlagen wären.
Alarm Nummer 2: Die Suchvolumina erscheinen mir unrealistisch.
Bei so großen Abweichungen im Suchvolumen (14.500 zu 37.600 / Monat) kann irgendwas nicht ganz hinhauen. Halten wir dazu aber kurz fest:
Es ist normal, dass alle Keyword-Tools unterschiedliche Daten für jedes Keyword ausweisen, weil jedes Tool die Suchvolumina auf Basis anderer Daten und Algorithmen berechnet. Manche zählen zum Beispiel die Suchvolumen sämtlicher Nebenkeywords anteilig mit rein und geben praktisch das Gesamt-Suchvolumen des kompletten Themas aus. Andere benennen lediglich das Suchvolumen des abgefragten Hauptkeywords.
Google selbst (woran sich die Tools ja bedienen) gibt seinerseits auch nur grobe Werte zu den Keywords raus.
Was mache ich also, um mir einen besseren Eindruck von der Range des Suchvolumens zu verschaffen?
Ich jage dazu ein Keyword immer durch mehrere Tools (mindestens 2, lieber 3 oder 4, aber dafür ist natürlich nicht immer Zeit). Wenn die Angaben nah beieinander liegen, weiß ich, die sind halbwegs verlässlich.
Dann bilde ich meinen eigenen Mittelwert und entwickele meine eigene Vorstellung davon, wie viel Traffic mich hier auf Position 1 in etwa erwarten würde (und wie viel weniger auf Platz 2, 3 und 4).
Das ist ja ein wichtiger Schritt: Ich analysiere auf diese Weise, was mir der Artikel bringt und ob es sich überhaupt lohnt, einen Text zu genau diesem Keyword zu verfassen.
In unserem Fall mit dem Kinderfreizeitbonus wird es schwierig.
Da kann ich nicht einfach sagen - na ja, irgendwo zwischen 14.500 und 37.600, also roundabout bei 26.000, wird das Suchvolumen schon liegen. Die Abweichung ist beim Suchvolumen einfach zu groß.
Und ich wette, selbst, wenn wir hier jetzt mit Kinderfreizeitbonus auf der 1 ranken würden, kämen da weder 12.840 Klicks (Sistrix) noch 4.600 Visits (KWfinder) pro Monat bei rum.
Lügen Keywordtools uns also an?
So drastisch würde ich das nicht ausdrücken. Aber - sie sagen eben auch nicht immer die reine Wahrheit. Manchmal (und ich bin mir sehr sicher, dass das in diesem Fall auch so ist) hinken sie nämlich einfach hinterher und bilden mit den Suchvolumina nur eine Momentaufnahme ab.
Zum Kinderfreizeitbonus muss man beispielsweise wissen, dass die Auszahlung bereits Ende August erfolgte, und ein paar Leute bekommen den Bonus noch bis in den September 2021 hinein überwiesen. Das höchste Suchinteresse bestand also vermutlich vor der ersten Auszahlungswelle im August.
Keyword-Tools lassen sich bei manchen Keywords aber ganz schön viel Zeit, um ihre Rankingdaten zu aktualisieren. SISTRIX schreibt dazu beispielsweise in seinem FAQ-Bereich:
(...) alle wichtigen Keywords werden täglich aktualisiert, weniger wichtige werden wöchentlich aktualisiert und sogenannte Longtail-Keywords mit nur einem sehr geringen Suchvolumen werden mindestens monatlich aktualisiert.
Quelle: sistrix.de
Hat SISTRIX unseren Kinderfreizeitbonus also als "weniger wichtig" eingestuft, kann es passieren, dass die Daten dazu beim Abfragezeitpunkt schon einige Wochen alt waren. Dann haben wir unter Umständen ein Suchvolumen gesehen, das viel zu hoch war und längst nicht mehr der Realität entsprach. Andere Keyword-Tools handhaben das ähnlich.
So kommt unser Fehler zustande: Wir texten auf ein Keyword, dessen Suchvolumen wir viel höher eingeschätzt haben, als es tatsächlich kontinuierlich ist.
Erkenntnis: Die Daten der Keyword-Tools sind nicht immer super aktuell.
Woher weiß ich dann, in welche Richtung das Suchvolumen gerade tendiert?
Dazu stellt Google netterweise ein Tool zur Verfügung, mit dem wir das Auf und Ab der Suchvolumina erahnen können: Google Trends. Es zeigt das Interesse für ein Thema auf einer Skala von 0 bis 100 im zeitlichen Verlauf an.
Geben wir den Kinderfreizeitbonus hier ein, sieht die Trendkurve folgendermaßen aus:
Empfohlen von LinkedIn
(Quelle: Google Trends)
Da wird recht plastisch klar: Das Thema ist bereits durch. Fällt der Regierung dazu nichts Neues mehr ein, wird die Kurve sich weiter abflachen. Kann man also auch darauf schließen, dass die Suchvolumina runter gehen? Meiner Erfahrung nach: Ja, grob schon.
