Reports zu Missbrauch : In der Sportfalle

Das globale Ausmaß sexueller Gewalt ist nicht nur im Fußball groß. Wer keine Strukturen schafft, um den Missbrauch effektiv zu bekämpfen, macht sich mitschuldig. Es ist Zeit zu handeln – jetzt!
„Auf den Fußball – und ich denke: den Sport im Breiteren – rollt eine Welle der Enthüllungen zu. Die Dunkelziffer ist meiner Ansicht nach beängstigend hoch.“ Das sagte vor wenigen Tagen Jonas Baer-Hoffmann, der Generalsekretär der Fußballspielergewerkschaft FIFPRO. Seine Organisation hat einen Report vorgelegt, der keinen Zweifel daran lässt, wie sehr das Milieu des beliebtesten Sports der Welt zum Missbrauch von Fußballspielerinnen und Fußballspielern einlädt.
Die in jüngster Zeit bekannt gewordenen Fälle, in Australien, Spanien, den Vereinigte Staaten, in Argentinien, Venezuela, Haiti, Sierra Leone, Island, Afghanistan und Kanada belegen das globale Ausmaß sexueller Gewalt im Fußball. Die Disbalance der Macht im Spiel öffnet den Tätern oft ein freies Feld. Der Fußball ist Sprungbrett aus der Armut, für Jungen zumal. Mädchen und Frauen wird, vor allem, wo es keine professionellen Strukturen gibt, Geld oder Spielzeit versprochen – gegen sexuelle Gefälligkeiten.
Auch in professionellen, reichen Sportsoziotopen bleiben Täter über Jahre unerkannt, unbenannt, unbehelligt. Die globale Kultur des Schweigens ist längst nicht nur dem Fußball immanent, wie der zehn Jahre zurückliegende Missbrauch bei den Chicago Blackhawks in der NHL zeigt. Eine Vielzahl der Reaktionen dort zeigt, was auch der FIFPRO-Bericht beklagt: Mit den heutigen Strukturen sind sie nicht angemessen aufzuklären.
Täter und Mitwisser arbeiten weiter
Im Gegenteil: Maßnahmen der Verbände sollen zu oft eigene Reputationsschäden minimieren. Sie verhindern, dass sich Opfer zu Wort melden, und drohen diese, sollten sie Mut schöpfen, über ihr Leid zu sprechen, sogar zu retraumatisieren, während Täter und Mitwisser längst anderenorts weiterarbeiten.
Viel spricht also dafür, dass nicht nur Opfer in unabsehbarer Zahl zu Fällen aus der Vergangenheit schweigen, sondern dass auch heute Menschen in Profiklubs und Amateurvereinen missbraucht werden, auch in Deutschland. Der nun veröffentlichte Zwischenbericht der Universitäten Ulm und Wuppertal zur deutschlandweit größten Studie zu sexualisierter Gewalt im Sport zeigt: je professioneller die Sportler, umso wahrscheinlicher die Gewalterfahrung.
Teil des auch von FIFPRO beklagten Unwissens um die Dimension des Problems ist die Vorstellung, dafür sorgen zu können, dass es im Sport keinen Missbrauch mehr geben wird. Der Sport wird Täter weiterhin anziehen. Wer aber nicht Strukturen schafft, die unabhängige Aufklärung ermöglichen, die Opfern Sicherheit vermitteln, ihnen Mut machen, zu sprechen, macht sich mitschuldig. Die künftigen Regierungsparteien im Bundestag haben sich für die Einrichtung eines Zentrums für Safe Sport ausgesprochen, wie es Athleten Deutschland fordert und der Deutsche Olympische Sportbund bislang abgelehnt hat. Auch hier gilt: Jeder Tag zählt.