Warum die Märkte trotz Unsicherheiten steigen: Ein Blick auf Jackson Hole und darüber hinaus

Warum die Märkte trotz Unsicherheiten steigen: Ein Blick auf Jackson Hole und darüber hinaus

Unser Chief Investment Officer Harald Sporleder und das Portfoliomanagement-Team befassen sich tagtäglich mit der Entwicklung der Kapital- und Finanzmärkte. Lingohr Asset Management präsentiert Ihnen wöchentlich eine Zusammenfassung von Harald Sporleders „CIO-Gedanken am Morgen“ und versorgen Sie damit mit den wichtigsten Informationen aus der Value-Welt!


Value Kompakt: Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

  • Diskrepanz zwischen Märkten: Anleihenmärkte erwarten Rezession, Aktienmärkte hoffen auf ein „Soft Landing“.
  • Jerome Powells Unterstützung: Fokus auf stabile Arbeitsmärkte und Annäherung an Inflationsziele, was die Märkte stützt.
  • PMI-Daten: Frankreich boomt, während Deutschland mit Rückgang und strukturellen Herausforderungen kämpft.
  • Energiebedarf für AI: Der wachsende Stromverbrauch stellt hohe Anforderungen an erneuerbare Energien und Stromnetze.
  • Langfristige Unsicherheiten: Kapitalmärkte bleiben volatil, besonders durch politische und wirtschaftliche Herausforderungen.


Beim jährlichen Treffen der US-Notenbanker in Jackson Hole gab es trotz großer Erwartungen kaum signifikante Ankündigungen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Aktienmärkte weiterhin ansteigen und insbesondere die großen Technologieunternehmen an Momentum gewinnen. Die Erwartung einer aggressiven Zinssenkung in den kommenden zwei Quartalen wird von einigen als Hinweis auf eine bevorstehende Rezession interpretiert, was eine Diskrepanz zwischen den Einschätzungen von Anleihen- und Aktienmarktteilnehmern aufzeigt. Während Anleihespezialisten eine deutliche wirtschaftliche Abkühlung erwarten, gehen viele Aktienmarktanleger von einem sogenannten „Soft Landing“ aus, bei dem die Wirtschaftsanpassungen mild und ohne drastische Auswirkungen erfolgen. Diese unterschiedlichen Perspektiven spiegeln eine wiederkehrende Unsicherheit wider, die seit der Finanzkrise immer wieder zu beobachten ist. Trotz dieser Unsicherheiten wird erwartet, dass die Aktienmärkte weiter zulegen, sollten die Zinsen tatsächlich schnell gesenkt werden.

Die jüngsten Aussagen von Jerome Powell, dem Vorsitzenden der US-Notenbank (Federal Reserve), wurden als Unterstützung für die Aktienmärkte interpretiert. Powell betonte die Notwendigkeit einer Anpassung der Fed-Politik und sicherte zu, alles Notwendige zu tun, um den Arbeitsmarkt stark zu halten. Obwohl eine Abschwächung des Arbeitsmarktes nicht begrüßt wird, zeigte er Zuversicht, dass die Inflation sich dem Ziel von zwei Prozent nähert. Diese Äußerungen deuten auf eine veränderte Risikoeinschätzung der Fed hin, die darauf abzielt, einen weiteren Abschwung zu vermeiden.

Während Frankreich ein Sommerhoch erlebt, sinken die deutschen PMI-Indizes ab

Die Produktivität fällt in verschiedenen Regionen unterschiedlich stark, was zu Ungleichgewichten führt und die Frage aufwirft, warum manche Gebiete mehr Kapital anziehen als andere. Niedrige Produktivität, die durch gesellschaftliche Strukturen und mangelnden Wettbewerbswillen verstärkt wird, führt zu Wohlstandsverlust und sozialen Spannungen. Die Financial Times hat verdeutlicht, wie die wirtschaftlichen Unterschiede seit der Corona-Pandemie noch deutlicher geworden sind. Europa steht vor der Herausforderung, mit weniger Ressourcen mehr Output zu generieren, was nur selten erfolgreich gelingt. Ein radikaler Kurswechsel könnte erforderlich sein, um die notwendige Anpassungsfähigkeit zu fördern. Großbritannien zeigt, dass Widerstandsfähigkeit möglich ist, während in Deutschland politische Frustration über die aktuelle Regierung wächst.

