Bayern-Star wieder gefragt :
Goretzkas Zeit ist gekommen

Von Elisabeth Schlammerl, München
Lesezeit: 3 Min.
Wo sind die Stimmen, die ihn schon abgeschrieben hatten? Mit zwei Toren war Leon Goretzka (vorne) gegen den VfL Wolfsburg Mann des Spiels.
Kein schlechter Aufstieg: In wenigen Monaten ist aus dem Verkaufskandidaten Leon Goretzka ein Vorbild für andere Spieler geworden. Darüber sprechen mag er nicht. Doch sein Trainer gerät ins Schwärmen.
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Wer schon so lange beim FC Bayern ist wie Leon Goretzka, der kennt sich bestens aus in der Münchner Arena. Der Mittelfeldspieler braucht keinen freundlichen Ordner, der ihm den richtigen Weg zeigt. Er weiß, wo es lang geht und auch, wie er zum Ausgang kommt, ohne an den Mikrofonen in der Mixed Zone vorbei zu müssen. Den Schleichweg hatten früher schon gerne Mehmet Scholl oder Bastian Schweinsteiger genommen, und jetzt eben Goretzka.

Die Zeiten, als er klare Worte fand und präzise analysierte, sind vorbei. Er weiß, dass er jetzt besser schweigt. Selbst nach einer Partie wie jener am Samstag. Oder gerade da ließ er lieber andere reden über seinen Auftritt beim 3:2 gegen den VfL Wolfsburg, über die beiden Tore, die Goretzka zum Mann des Spiels machten. Über seine Effizienz im Vergleich zu den meisten Münchner Offensivspielern.

Während Harry Kane sieben Mal aufs Tor schoss, aber nicht einmal traf, brauchte Goretzka für seine beiden Treffer nur vier Versuche, wie der zweimalige Wolfsburger Torschütze Mohamed Amoura. Selbst Michael Olise, der das zwischenzeitliche 2:1 für die Münchner erzielte, hatte eine schlechtere Quote.

„Wie ein sehr, sehr guter Profi immer gearbeitet“

Dass ihn Bayerns Sportvorstand Max Eberl als „wichtigen Spieler für uns“ bezeichnete, klingt ein wenig erstaunlich, war doch Goretzka einer der ersten Verkaufskandidaten im vergangenen Sommer gewesen. In der Liste der für die zweite Sechserposition neben Joshua Kimmich zur Verfügung stehenden Optionen belegte er den letzten Platz, hinter Aleksandar Pavlović und João Palhinha – und hätte nicht Konrad Laimer oft als Außenverteidiger aushelfen müssen, wäre auch der Österreicher noch vor ihm gewesen.

Was Goretzka dann tatsächlich in München hielt, weiß niemand so genau. Er schweigt ja beharrlich. Seine Motivation auf das üppige Salär zu reduzieren, wäre aber ungerecht. Sicher, es haben interessante Angebote von Spitzenklubs gefehlt. Aber vielleicht war es vor allem der Blick zurück in die damals gerade zu Ende gegangene Saison, die ihm gezeigt hatte, dass es manchmal anders kommt, als der Trainer denkt. Vincent Kompanys Vorgänger Thomas Tuchel hatte Goretzka im Sommer davor zu verstehen gegeben, dass er von seiner Interpretation der Rolle im Mittelfeld nicht sehr viel hält, aber am Ende spielte Goretzka doch meistens.

Als ihn Kompany Mitte September für das Bundesligaspiel gegen Kiel aus dem Kader strich, ein paar Tage nach Ende der Transferperiode, hat Goretzka seine Entscheidung womöglich etwas bereut, aber nicht sein Verhalten geändert. „Leon hat einfach wie ein sehr, sehr guter Profi immer gearbeitet, im Training gezeigt, dass er hungrig ist“, lobte Kompany. Und sich nie beklagt. Die Mannschaft, sagte Kapitän Manuel Neuer am Samstag, habe Goretzka „den Rücken gestärkt“, denn „wir haben gewusst, dass seine Zeit kommen wird“.

Als sich im Herbst Pavlović und Palhinha verletzten, war es soweit. Goretzka stand plötzlich wieder in der Startelf. Und weil er meist gute Leistungen brachte, musste er nach der Rückkehr von Pavlović nicht wieder zurück auf die Bank, zumindest nicht dauerhaft. Er habe auf die richtige Art reagiert, sagte Kompany: „Mit den Füßen, nicht mit Worten.“

Goretzka kam nach der Winterpause bei allen drei Spielen zum Einsatz, gegen Hoffenheim unter der Woche allerdings nur in den Schlussminuten, und als Innenverteidiger. Seine Flexibilität sieht Eberl als großen Vorteil. „Er gibt uns die Möglichkeiten zu agieren und zu reagieren auf dem Platz.“ Ein Verkauf bis zum Ende des Transferfensters Anfang Februar, womit noch vor ein paar Wochen spekuliert worden war, ist kein Thema mehr.

Kompany wollte am Samstag gar nicht so sehr auf die Leistung Goretzkas eingehen, sondern er sieht stattdessen den erfolgreichen Kampf zurück in die Startelf als Zeichen für den gesamten Kader. „Ich glaube, die Geschichte von Leon ist gut für die Mannschaft, weil es auch andere Jungs gibt, die jetzt in dieser Phase sind, wo es ein bisschen schwerer ist.“ Vom Verkaufskandidaten zum Vorbild – kein schlechter Aufstieg.

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