New York Fashion Week: Alle würden gerne Kamala Harris einkleiden

Für den Abend vor 25 Jahren, an dem Gwyneth Paltrow einen Oscar gewann, hatte ihr Michael Kors ein Abendkleid entworfen. Es passte und sah gut aus. Hoffnungsvoll saß der Modemacher vor dem Fernseher. Aber als ihre Limousine vorfuhr, sah er, wie die Schauspielerin ein Bein herausstreckte – und ein rosafarbenes Kleid von Ralph Lauren trug. Die Anekdote erzählt Michael Kors bei einer kleinen Vorschau auf seine Kollektion für Frühjahr und Sommer 2025 an seinem Hauptsitz am Bryant Park. Denn von dem Fünfundsechzigjährigen, der Kamala Harris schon oft ausgestattet hat, will man natürlich wissen, wie es um die demokratische Präsidentschaftskandidatin steht: Wird er sie auch in Zukunft einkleiden? Kann die Mode der Politik helfen? Da wird der leutselige Modemacher einsilbig. „Für mich ist es eine große Ehre, Kamala einzukleiden“, sagt er. Sie trage seine Kleider schon seit Langem, er kennt sie noch aus ihrer Zeit in San Francisco. „Für Politikerinnen ist es schwierig, eine Balance zu finden, besonders wenn man Mode liebt“, sagt er. „Wenn man sie zu sehr liebt, sagen die Leute was, und wenn man sie nicht genug liebt, werden sie auch etwas sagen. Aber sie braucht nicht viel Rat, sie weiß selbst, was ihr steht.“ So spärlich die Auskünfte, so klar die Haltung. Bei der New York Fashion Week, die am Donnerstag nach einer Woche endete, ging es nicht nur um die üblichen Eitelkeiten einer selbstverliebten Branche – sondern um eine politische Mobilisierung, wie sie die Modeszene noch nie erlebt hat. Viele Designer und Redakteurinnen gingen sogar frühmorgens zu einer Kundgebung unter dem Motto „Fashion for Our Future“, zu der auch First Lady Jill Biden kam. Kors sagt, er sei vor allem dabei gewesen, um junge Wähler zu mobilisieren – sie seien oft unbekümmert und wüssten gar nicht, dass man sich für die Wahl registrieren lassen muss. Die Designer fürchten den Model-Fan Donald Trump, stehen hinter Kamala Harris – und buhlen um deren Stieftochter Ella Emhoff, die denn auch öfters ihre Downtown-Vibes zur Schau stellt. Auf die Kollektionen schlägt die politische Spannung in den Vereinigten Staaten nicht direkt durch. Aber die vielen Kriege und weltpolitischen Konflikte könnten schon hinter der geradezu eskapistischen Weltflucht stehen, die in vielen Kleidern im wahren Sinne mitschwingt. Weite, weiße Blusen, bestickte Glockenröcke, Zopfstrickpullover, Regattajacken: So lässt sich auch der Sommer 2025 beim Segeln mit anschließendem Cocktailempfang in den Hamptons durchstehen. Mode für die „happy few“ schließt ja zum Glück nicht aus, dass die Marken die Menschheit mit nicht mehr ganz so exklusiver Ware auch im Outlet-Center beglücken. Vor allem die Milliardäre unter den Designern, Ralph Lauren und Michael Kors, entwerfen himmlisch entrückte Mode mit überirdischen Models. Die mutmaßlichen Fast-Milliardäre Tory Burch und Tommy Hilfiger folgen den beiden auf dem Fuß, aber geben sich bodenständiger. Hilfiger erzählt vor seiner Modenschau auf einer ausgemusterten Staten-Island-Fähre, dass er immer wieder von Elmira träumt, wo er vor einem halben Jahrhundert in seinem Laden „People’s Place“ als Schlaghosenverkäufer langsam seine Weltkarriere begann. (Noch in seinen Dreißigern musste er in der New Yorker U-Bahn aus Geldmangel über die Drehkreuze springen.) „Ja, ich träume noch heute manchmal von meinen Schulfreunden, von meinem Footballteam, meinem Basketballteam. Wir haben nie gewonnen, wir waren die Verlierer.