Rempler auf der Tour de France : Sagan droht das Ende des Grün-Abos
Das Communique der Kommissäre umfasste elf Ziffern, beinhaltete drei Strafen und ließ die schmerzhafteste Konsequenz für Peter Sagan doch unerwähnt. In Fall 10005460373 urteilten die Regelhüter der Tour de France über Sagans Rambo-Sprint auf der elften Etappe: Eine Strafversetzung auf Platz 85, 500 Franken Geldstrafe und 13 Punkte Abzug in der Sprintwertung sprachen sie aus – und leiteten damit womöglich das Ende einer Ära ein.
Seit 2012 stand der Slowake siebenmal im Grünen Trikot auf dem Podium in Paris. Seine Serie war nur kurzzeitig unterbrochen, als er 2017 disqualifiziert wurde – ebenfalls nach einem Vorfall im Sprint, bei dem sich Rivale Mark Cavendish die Schulter brach. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass Sagan in diesem Jahr erstmals die französische Hauptstadt erreicht und bei der Siegerehrung auf den Champs Elysees nur Zuschauer ist.
Noch gibt sich der dreimalige Weltmeister nicht geschlagen. „Ich habe das Grüne Trikot noch nicht aufgegeben“, sagte Sagan.
Am Mittwoch hatte der Star der deutschen Mannschaft Bora-hansgrohe den Belgier Wout Van Aert (Jumbo-Visma) gefährlich und regelwidrig bedrängt. Den zweiten Platz verlor er ebenso wie die 30 Punkte in der Sprintwertung, die er dafür erhalten hätte. Addiert mit der Strafe der Jury büßte der 30-Jährige also stolze 43 Punkte ein.
„Ein großer Rückschlag“
Sein Rückstand auf den Iren Sam Bennett (Deceuninck-Quick Step) war vor der zwölften Etappe am Donnerstag nach Sarran auf 68 Zähler angewachsen. „Das ist natürlich ein großer Rückschlag“, sagte Boras Sportlicher Leiter Enrico Poitschke und wurde deutlich, „man muss nicht mehr über das Grüne Trikot nachdenken.“
Öffentlich wehrt sich Sagan gegen diese Sichtweise. Am ersten Ruhetag gab er sich betont gelassen. Er habe überhaupt keinen Druck, sagte er, denn „ich habe ja schon sieben Grüne Trikots gewonnen.“ Trotzdem ist der Druck der Konkurrenz ein anderer als in den Vorjahren, auch die lange Durststrecke - Sagan wartet seit dem 10. Juli 2019 auf einen Sieg - zehrt offenbar an den Nerven.
Sagan hat seine Dominanz eingebüßt. „Man hat das schon in den letzten Jahren gesehen, das ist der Zahn der Zeit, dass er nicht mehr so explosiv ist“, sagte Bora-Teamchef Ralph Denk zuletzt dem SID.
Begehrtes Jersey
Das begehrte grüne Jersey, wie die flotten Sprüche oder der Bergauf-“Wheelie“ längst eines der Markenzeichen des Radsport-Rockstars, dürfte bis auf Weiteres von seinen Schultern verschwunden sein. Die Fans müssen sich umgewöhnen.
Wenn das Peloton über Frankreichs Straßen rollt, empfangen sie am Streckenrand den Mann in Grün mit „Sagan“-Rufen - ob er es nun trägt oder nicht. Seine Erfolge und der Hang zur Show machen ihn unglaublich populär.
Sagans Oberkörper ziert ein Selbst-Tattoo, stilistisch angelehnt an den Batman-Bösewicht Joker, gestochen in sportlich besseren Zeiten. „Why so serious?“, steht mit schwarzer Tinte auf seiner Haut geschrieben, zu deutsch: „Warum denn so ernst?“ Zu Späßen ist Sagan in diesen Tag nicht aufgelegt.