Die jüngsten Daten der PMI-Indizes (Purchasing Managers’ Index), die die wirtschaftliche Gesundheit des Verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors messen, zeigen ein gemischtes Bild: Während Frankreich ein Sommerhoch erlebt, sinken die deutschen Indizes weiter ab. Besonders im Verarbeitenden Gewerbe zeigt sich eine deutliche Abwärtsentwicklung, die strukturelle Herausforderungen aufwirft. Dies stellt die Gesellschaft vor erhebliche Probleme, besonders angesichts einer Migration, die Arbeitskräfte im Manufacturing-Sektor bereitstellt, während der Bedarf in diesem Bereich abnimmt.

Die kommenden Monate sind von Unsicherheiten geprägt

Die wirtschaftliche Dynamik der führenden europäischen Volkswirtschaften zeigt, dass langfristige Veränderungen im Wohlstand schrittweise an andere Nationen und Regionen übergehen, die nun Wohlstand aufbauen. Die Rolle Chinas als zentraler Nachfrager für Produkte und Investitionen bleibt kritisch. Eine mangelnde Nachfrage aus China könnte die Wachstumsaussichten der USA und Europas erheblich beeinträchtigen. Dies stellt die Frage, ob die aktuellen Schuldenprogramme zur wirtschaftlichen Stimulierung langfristig einen nachhaltigen Effekt haben können. Einige Analysten befürchten, dass protektionistische Maßnahmen der US-Wirtschaftspolitik langfristig zu negativen Konsequenzen führen könnten, einschließlich Kapitalflucht in alternative Anlageklassen wie Gold und Kryptowährungen.

Die kommenden Monate sind von Unsicherheiten geprägt, insbesondere im Hinblick auf politische Ereignisse wie die US-Wahlen und die Landtagswahlen in Deutschland. Dies erschwert die Festlegung einer klaren Investitionsstrategie. Der US-Dollar steht im Zentrum der Aufmerksamkeit, da Zinsdifferenzen in den USA und Europa zu erheblichen Schwankungen an den Währungsmärkten führen könnten. Eine starke Schwankung des Dollars könnte weitreichende Folgen für die globale Wirtschaft haben, besonders im Hinblick auf die Nachfrage nach US-Staatsanleihen und den Druck auf die Inflation.

Erhebliche Anforderungen an den Ausbau erneuerbarer Energien

Ein zentrales Thema für die entwickelten Volkswirtschaften bleibt die Verfügbarkeit kostengünstiger Energie. Mit der zunehmenden Bedeutung von Rechenzentren und künstlicher Intelligenz wächst der Energiebedarf exponentiell. Es wird erwartet, dass der Stromverbrauch für AI-Anwendungen bis 2030 auf 200 Terawattstunden ansteigt, was etwa 40 Prozent des aktuellen Nettostromverbrauchs in Deutschland entspricht. Diese Entwicklung stellt erhebliche Anforderungen an den Ausbau erneuerbarer Energien und die Anpassung der Stromnetze. Experten schätzen den Investitionsbedarf allein in Europa auf rund 1.000 Milliarden Euro, um die Netze zukunftsfähig zu machen. Dieser Bedarf verdeutlicht die Notwendigkeit privaten Kapitals und langfristiger politischer Zuverlässigkeit, um die notwendigen Infrastrukturprojekte voranzutreiben.

