Insolvenzen, Inflation und Marktpanik: Was wirklich hinter den Schlagzeilen steckt
Unser Chief Investment Officer Harald Sporleder und das Portfoliomanagement-Team befassen sich tagtäglich mit der Entwicklung der Kapital- und Finanzmärkte. Lingohr Asset Management präsentiert Ihnen wöchentlich eine Zusammenfassung von Harald Sporleders „CIO-Gedanken am Morgen“ und versorgen Sie damit mit den wichtigsten Informationen aus der Value-Welt!
Value Kompakt: Die wichtigsten Punkte auf einen Blick
Nach dem schweren Einbruch an den japanischen Börsen hat sich die unmittelbare Panik etwas gelegt, doch die Unsicherheit und das Bedürfnis, die Ereignisse zu verstehen, bleiben stark. Verschiedene Analysen beleuchten die besondere Situation in Japan, doch es zeigt sich, dass das Problem tiefer liegt und viele entwickelte Märkte betrifft. Der enge Zusammenhang zwischen dem Yen und dem japanischen Aktienmarkt hat zu einer erhöhten Volatilität geführt, was das Dilemma der politisch beeinflussten Zentralbanken offenbart. In Japan hatten die politischen Entscheidungsträger zunächst darauf gedrängt, die Wirtschaft aus der Deflationsphase zu holen, und als die Inflation anstieg und die Zinsen leicht erhöht wurden, geriet die Zentralbank unter Druck. Diese Situation ist symptomatisch für viele entwickelten Länder, wo die Märkte oft ambivalent auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen reagieren.
Ein weiteres Problem ist die Risikobudgetierung institutioneller Anleger. In Japan zeigt sich, dass lokale Investoren in diesem Jahr verstärkt in japanische Aktien investiert haben, was einer gewissen Loyalität entspricht. Allerdings haben die jüngsten starken Schwankungen dazu geführt, dass institutionelle Anleger, die ihre Portfolios risikoadjustiert verwalten, möglicherweise gezwungen sind, Positionen abzubauen. Dies hat die starken Marktbewegungen in Japan verstärkt und die Flucht vieler globaler Anleger in die USA intensiviert.
In Deutschland steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen
Der Fokus des Marktes hat sich nun von den Unternehmensberichten auf makroökonomische Trends verlagert. Die strukturellen Probleme in China und das nachlassende Vertrauen ausländischer Investoren in den chinesischen Markt sind dabei besonders relevant. Im Gegensatz dazu gewinnt Indien das Vertrauen der Anleger und könnte China bald in den Emerging Markets Indizes überholen. Der Philadelphia Semiconductor Index (SOX) spielt derzeit eine entscheidende Rolle in der Markterholung, wobei insbesondere amerikanische Halbleiterunternehmen den Markt antreiben. Die Entwicklung des US-Dollars wird in den kommenden Monaten von entscheidender Bedeutung sein, insbesondere für die Neuausrichtung von Risikobudgets in verschiedenen Anlageklassen.
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In Deutschland steigt die Zahl der Firmenpleiten, was auf die Auswirkungen einer fehlerhaften Wirtschaftspolitik und den Mangel an Zinssenkungen zurückzuführen ist. Auch in den USA steigen die Insolvenzen trotz umfangreicher Schuldenprogramme, was die Erwartungen an weitere Zinssenkungen erhöht hat. Dennoch bleibt die Unsicherheit groß, da sich die Marktstimmung rasch ändern kann. Die jüngsten Arbeitsmarktdaten und die wachsenden Rezessionssorgen haben das Bild erneut verschoben, und nun wird eine moderate Zinssenkung von 25 Basispunkten im September als wahrscheinlich erachtet, um die politische Lage nicht weiter anzuheizen.
