Joshua Kimmich über EM : „Es ist wieder etwas zusammengewachsen“

Joshua Kimmich, Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, erinnert zum Jahresende an die Gespräche und das Schweigen nach dem EM-Aus gegen Spanien – und die Erkenntnis dieser Sommernacht.
Als Vater von vier kleinen Kindern fehlt Schlaf in jeder Nacht. Gar nicht zu schlafen kommt bei mir so gut wie nie vor. In diesem Sommer aber schon. In der Nacht nach dem Viertelfinale. Gegen Spanien. Dem für mich emotionalsten Länderspiel, das ich bislang bestreiten durfte. Und zu dem wir alle gerne noch mal antreten würden. Aber das geht nicht. Gut gespielt, alles reingehauen und trotzdem ausgeschieden. Zuhause. Bei der Heim-EM. Damit mussten wir alle erstmal umgehen.
Und da saßen wir dann und haben geredet. Manche sogar, bis es hell wurde und die ersten schon wieder zum Frühstück gekommen sind. Mit einer seltsamen Stimmung zwischen maximal enttäuscht und irgendwie besonders.
Es sind Freundschaften entstanden
Besonders war während der ganzen Zeit vor allem unser Miteinander. Jeder hat sein Ego zurück- und sich selbst in den Dienst der Mannschaft gestellt. Wir waren fokussiert, aber dennoch irgendwie entspannt. Wir haben hart gearbeitet und trotzdem Spaß gehabt. Während der Busfahrten, im Hotel vor den Spielen und vor allem in unserem eigenen kleinen Zuhause in Herzogenaurach. Wir haben viel Zeit gemeinsam verbracht, zusammen die Spiele geschaut und einige von uns sogar ihren grünen Daumen entdeckt.
Und es sind Freundschaften entstanden. Unsere Familien haben uns zwischen den Spielen besucht und unterstützt. Ich bin dankbar, dass sie diese Stimmung miterleben und Teil der Gruppe sein konnten. Sie können jetzt besser verstehen, was diesen Spirit bei der Nationalmannschaft ausmacht und warum wir alle unbedingt ein Teil davon sein wollen.
Natürlich konnten wir all diese Momente nur genießen, weil wir auch auf dem Platz als Mannschaft funktioniert haben, alle immer davon überzeugt, dass was Großes möglich ist. Die Stimmung im Land hat uns getragen. Die Bilder der Fanmärsche haben uns gepusht.
Bei jedem unserer Spiele hat die Hütte gebrannt: in München, Frankfurt, Dortmund und Stuttgart. Die Emotionen, das Adrenalin, das Gefühl, in diesen Momenten im Trikot für Deutschland auf dem Rasen zu stehen, das kann man mit Worten nicht beschreiben. Ich zumindest nicht.
Diese letzte Nacht, mit der Enttäuschung des Ausscheidens, ohne Schlaf, mit vielen Gesprächen und auch viel Schweigen, hat mir geholfen zu verstehen, dass wir dieses Turnier nicht auf das sportliche Ergebnis reduzieren dürfen.
Es ist wieder etwas zusammengewachsen. Zwischen uns als Mannschaft und gefühlt dem ganzen Land. So wie ich es als Kind erlebt habe. So wie es sich richtig anfühlt und so wie es sein sollte. Dieses Gefühl habe ich mitgenommen. Genau deswegen erinnere ich mich mit einem Lächeln zurück an diesen Sommer. Und auch mit ein bisschen Stolz.