Der Rechenzentrumsausbau wird zu intensiven Diskussionen und Spannungen führen

Apropos Energie: Das rasante Wachstum von Rechenzentren, auch als Data Centers bekannt, ist in der Technologiebranche ein dominierendes Thema, das unweigerlich Fragen zur Energieversorgung aufwirft. Jüngste Ereignisse in Irland, wo ein geplantes Google-Rechenzentrum von den regionalen Behörden in Dublin abgelehnt wurde, illustrieren die realen Herausforderungen, denen diese Branche gegenübersteht. Die Begründung der Behörden basiert auf der Tatsache, dass die bestehende Strominfrastruktur nicht ausreicht, um den steigenden Energiebedarf solcher Einrichtungen zu decken. Dies ist ein klares Beispiel dafür, dass die Expansionsgeschwindigkeit der Data Center-Industrie die Kapazitäten der Stromerzeuger bei weitem übersteigt. Ein tieferer Blick auf die Situation zeigt, dass Irland aufgrund einer sehr liberalen steuerlichen Gesetzgebung in der Eurozone ein attraktiver Standort für amerikanische Technologiekonzerne ist. Diese günstigen Bedingungen haben dazu geführt, dass Rechenzentren mittlerweile 21 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Irland ausmachen, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu nur fünf Prozent im Jahr 2015.

Auffällig ist dabei, dass die CO2-Emissionen der Rechenzentren in Irland, die sich auf 224.000 Tonnen belaufen, nicht den gleichen Umweltauflagen unterliegen wie in Ländern wie Deutschland. Dort müssten Betreiber in der Regel Maßnahmen zur Emissionskompensation ergreifen, um die negativen Umweltauswirkungen auszugleichen. Diese Unterschiede in der Regulierung führen zu einer Ungleichbehandlung und werfen Fragen nach fairen Umweltstandards auf. Angesichts der Tatsache, dass die Genehmigungsverfahren für neue Energieinfrastrukturen sehr langwierig sind und die Unsicherheit über die Wahl der Primärenergiequelle weiterhin besteht, wird das Thema Rechenzentrumsausbau in den nächsten Jahren voraussichtlich zu intensiven Diskussionen und Spannungen führen. Jede Investitionsentscheidung im Energiesektor wird genau geprüft, um sicherzustellen, dass sie den langfristigen Anforderungen und den regulatorischen Rahmenbedingungen gerecht wird.

Anhaltende wirtschaftliche Erholung könnte zu einem Anstieg der Ölpreise führen

Die Diskussion um die Zinsentwicklung zeigt, dass die bisherigen wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten nicht mehr uneingeschränkt gelten. Zwar hofft man auf ein Wirtschaftswachstum nach möglichen Zinssenkungen, doch es bleibt unklar, wie dies die Energiekosten beeinflussen wird. Die amerikanische Regierung hat durch die Freigabe strategischer Ölreserven versucht, die Energiepreise zu stabilisieren, was jedoch nur kurzfristige Effekte haben könnte. Eine anhaltende wirtschaftliche Erholung ab 2025 könnte zu einem Anstieg der Ölpreise führen, was wiederum den Inflationsdruck verstärken würde.

Die aktuelle industrielle Lage in Deutschland gibt ebenfalls Anlass zur Sorge. Unternehmen wie BASF verlagern Teile ihrer Produktion nach China, was nicht nur Arbeitsplätze in Deutschland bedroht, sondern auch die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts infrage stellt. Die Unsicherheit über die Zukunft der deutschen Industrie zeigt sich in der schwachen Performance von Aktienindizes wie dem MDAX im Vergleich zum DAX. Trotz der positiven Entwicklung einiger großer Unternehmen besteht weiterhin das Risiko, dass strukturelle Schwächen im Mittelstand den wirtschaftlichen Aufschwung behindern.

Insgesamt zeigt sich, dass die Kapitalmärkte weiterhin von Unsicherheiten und divergierenden Meinungen geprägt sind. Während kurzfristige Entwicklungen positive Impulse setzen könnten, bleiben langfristige Herausforderungen bestehen, die ein nachhaltiges Wachstum erschweren. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um die Weichen für eine stabile und zukunftsfähige wirtschaftliche Entwicklung zu stellen.

Wir stehen für einen weiteren Austausch gerne zur Verfügung

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen