Radprofi John Degenkolb : „Ich hätte Rotz und Wasser heulen können“

Auch für John Degenkolb war das Jahr 2020 ein besonderes. Im Interview blickt der Radprofi zurück auf das Aus bei der Tour de France gleich nach der ersten Etappe, die Corona-Krise und sein Trainingslager auf Mallorca.
Natürlich war es super deprimierend und frustrierend. Am Flughafen von Nizza hätte ich Rotz und Wasser heulen können. Nun habe ich in den vergangenen Jahren einige Rückschläge erlitten. Ich habe das Gefühl, dass mir das erleichtert hat, dieses große Pech bei der Tour besser zu verkraften. Quasi den Weg zurück zu alter Stärke abzukürzen.
Indem ich die Tour sofort hinter mir gelassen habe und mich nur auf die Gesundung meiner Knieverletzung fokussiert habe. Zwei Wochen später bin ich schon wieder Radrennen gefahren und habe auch eines gewonnen. Auch wenn es ein eher kleineres Event war, hat das mir und dem Team sehr gut getan. Ich bin dann bei allen zur WorldTour gehörigen Klassikern in die Top 10 gefahren.
Die Situation allgemein im Radsport ist spannend, die Budgets sind um einiges zurückgegangen. Und vor diesem Hintergrund ist schon Druck vorhanden. Ich möchte weiterhin Radprofi sein und empfinde eine gute Gelassenheit gerade. Zumal ich mit guten Ergebnissen und einem sehr guten Gefühl in den Winter gegangen bin. Ich mache mich mit Blick auf die Zukunft nicht verrückt.
Bis auf Paris–Roubaix konnten die meisten wichtigen Rennen im Herbst nachgeholt werden und sind ohne Probleme über die Bühne gegangen. Ich sehe dies als gelungene Generalprobe für die Rennen auf ihren angestammten Terminen im kommenden Frühjahr. Wichtig wird bleiben, dass sich die Zuschauer weiter an die Regeln halten und weitestgehend wegbleiben von den Strecken. Das hat gut geklappt. Man muss sich vorstellen, welchen Einschnitt es für die Belgier beispielsweise bedeutet, nicht zur Flandern-Rundfahrt gehen zu können. Das Rennen ist dort ein Kulturgut.
...das Training auf Mallorca war nötig, um die Vorbereitung auf das Frühjahr so professionell wie möglich absolvieren zu können. Die Belastungstests, die auf dem Trainingsplan standen, konnte ich dort weitaus angenehmer und zielgerichteter durchführen – einfach weil es wärmer war. Die Werte wären zu sehr verfälscht worden, wenn ich sie im heimischen Taunus mit Mütze, Handschuh und Thermojacke absolviert hätte.