“ Bringt er womöglich deshalb so viel Sportliches in seine Mode? Um seine jugendlichen Traumata zu überwinden? Oder ist es einfach so, dass Sportlichkeit hier eine Tugend ist wie anderswo „Eleganz“? Man muss schon reich sein in New York, sollte aber den Preppy-Look nicht übertreiben. Vor allem Coach-Designer Stuart Vevers – der als Brite anders tickt – bricht den Look mit „pre-loved“-Entwürfen, also Wiederverwertetem. Er will nicht, dass T-Shirts und Chinos den amerikanischen Traum bedienen, wie er nach der Schau sagt, „sondern dass sie zur heutigen amerikanischen Wirklichkeit sprechen“. „Kamala Harris weiß, wie man Hosenanzüge trägt“ So weit würde Tory Burch nicht gehen, die den Ostküsten-Geldadel perfekt personifiziert. Aber auch die Achtundfünfzigjährige, die vor 20 Jahren klein in Nolita begann, setzt mit plissierten Seidenjersey-Röckchen, bestickten Badeanzügen als Bodys, leichten Wildlederhosen und markanten Farbkombinationen auf Dynamik. „Sport bedeutet Freiheit, Bewegung, Formen, Farben“, sagt sie nach der Schau. Wäre ihre Mode auch etwas für Kamala Harris? „Ich würde sie sehr gern einkleiden. Sie ist sehr chic, und sie weiß, wie man Hosenanzüge trägt.“ Warum nicht auch mal ein Seidenkleid mit Wasserfallausschnitt oder Stufenvolants? Die New Yorker Modewoche verbreitet trotzdem nur matte Aufbruchstimmung. Die Luxusbranche wächst nicht mehr stark, der Schauenplan ist löchrig, viele Modemacher wie Ralph Lauren oder Marc Jacobs zeigen „off calender“. Der Council of Fashion Designers of America (CFDA) muss ein Zusammengehörigkeitsgefühl erschaffen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken wie die London Fashion Week. Auf den CFDA-Chairman Thom Browne müsste ein Vorsitzender folgen, der die Eitelkeiten einfängt. Wenn in Mailand sogar Dolce & Gabbana und Giorgio Armani auf einem Plan stehen, dann kann so etwas auch in Manhattan möglich sein. Denn die Grundlagen sind da – von Carolina Herrera, die durch Designer Wes Gordon frisch interpretiert wird (und mit 85 Jahren noch kerzengerade in der ersten Reihe sitzt), über Anna Sui, die eine witzige Retro-Kollektion vorstellt, bis zu Jason Wu, Prabal Gurung und Phillip Lim, die vor zwei Jahrzehnten mit einer Welle von „Asian-Americans designers“ begannen und weiter durchhalten. Von den anderen asiatischstämmigen Modemachern ist nicht mehr viel zu sehen. Derek Lam hat sich sogar ganz aus seinem Label zurückgezogen und arbeitet nun mit seinem Partner Jan-Hendrik Schlottmann in Europa an dessen neuer Marke Câllas Milano. Aufgefrischt wurde die Modewoche von zwei Europäern am letzten Tag. Ronald van der Kemp feierte amerikanisch-kunterbunt zehn Jahre seiner Recycling-Couture. Der erste Look: ein Model in Upcycling-Jeans und weißem T-Shirt, mit Applikationen der amerikanischen Flagge und einem Sternenbanner als langer Schleppe. Der United States Flag Code, der solche Experimente verbietet, scheint ihn nicht zu schrecken. „Sicher, das ist etwas heikel“, sagt der Niederländer, der in den Neunzigern in New York lebte. „Aber ich habe das schon getan, als Obama gewählt wurde. Für mich ist das etwas Positives, es geht ja um Freiheit.“ Auf durchsichtige Symbolik baut Melitta Baumeister nicht. Zum ersten Mal seit der Gründung ihrer Marke vor zehn Jahren zeigt sie wieder eine Modenschau. Die Deutsche, die in Pforzheim studierte, lebt zwar seit Langem mit ihrem Partner in New York (das Studio ist in Long Island City), aber ihr ganz eigenständiges Design ist wegen der starken Formensprache mit vielen skulpturalen Wölbungen weit weg vom amerikanischen Mainstream. Kann man das tragen? Die Frage beantwortet Nina Hollein mit dem Melitta-Baumeister-Kleid, in dem sie in der ersten Reihe sitzt. Die österreichische Designerin sieht in einem der typischen Faltenkleider, das weich um den Körper fließt, phantastisch aus. Eine der größten Herausforderungen der Modebranche, nämlich viele Größen anbieten zu müssen, überwindet Baumeister mit den variablen Silhouetten spielend. Ihr Motto, sagt die Designerin und lacht: „You bring the body, we bring the shape.“ Ihre Größe passt einfach allen.