Humortrainerin :
Ihr Beruf klingt schon komisch

Von Henrik Conlon, Kantonsschule Zürcher Oberland, Wetzikon
Lesezeit: 4 Min.
Lachen bringt Leichtigkeit - nicht nur im New Yorker Central Park, über dem diese Smiley-Ballons in die Luft stiegen.
Noémie Walser hat sich zur Humortrainerin ausbilden lassen. Humor ist eine Geisteshaltung, davon ist die Schweizerin überzeugt.
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Humor ist wie ein originelles Gegengewicht zum alltäglichen Griesgram, wie ein mentaler Stoßdämpfer“, sagt Noémie Walser aus Goldach. Die Dreiunddreißigjährige aus dem Kanton St. Gallen ist nebenberuflich Humortrainerin, spezialisiert auf Unternehmen im Sozialwesen und Gesundheitsbereich. Daneben arbeitet sie als Genesungsbegleiterin mit 60 Prozent in der sozialpsychiatrischen Institution Säntisblick in Herisau für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung. Da sie selbst Erfahrung mit psychischen Erkrankungen und Genesung gemacht hat, kann sie das gegenseitige Verständnis zwischen Professionellen und Klienten stärken.

Regeln der Komik und Charisma-Training

Durch ihre jugendliche Erscheinung in Turnschuhen und weiten Jeans wirkt Walser nahbar und offen. Sie mag auch gern mal einen flachen Witz, sagt sie. Im Internet stieß Walser 2020 auf eine Ausbildung zur Humortrainerin bei der Tamala Clown Akademie in Konstanz. Sie bewarb sich, da es ihr wichtig ist, andere in herausfordernden Situationen mit einer Prise Humor begleiten zu können. Zwei Jahre dauerte die Ausbildung. Walser hätte nicht gedacht, dass Humor so komplex ist. Schmunzelnd erinnert sie sich: „Macht man nicht einfach ein bisschen hihi und haha und gut ist?“ Die Inhalte sind breit gefächert: Regeln der Komik, Aufarbeitung der persönlichen Humorgeschichte, Charisma-Training oder medizinische Wirkung des Lachens. Die Auseinandersetzung mit Humor gehe sehr tief, man müsse sich intensiv mit sich selbst beschäftigen: Warum finde ich lustig, was ich lustig finde? Auf wessen Kosten gehen die Witze? Was kompensiere ich mit Humor? In der Ausbildung gab es eine Aufgabe, die Walser überraschte. Sie musste sich in einem Supermarkt an die Kasse stellen, all ihre Produkte unglaublich langsam aufs Band legen und genauso langsam bezahlen. Das Ziel war, den Studierenden klarzumachen, dass es „egal“ ist, wie man sich verhält. Die meisten Leute kümmere es nicht, und vor allem: „Das Leben geht weiter.“ Im ersten Jahr wird man zum Humor Practitioner ausgebildet. Man hat Basisfertigkeiten und kann Humor in den Alltag integrieren. Im zweiten Jahr kann man dann die Ausbildung zum Humortrainer/Humorcoach machen. Sie befähigt einen, in beruflichen Einsatzfeldern Humorimpulstage, -beratungen, -trainings oder -einzelcoachings zu leiten. Mit einer Kollegin bietet Walser nun Weiterbildungen für Teams aus den Bereichen Sozialpädagogik oder Gesundheit an. Gerade für Menschen, die sich in schwierigen Situationen befinden, könne Humor Schweres erleichtern und Druck abbauen. Dort sei es aber besonders wichtig, mit Humor behutsam umzugehen und niemanden zu verletzen. Dies zu erlernen brauche neben einer Grundbegabung eine vertiefte Auseinandersetzung damit, was Humor sei und wie er eingesetzt werden könne.

Schwarzer Humor als Bewältigungsstrategie

Wissenschaftler versuchen, Humor zu messen, etwa indem man Herz- oder Atemfrequenz misst. Mit Humor habe das wenig zu tun, findet Walser. „Für mich hat Humor nur bedingt mit Lachen zu tun. Humor ist eine Geisteshaltung und Lachen eine körperliche Reaktion. Es ist natürlich schön, wenn Humor zum Lachen bringt, aber es muss nicht so sein. Es geht vielmehr darum, dass Menschen glücklicher sind und sich wohler fühlen.“ Dazu brauche es einen wohlwollenden Einsatz von Humor, was nicht überall selbstverständlich sei. „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, „sei nicht so ernst“, „der hat keinen Humor“, „das war doch nur ein Witz“. All diese Sätze seien kein Zeichen für guten Humor. „Es gibt guten und schlechten Humor“, sagt Walser. Entscheidend sei, wie der Witz ankomme. Wenn man etwas nicht lustig findet oder sich daran stört, dass über eine Aussage gelacht wird, handele es sich um negativen Humor. Wenn sich etwa die Oma bei einer Familienfeier Wasser über die Hose schütte und der Onkel darüber lache, sei es nur dann wohlwollender Humor, wenn auch die Oma darüber lachen könne. Vor diesem Hintergrund erscheinen Sarkasmus und schwarzer Humor wie negativer Humor. Sie könnten jedoch als Bewältigungsstrategie dienen. „Studien haben gezeigt, dass in psychisch belastenden Berufen, bei der Feuerwehr oder im Rettungsdienst, viel Sarkasmus und schwarzer Humor im Team gebraucht wird, um das Erlebte zu verarbeiten.“ Da die Patienten nicht die Empfänger seien, sei es negativer Humor.

Alles wieder zuckerschnutig?

Humor einzusetzen, um das Gegenüber aufzuheitern, etwas Schwieriges anzusprechen oder eine Situation zu entlasten, brauche Fingerspitzengefühl und ein gutes Einfühlungsvermögen. Bei Walser merkt man rasch, dass sie das hat. Sie hört genau zu und findet die richtigen Worte für ihr Gegenüber. Mit ihrer leichtfüßigen Sprache bringt sie andere zum Lachen und regt zugleich zum Nachdenken an. Auf ihrer Website schreibt sie: „Im Jahr 1990 bin ich auf diese dicke Erdkugel gepurzelt. In meiner Jugend kam ich unter anderem mit Depressionen in Kontakt und wurde im Laufe des Lebens durch Krisen gesegnet.“ Oder auch: „Wir erwarten auch nicht auf alles eine Antwort oder kleben Hello-Kitty-Pflaster über seelische Schürfwunden und – zack – alles ist wieder zuckerschnutig.“ Abschließend erzählt sie ihren Lieblingswitz: „Warum lassen sich Taucher rückwärts ins Wasser fallen? Weil sie, wenn sie sich vorwärtsfallen lassen würden, ins Boot fallen würden.“

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