Regisseurin Angelika Zacek : „Die MeToo-Bewegung läuft sich nicht tot“
So ist es. Aber die Anwältin erlebt in ihrer neuen Rolle als Opfer und einzige Zeugin das Rechtssystem ganz anders. Die sehr niedrige Verurteilungsrate bei Sexualdelikten liegt natürlich an der Schwierigkeit, dass ein Übergriff nur schwer zu beweisen ist. Auf der anderen Seite ist das Stück „Prima Facie“ der australischen Autorin Suzie Miller ein Beleg dafür, dass Gesetze vorwiegend von Männern geschrieben wurden, die wenig wissen über Frauenkörper und psychologische Vorgänge vor, während und nach einer Vergewaltigung. Dissoziation, Sprachlosigkeit, Ängste, Aggression und Autoaggression, Traumatisierung, Schuldgefühle, Posttraumatische Belastungsstörung sind die Folgen von sexualisierter Gewalt. In einem Gerichtsverfahren auszusagen ist sehr anstrengend und führt zu einer Retraumatisierung. Das „Victim Blaming“ der Betroffenen, die sich ungern als Opfer bezeichnen lassen wollen, zeigt, wie tief Frauenfeindlichkeit im Unterbewusstsein sitzt.
Ja, leider wird die durch die MeToo-Debatte hervorgerufene wachsende Wahrnehmung für Übergriffe missbraucht. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung. Ein faires, rechtsstaatliches Verfahren ist unabdingbar.
Nein. Solange bei Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen und sexueller Nötigung in Partnerschaften die Opfer zu mehr als 95 Prozent weiblich sind, jeden dritten Tag in Deutschland eine Frau durch Gewalt in einer Beziehung getötet wird, solange kann nur von einem Anfang der MeToo-Debatte gesprochen werden. Der Fall Pelicot in Frankreich, also die massenweise Vergewaltigung einer bewusstlosen Frau durch anerkannte Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft, zeigt, wie drängend das Problem noch ist.
Bei allen möglichen, auch negativen Begleiterscheinungen: Die Bewegung hat offengelegt, wie tief sexualisierte Gewalt gegen Frauen in unserer Kultur verankert ist. Sie offenbart eine Gesellschaft, deren Bewusstsein für Übergriffigkeit langsam steigt. Auch der Mut und die Bereitschaft wächst, Missstände anzusprechen. Es wurden Anlaufstellen und externe Vertrauensstellen geschaffen, ein Verhaltenskodex platziert, Awareness-Konzepte beschlossen.
Nein. Allerdings ersetzt ein gesteigertes Bewusstsein nicht den Faktencheck und die gründliche Recherche.