Entwicklungen erfordern eine langfristige Neuausrichtung von Investitionen
Nach den neuesten US-Inflationsdaten (CPI) haben die Spekulationen über die zukünftige Entwicklung weiter zugenommen, obwohl die Märkte aufgrund ihrer Volatilität schwer vorherzusagen sind. In einer zunehmend multipolaren Weltwirtschaft zeichnet sich ab, dass China, Indien und die USA in den kommenden Jahrzehnten die dominierenden Volkswirtschaften sein werden, während Länder wie Deutschland an Bedeutung verlieren. Diese Entwicklungen erfordern eine langfristige Neuausrichtung von Investitionen in Regionen mit starkem Bevölkerungswachstum und wirtschaftlichem Potenzial. Die Bedeutung Europas im globalen Kontext hat abgenommen, wie die Veränderungen der Marktkapitalisierung seit 1900 verdeutlichen. Doch Länder wie die Schweiz zeigen, dass Flexibilität, ein klarer Fokus und eine starke Infrastruktur auch in einer sich verändernden globalen Wirtschaft erfolgreich sein können. Zudem zeigt sich, dass es von Vorteil ist, sich aus geopolitischen Konflikten herauszuhalten, um wirtschaftliche Stabilität zu bewahren.
Erste Erholungstendenzen im Russell 2000-Index
Vor dem Hintergrund der geopolitischen Neuordnung und der großen globalen Trends bleibt die Frage offen, wann die massive Verschuldung der USA, insbesondere die jährlichen Zinszahlungen von über 1000 Milliarden Dollar, von den Märkten stärker berücksichtigt wird. Die Kaufkraftparität (PPP) deutet darauf hin, dass der Euro/US-Dollar-Wechselkurs langfristig höher sein könnte als der aktuelle Kurs um 1,10. Sollte der US-Dollar abwerten, wie es in früheren Phasen beobachtet wurde, könnte dies zu signifikanten Marktbewegungen führen und möglicherweise eine Chance für europäische Aktien darstellen, wie auch kürzlich von Morgan Stanley angedeutet. Gleichzeitig bleibt die Frage offen, ob der beginnende Zinssenkungszyklus den nötigen Impuls gibt, insbesondere für Small Caps, die in den letzten Jahren unter strukturellen Abflüssen gelitten haben. Erste Erholungstendenzen in den Flows des Russell 2000-Index deuten auf eine mögliche Stabilisierung hin, doch es ist entscheidend, dass diese Flows nicht wieder schnell abfließen. Die Entscheidung der Fed über das Ausmaß der Zinssenkungen, möglicherweise im September, wird ebenfalls von politischer Bedeutung sein, wobei eine moderate Senkung um 25 Basispunkte am wahrscheinlichsten erscheint. Insgesamt könnte eine stärkere Fokussierung auf die Verschuldungsthematik zu einer Neubewertung der Währungsmärkte führen, was wiederum Auswirkungen auf die Aktienmärkte hätte. Diese Dynamiken könnten den weiteren Verlauf der Outperformance von Mega-Cap-Unternehmen beeinflussen, insbesondere wenn sich die Flows in Richtung Small Caps und andere unterrepräsentierte Sektoren verlagern.
Entwicklung von grünem Wasserstoff problematisch
Wenig erfreuliche Nachrichten kommen aus dem Nachhaltigkeitssektor. Orsted, einst ein Vorzeigebeispiel in der europäischen ESG-Community, musste zuletzt eine ernüchternde Abschreibung auf sein Projekt zur Entwicklung von grünem Wasserstoff vornehmen. Die Industrie zeigt sich unwillig, langfristige Lieferverträge abzuschließen, was Orsted die Planungssicherheit raubt. Zudem sind die Projektkosten weit höher als erwartet, was das Geschäftsmodell untragbar macht. Diese Abschreibung reiht sich in eine wachsende Liste von Unternehmen wie Shell ein, die ihre Aktivitäten in diesem Bereich zurückfahren. Orsted zieht nun die Konsequenzen, bevor weiteres Kapital verschwendet wird, was auf eine Unterschätzung der wirtschaftlichen Herausforderungen in einer planwirtschaftlichen Denkweise hinweist. Dies erinnert an frühere Bedenken, dass grüne Wasserstoffprojekte, wie jene aus Ägypten, ohne massive Subventionen nicht tragfähig sind und keinen signifikanten Klimabeitrag leisten. Deutschland hat sich mit langfristigen Lieferverträgen an Ägypten gebunden und es gilt abzuwarten, wann diese Kosten zur Diskussion gestellt werden, wenn der Finanzminister, in welcher Koalition auch immer, kaum noch finanzielle Flexibilität hat, um beispielsweise die Schulen zu sanieren oder auch die Digitalisierung voranzutreiben.
Wir stehen für einen weiteren Austausch gerne zur Verfügung