Fahrer des Tages“, diese Wahl ließ sich Carlos Sainz gefallen. Als ihn ein Journalist mit halbwegs zwinkerndem Auge auch zum „Verteidigungsminister Italiens“ beförderte, lächelte der spanische Formel-1-Pilot verlegen. Denn der harten Abwehrarbeit teils an der Grenze des Erlaubten auf der Kult-Piste von Monza blieb der große Erfolg versagt.

Max Verstappen und später auch noch dessen Teamkollege bei Red Bull, Sergio Perez, kämpften sich an Sainz vorbei: Dritter beim Großen Preis von Italien, das wäre in der Ferrari-Ära Schumachers der Preis des kleinen Mannes gewesen. Aber am Sonntag ließen Tausende Fans Sainz, dicht gedrängt zu seinen Füßen während der Siegerehrung, mit ihren Hymnen als Riesen erscheinen. Mit ihm und Charles Leclerc als Vierten verließ Ferrari den Königlichen Park wie ein Gewinner.

Das ist kein kühner Gedanke. Obwohl Max Verstappen mit dem zehnten Sieg in Serie den Rekord von Sebastian Vettel brach und sein Rennstall mit dem Doppelerfolg auch das 14. Rennen der Saison gewann. Schneller, besser, brillanter geht es nicht. Die Formel-1-Welt wird Zeuge einer phänomenalen Vorstellung des Weltmeisters im Red Bull, der niemand im Fahrerlager gewachsen ist.

Und so war es ein Kunststück von Ferrari und Sainz, Verstappen am Samstag die Pole-Position mit hauchdünnem Vorsprung im letzten Moment zu nehmen und ihm am Sonntag fast 15 Runden lang vor der Nase her zu fahren. Denn die Scuderia schien behäbig aus der Tiefe des nächsten Wellentals in die Heimat zu rollen. Die Leistung in dieser Saison schwankt gewaltig. Nach Rang zwei in der Konstrukteurswertung 2022 hinter Red Bull fährt Ferrari in diesem Jahr gar noch hinter Mercedes her. Das Bild vom stolzen Rennstall im Rückwärtsgang musste in Monza korrigiert werden, um der Predigt von bald besseren Zeiten, um dem Schwur, Ferrari stehe allzeit für Potenz und Emotion, zu genügen. Wenn nicht in Monza, wo dann?

Ferrari setzte alles auf eine Karte. Konstruierte einen neuen Heckflügel eigens für die Hochgeschwindigkeitsstrecke, um auf den Geraden schneller als alle anderen sein zu können. Der stärkste Antrieb der Szene, so heißt es, sei im Startplatzrennen bis zur Grenze der Belastbarkeit getrieben worden. Ferrari wehrte sich mit allem, was es hatte. Mit einem Sainz im Cockpit, der wie ein Löwe jeden Zentimeter Vorsprung zu verteidigen suchte.

Ein kleiner Verbremser öffnete die Lücke, aber er verschloss nicht die Herzen der vielen Zuschauer über Ferraris Fan-Gemeinde hinaus. Denn Teamchef Frederic Vasseur ließ in den letzten Runden ein gefährliches teaminternes Duell laufen. Die Attacken Leclercs und die Verteidigung von Sainz führten zu einer Berührung der Ferrari. Alles hätte sich in Schall und Rauch auflösen können. Stattdessen wähnt sich Ferrari wieder zurück in der Position des hoffnungsvollen Jägers. Immerhin konnte Sainz am Sonntagabend laut italienischen Medien einen Flüchtenden stellen: den Dieb mit seiner etwa 500.000 Euro teuren Uhr.