Gefährdetes Patientenwohl am Bodensee?

Die Aufklärung des Klinikskandals an der Klinik Friedrichshafen, die zum Medizin-Campus Bodensee (MCB) gehört, könnte sich über Jahre hinziehen. In der Nacht zum 1. Dezember 2023 hatte die frühere Ober- und Notärztin Elke K. im Alter von 47 Jahren Suizid begangen, weil sie mit ihrer Kritik an der mangelnden medizinischen Behandlungsqualität der Klinik bei der Leitung des Krankenhauses über Jahre nicht auf Gehör stieß. Seit 2021 soll das Patientenwohl nach Aufzeichnungen der Ärztin immer wieder gefährdet worden sein. Im Zentrum der Vorwürfe steht [...], der sein Amt als Medizinischer Direktor derzeit ruhen lässt. [...] war nach seiner Berufung 2019 dem Willen der Klinikleitung gefolgt und hatte die interventionelle Kardiologie in Friedrichshafen ausgebaut. Die Erweiterung des Leistungsspektrums sollte die Einnahmen erheblich steigern, weil sich durch die Behandlung komplizierter Erkrankungen der „Case Mix“ (CM) ändert und die Kliniken höhere Behandlungskosten erstattet bekommen. Die Klinik gehört zu 95 Prozent der Stadt Friedrichshafen, Aufsichtsratsvorsitzender ist der parteilose Oberbürgermeister Andreas Brand. 2023 betrug der Jahresverlust des Klinikverbundes MCB etwa 16 Millionen Euro. Durch Einnahmen aus der rechtlich unselbständigen Zeppelin-Stiftung fällt es der Stadt etwas leichter, die hohen Verluste auszugleichen. Wurde die Versorgung der Notfallpatienten vernachlässigt? Die Vorwürfe der verstorbenen Ärztin umfassen nach Informationen dieser Zeitung im Wesentlichen drei Komplexe: Für anspruchsvolle Eingriffe in der interventionellen Kardiologie soll das medizinische Personal nicht ausreichend erfahren gewesen sein. Die Versorgung der Notfallpatienten soll zugunsten kardiologischer Patienten vernachlässigt worden sein. Für anspruchsvolle Herzkathetereingriffe – den Einbau von „Mitraclips“ oder von „Impella“-Herzunterstützungspumpen von Abiomed zum Beispiel – habe in Friedrichshafen das nötige medizinische Ökosystem für den Fall von Komplikationen gefehlt. In der Tat gibt es keine Herzchirurgie und keine Möglichkeit, Patienten mit einer ECMO, einer Herz-Lungen-Maschine, zu versorgen. Gesetzlich ist ein solches medizinisches Umfeld nicht vorgeschrieben. In solchen Fällen müssten die Patienten zum Beispiel in die Herzzentren der Unikliniken in Ulm oder Freiburg verlegt werden. Die Klinik weist die Vorwürfe zurück. Zur Aufklärung ist die Rechtsanwaltskanzlei Feigen Graf beauftragt worden, sie soll die Vorgänge bis Ende März aufarbeiten. Zur Klärung möglicher Behandlungsfehler liegt ein Gutachten eines Kardiologen aus Leipzig vor. Zugleich setzte die Polizei Friedrichshafen eine Ermittlungsgruppe ein, die Staatsanwaltschaft Ravensburg führt Vorermittlungen. Es habe mehrere Todesfälle gegeben Detlef Kröger, der Rechtsanwalt der verstorbenen Ärztin, rechnet mit einem langwierigen Aufarbeitungsverfahren und schließt Konsequenzen für die Verantwortlichen nicht aus: „Wenn die Öffentlichkeit in Deutschland über die schlimmen Fälle unterrichtet wird, wird man in Friedrichshafen nichts mehr vertuschen können. Dann wird sich ein Bild des Grauens zeigen“, sagte Kröger der F.A.Z. Es müsse dann über mehrere Todesfälle gesprochen werden, die im Zusammenhang mit dem Missmanagement an der Klinik stehen könnten. Diese Fälle ließen sich rekonstruieren. „Es handelt sich um mehrere Fälle, die durch medizinische Gutachten aufgearbeitet werden können und für die nach der medizinischen Verantwortung gefragt werden muss.“ Hinter ähnlich gelagerten Problemen vieler Krankenhäuser steckt auch ein politisches Strukturproblem, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seiner Reform gerade beheben will. Krankenhäuser der Grund-, Regel- oder Zentralversorgung können sich häufig mit Fallpauschalen nicht ausreichend finanzieren. Sie versuchen dann auf Druck der Träger, sich mit speziellen Leistungen, die normalerweise an Häusern der Maximalversorgung oder an Universitätskliniken vorgehalten werden, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Hierzu werden dann häufig renommierte Universitätsmediziner auf Chefarztstellen berufen. Dadurch steigen die Einnahmen schnell, allerdings sind das Pflegepersonal und die Assistenzärzte häufig nicht hinreichend vorbereitet, auch an der Technik mangelt es. Kleinere Krankenhäuser haben für derart anspruchsvolle Eingriffe auch keine internen Prozesse zur Fehlerkorrektur. Es fehlen spezialisierte Abteilungen zur Absicherung der Behandlungsqualität. Und aus politischen Gründen gehen solche Kliniken keine Kooperationen mit anderen Kliniken ein.