WM-Kolumne „Katarstimmung“ : Auf dem Irrweg in Qatar
Dieser Weg – so heißt das Lied von Xavier Naidoo, das die deutsche Mannschaft bei der Fußball-WM im eigenen Land oft hörte. Der Weg 2006 war, wie besungen, kein leichter, er war steinig und schwer, aber er führte das Team von Jürgen Klinsmann seinerzeit nicht in den Abgrund, sondern immerhin auf Platz drei. Der Zeilen des Songs passen auch 16 Jahre später in Qatar.
Nicht nur für die Spieler, auch für alle anderen, die sich trotz der Umstände aufgemacht haben zur Reise ins Emirat und dort mit der ultramodernen Metro unterwegs sind. Die WM ist angepriesen worden als Turnier der kurzen Wege. Alle acht Stadien liegen in oder um Doha, die Entfernung zwischen nördlichster und südlichster Arena beträgt nur 75 Kilometer. Ein großes Fußballturnier nach dem kompakten Olympiaprinzip. Das bedeutet, so jubelt die FIFA, dass Fans und Journalisten auch mehrere Spiele am Tag live vor Ort sehen können. Dazu müssen sie nicht einmal Franz Beckenbauer heißen und per Hubschrauber von Arena zu Arena schweben.
Doch das Konzept hat nicht nur einen gewaltigen Haken. Mal geht er links rum, mal rechts rum. Schlagen müssen ihn alle, die etwa von der fahrerlosen Bahn im Untergrund chauffiert werden wollen. Geradeaus geht es selten.
Die Metrostationen sind umzingelt von Zäunen, die jeden Fahrgast in ein Labyrinth schicken, ehe er die paar Meter Luftlinie zum Eingang überwunden hat. Wer per pedes abkürzen möchte, dem wird von den allgegenwärtigen Helfen mit ihrem Riesenhandschuh und dem gestreckten Zeigefinger unmissverständlich und ohne Spur von Mitleid die einzig akzeptable Richtung gewiesen, auch wenn sie zunächst sinnlos erscheint.
Und wer Protest dagegen als Chance zur Abkürzung sieht, verlängert sein Leiden nur und befindet sich eh auf dem Irrweg. Eine Debattenkultur ist kaum verbreitet. Das kann auf die Stimmung schlagen, vor allem bei dem, der weit und breit der einzige ist, der hin- und herläuft. Aber wie ist es im Fußball? Für den Erfolg muss man auch Wege gehen, die wehtun. Qatar hat einen Weg gefunden, dieses Erlebnis nicht nur für die Profis auf dem Platz zugänglich zu machen.