Omnichannel-Marketing – Utopie oder realistische Perspektive?

Omnichannel-Marketing – Utopie oder realistische Perspektive?

Siegfried Radspieler ist Senior Business Expert im Center of Excellence für Customer Intelligence bei SAS. In dieser Funktion berät er Firmen in der DACH-Region bei der Entwicklung von Einsatzfeldern moderner Marketing- und Customer Intelligence Lösungen.

SSL: Viele Fachdiskussionen im Marketing drehen sich heute um Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf das Marketing- bzw. Kundenmanagement. Gefühlt wird alles schneller, komplexer und undurchsichtiger – insbesondere für die Werbetreibenden. Am Ende jeder Kampagne muss aber immer häufiger ein (im Idealfall vertrieblich) messbares Ergebnis stehen. Also mehr Komplexität einerseits, zugleich aber steigende Anforderungen an Transparenz und Steuerbarkeit andererseits. Wie passt das zusammen?

SRA: In der Tat kann die stetig wachsende Anzahl neuer Kanäle, Kontaktpunkte und Werbeformate die Komplexität erhöhen. Ich empfehle meinen Kunden deshalb, vorrangig auf die Kanäle und Maßnahmen im Marketing zu fokussieren, die sich klar messen lassen – bzw. auf deren Messbarkeit hinzuarbeiten. Zusätzlich bietet sich an, eine zentrale Marketingplattform zu betreiben, über die alle Entscheidungen für die Kommunikation gesteuert werden. Die Bündelung von Analytik (im Sinne intelligenter Entscheidungen) und Automatisierung (= kurze Reaktionszeiten und Skalierbarkeit) schafft hier erhebliche Mehrwerte. Dies stellt sicher, dass die Komplexität beherrschbar bleibt und eine konsistente Botschaft über alle Kanäle gesteuert wird.

SSL: Omnichannel beschreibt den Anspruch, Kundennähe und konsistente Ansprachen auf allen Kanälen bzw. über alle Kontaktpunkte einer Customer Journey hinweg zu erzielen. Ist das mit den vorhandenen Prozessen und Infrastrukturen machbar?

SRA: Dies ist bei jedem meiner Kunden anders. Idealerweise existiert (leider eher selten) ein zentraler Kunden-Mart mit allen verfügbaren Informationen aus sämtlichen Kanälen oder wird innerhalb eines Projekts entwickelt. Darauf lassen sich dann existierende Prozesse bei Bedarf anpassen oder neu definieren. Vorhandene Infrastrukturen lassen sich normalerweise relativ problemlos für klassisches Batch-getriebenes Marketing (i.d.R. tagesweise bzw. über Nacht erfolgende Neuberechnung von z.B. kundenspezifischen Angeboten) integrieren. Anders sieht es bei den neuen Hypethemen „Realtime Decisioning“ und „Event Stream Processing“ aus. Hier ist in der Regel noch keine Infrastruktur vorhanden und muss erst aufgebaut werden. Schnittstellenthematiken treten bei solchen Projekten regelmäßig auf, aber da haben wir große Erfahrungen und finden immer eine Antwort.

SSL: Die gleiche Frage noch einmal aus Sicht des Konsumenten: Ist das überhaupt realistisch, Kunden lückenlos in ihrem Alltag zu begleiten?

 SRA: Meines Erachtens nach werden vor allem die Unternehmen dauerhaft erfolgreich am Markt sein, die dies schaffen. Ob lückenlos oder nicht – entscheidend ist vor allem, die vorhandenen Daten und Erkenntnisse über Kunden für eine optimale Ansprache zu nutzen. Dass das möglich ist, zeigen viele aktuelle Beispiele unserer Kunden, vor allem aus dem B2C-Umfeld. Welcher Konsument verhält sich schon loyal zu einem Unternehmen, das es nicht schafft, konsistent, bequem und relevant auf seine Bedürfnisse einzugehen? Der nächste potentielle Shop ist nur einen Klick entfernt. Die große Kunst besteht meiner Meinung nach darin, die Einwilligung des Kunden zur Verwendung seiner Daten zu gewinnen, wie man sie für ein erfolgreiches Marketing benötigt – frei nach dem Motto geben und nehmen. Wenn ich als Kunde das Gefühl habe, dass ein Unternehmen die Informationen, die es von mir bekommt, auch sinnvoll und in Maßen für eine für mich relevantere Kommunikation nutzt, dann bin ich auch gerne bereit zu geben. Andererseits bin ich auch ganz schnell weg oder verweigere mich, wenn ich das Gefühl habe, dass ein Anbieter nicht auf mich als Person eingeht. 

SSL: Mal eine Frage in Richtung Projektmanagement: Ein B2C-Anbieter möchte seine Multi- oder Omnichannel-Fähigkeiten verbessern. Worauf fällt bei Euch, den Business Experten, typischerweise als erstes der Blick?

SRA: Welche Infrastruktur und Prozesse sind heute gegeben? Wo besteht heute der größte „Schmerz“ und wo lassen sich sinnvoll und schnell Erfolge erzielen? Denn nicht jedes Thema ist für jeden Kunden gleich geeignet. Oft stehen auch zunächst eher unspezifische Anforderungen im Raum (z.B. „Wir wollen in den digitalen Kanälen agiler werden“), die wir dann gemeinsam mit den Fachverantwortlichen konkretisieren und bewerten.

SSL: Wer schnelle Ergebnisse braucht, hat keine Muße für langwierige Projekte – wie vermeidet man den Overkill und sorgt für rasch vorzeigbare Ergebnisse?

SRA: Die Projekte müssen Sinn machen und auf die Unternehmensstrategie passen. Ich empfehle meinen Kunden in aller Regel keinen Big-Bang-Ansatz, sondern in überschaubarem Projektrahmen dort zu starten, wo am schnellsten Resultate sichtbar werden. Anschließend kann man dann Schritt für Schritt weitere Themen erschließen und umsetzen. Der wichtigste Punkt ist und bleibt meines Erachtens eine Lösung, die flexibel erweiterbar und zentral steuerbar ist.

Aktueller Medientipp:
Webinar "Omnichannel-Marketing. Alle Kanäle. Eine Entscheidung."
Alessandra Schmidt

Curious how to use digital marketing and social media? | Global Digital Campaign Manager at SAS

8 Jahre

Sehr interessant

Christian Friege

Member of Executive Board EWE AG

8 Jahre

Hallo Herr Stahl, sehr interessant. Nicht erstaunlich, dass SAS da eine "cutting edge" Daten-Lösung verfolgt. Meine Praxiserfahrung ist häufig etwas ernüchternder: CRM hat noch nicht jeder, selbst wenn man Mehrkanalstrategien verfolgt. Siehe z.B. in: Friege, C. Direktvertrieb in Mehrkanalstrategien. Wiesbaden: SpringerGabler 2016...

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