Judo : Die Frauen haben allen Grund zum Lächeln
Es soll immer noch den einen oder anderen geben, der Frauen auf der Matte ein bißchen belächelt. Warum eigentlich? Seit einigen Jahren haben die Spitzenathletinnen im Deutschen Judo-Bund (DJB) ihren männlichen Kollegen den Rang abgelaufen. "Auf unsere Frauen ist immer Verlaß", lautete die Botschaft des DJB-Präsidenten Peter Frese auch bei der Europameisterschaft in Düsseldorf, wo die deutschen Frauen mit einem ersten, einem zweiten sowie zwei dritten Plätzen wieder einmal besser abschnitten als ihre männlichen Kollegen, die zweimal Dritte wurden. Weil aber trotz aller Podestplätze längst noch nicht jedermann zu den Frauen aufschaut, arbeitet der Verband kräftig daran, seinen Athletinnen zu mehr Anerkennung zu verhelfen. Weil die Sportlerinnen, die nur dreißig Prozent der im Verein aktiven Judoka ausmachen, an der Basis oft nachrangig gefördert werden, hat der DJB in diesem Jahr "Mädchen und Frauen im Judosport" als Schwerpunktthema ausgerufen. "Männer-Judo ist kraftvoller, vielleicht etwas dynamischer", sagte DJB-Vizepräsidentin Michaela Engelmeier, "aber Frauen-Judo sieht eleganter aus." Und vor allem: Es ist auf höchstem Niveau erfolgreicher.
In Düsseldorf haben die deutschen Judoka die Chance genutzt, beste Eigenwerbung zu betreiben. Bereits nach zwei von drei Wettkampftagen hatten sie wider Erwarten jenes Ziel erreicht, das der Verband für das gesamte Turnier ausgegeben hatte: "Zwei bis drei Medaillen bei den Frauen, mindestens eine bei den Männern" hatte der DJB-Cheftrainer Manfred Birod gefordert. Weil aber Katrin Beinroth am Freitag in der offenen Kategorie den EM-Titel gewann und Stefan Tölzer in der selben Klasse bei den Männern Dritter wurde, und tags drauf Heide Wollert (Zweite in der Klasse bis 70 Kilogramm) und Florian Wanner (Dritter im 81-Kilogramm-Limit) schnell das Soll erfüllt hatten, galt der Sonntag nur als "erfolgreiche Zugabe", wie der Cheftrainer betonte. Nach Jenny Karl (bis 78 Kilogramm) erreichte auch die als Mitfavoritin gestartete Schwergewichtlerin Sandra Köppen den dritten Rang. "Das gibt Seltbewußtsein für Trainer und Aktive", bilanzierte Verbandspräsident Frese und hatte vor allem die Männer im Sinn, die seit Daniel Gürschners Erfolg vor fünf Jahren keinen EM-Titel mehr gewinnen konnten. Die Stimmung unter den Männern wurde am Sonntag aber durch das frühe Aus des WM-Dritten Frank Möller sowie der Niederlage von Daniel Gürschner (100 Kilogramm) im Kampf um Platz drei getrübt.
Das insgesamt positive Abschneiden hatte sich angebahnt, als zwei junge Kaderathleten dem Druck vor heimischen Publikum in der Philipshalle standhielten und ihren etablierten Kollegen früh die Last nahmen, gewinnen zu müssen. "Katrin Beinroth ist die Schuldige, Stefan Tölzer hat die Lawine losgetreten", lobte Cheftrainer Birod die beiden 21 Jahre alten Judoka. Ihr Auftreten läßt umso mehr für die Zukunft hoffen, weil sie sich nur eingeschränkt vorbereiten konnten. Tölzer hatte im Februar vorigen Jahres einen Kreuzbandriß erlitten und knapp ein Jahr nicht trainieren können; Katrin Beinroth erfuhr erst drei Wochen vor der EM, daß sie für Katja Gerber in der Einzelkonkurrenz starten würde. Sie vertrat die am Knie verletzte Titelverteidigerin ebenso erfolgreich wie Heide Wollert, die ebenfalls als EM-Debütantin auf Anhieb den Sprung ins Finale schaffte. "Es bahnt sich eine Wachablösung an", sagte Birod.
Zunächst müssen die erfolgreichen Athletinnen aber noch hinten anstehen. Heide Wollert rückt zurück ins zweite Glied, wenn sich ihre interne Konkurrentin Annett Böhm bis zur WM in Osaka im Herbst von ihrer Knieverletzung erholen sollte. Für die 120 Kilogramm schwere Katrin Beinroth stellen Sandra Köppen und Katja Gerber bis auf weiteres schier unüberwindliche Hindernisse dar. Doch so leicht lassen sich die Frauen nicht unterkriegen, weiß der Cheftrainer. Während Männer gerade im Juniorenalter eine geringe Frustrationsgrenze haben und nach Rückschlägen oft aufgeben, stellen sich Frauen früh "die Sinnfrage": "Sie entscheiden sich sehr bewußt dafür, den als männlich geltenden Wettkampfsport zu betreiben", erklärt Birod. Kein Wunder also, daß sie auf der Matte so oft Grund zum Lächeln haben.