Dazu muss man aber wissen, dass sich die relativen Daten aus Google Trends nicht unmittelbar mit den absoluten Suchvolumina eines Keywords vergleichen lassen. Ich verlinke dazu hier mal einen guten Artikel, der diesen Zusammenhang verständlich beschreibt.
Ich denke aber, in der Tendenz gehen die Kurven meist Hand in Hand.
Im Fall des Kinderfreizeitbonus zeigt sich: Die hohen Suchvolumina der Keyword-Tools können schon länger nicht mehr ganz hinhauen.
Wichtig zu wissen: Schwankungen gibt's nicht nur bei saisonalen Themen.
Große Schwankungen kommen natürlich vor allem bei Trendthemen und bei saisonal wiederkehrenden Themen (Weihnachten, Muttertag) vor.
Aber: Auch das Interesse an Standardthemen, die auf den ersten Blick gar keinen speziellen Zeitbezug haben, ist Schwankungen unterworfen.
Geben wir doch zum Beispiel mal die “Sesamstraße” bei Google Trends ein. Das ist ein Thema, bei dem ich mir ziemlich sicher bin, dass daran ein recht langweilig-konstantes, seitwärts-tendierendes Interesse bestehen müsste. Aber - von wegen. Ich präsentiere den Jahresverlauf von September 2020 bis heute:
(Quelle: Google Trends)
Das Interesse schwankt also selbst bei einem solchen Thema wie der Sesamstraße zwischen dem Wert 30 (geht so) und dem Wert 100 (mega-hohes Interesse). Es sinkt aber auch nie unter 30. Ich denke, man kann davon ausgehen, dass die dazu gehörenden Keywords bei guten Rankings permanent nennenswerten Traffic liefern.
Es gibt aber auch Themen, die hatten vor einiger Zeit mal ein länger andauerndes High, sind dann aber abgefallen und laufen seitdem konstant irgendwo im niedrigsten Low-Level-Bereich. Bei Modetrends kommt sowas beispielsweise vor, da sind die Keywords oft monatelang auf einem Höhenflug unterwegs und fallen dann nach und nach wieder in den Keller.
Erkenntnis: Suchvolumina schwanken. Alle, immer.
Fazit - Bei hohen Abweichungen im Suchvolumen immer genauer hinsehen
Mein Rat:
Und es hilft, sich mit den Besonderheiten der einzelnen Keyword-Tools zu beschäftigen, um zu lernen, ihre Angaben richtig einzuordnen.
Meiner Erfahrung nach…
… hat Sistrix zwar in der Regel eine recht aktuelle Datenbasis, aber auch eine verhältnismäßig kleine. Heißt: Wenn das Keyword drin ist, sind die Daten zum Suchvolumen meist aktueller als die anderer Tools - aber oft finde ich hier Keywords erst gar nicht, die woanders schon längst aufgenommen wurden.
… hat Searchmetrics oft den guten Mittelwert in Sachen Suchvolumina und verfügt über eine größere Datenbasis als Sistrix, hinkt aber meinem Eindruck nach bei der Aktualität stärker hinterher. Essentials (aka wichtige Keywords) werden auch hier nur alle 7 Tage aktualisiert, der Rest nur alle 30.
… ist der KWfinder beim Suchvolumen oft vorsichtiger unterwegs als alle anderen, schätzt aber dafür den Wettbewerb realistischer und etwas granularer ein.
… ist ahrefs in Sachen Aktualität und Genauigkeit beim Suchvolumen sowie Größe der Datenbasis das für mich zuverlässigste Keywordtool, aber stets einen Hauch zu optimistisch beim Wettbewerb.
Das sind aber nur meine Eindrücke und Erfahrungen.
Ich hatte als SEO-Redakteurin in den vergangenen Jahren ja bestimmte, thematische Schwerpunkte (Baufinanzierung / Finanzen / Lifestyle / Eltern & Kinder) und war innerhalb dieses Spektrums mit den genannten Keywordtools zugange.
Es ist gut möglich, dass die Tools in anderen Themenbereichen jeweils besser oder anders aufgestellt sind.
Will sagen: Ich freue mich diesbezüglich (und sowieso) auch über Austausch!
Kommentiert gern hier unter meinem Artikel, ob ihr die Tools genauso einschätzt - oder ganz anders?
Wo wir gerade bei Usergenerated Content sind, mache ich mal meine Tochter auf ihrem Youtube-Gaming-Channel nach und sage:
Lasst mir ein Like da, oder schreibt mir in die Kommis, worüber ihr im redaktionellen SEO-Bereich gern mehr erfahren würdet, dann antworte ich da beim nächsten Mal gern drauf.
Bis zum nächsten Dude-Donnerstag,
Eure Ilona
Und beim nächsten Mal: Hilfe, Google macht, was es will - warum rankt mein Text für völlig andere Themen und wieso zieht Google sich eigene Metadaten?