Handball-WM :
„Ich mache mir schon Sorgen“

Von Frank Heike, Hamburg
Lesezeit: 3 Min.
Kritische Blicke vor der Handball-WM: Bundestrainer Alfred Gislason war mit dem knappen Sieg über Brasilien alles andere als zufrieden.
Nach Platz vier bei der EM und Olympia-Silber sind die Erwartungen an Deutschlands Handballer für die WM groß. Doch die zuletzt wackelige Leistung bietet Anlass für Zweifel.
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Als die Freizeitplanungen für den halben freien Tag gerade der Öffentlichkeit ausgebreitet wurden, schoss Juri Knorr ein böser Gedanke durch den Kopf: „Aber vielleicht streicht Alfred den ja noch.“ Knorr schickte ein gequältes Lächeln hinterher. Bloß nicht! In der Hamburger Vorbereitungswoche auf die an diesem Dienstag beginnende Handball-Weltmeisterschaft hatte es so wenige Lücken gegeben, dass ein Café-Besuch schon den touristischen Höhepunkt darstellte.

Okay, beim typischen Schmuddelwetter war es im Zimmer, beim Physio, im Besprechungsraum oder in der Halle sicher behaglicher als im Schneematsch, aber angesichts des Programms aus womöglich neun Spielen in zweieinhalb Wochen galt jede sportfreie Minute als willkommen.

Knorrs Skepsis gründete auf zwei Testspiel-Auftritten, die einerseits die Ambitionen der Nationalmannschaft unterstrichen, anderseits begründete Restzweifel am Leistungsvermögen dieser Mannschaft schürten. Denn weder beim 32:25 am Donnerstag in Flensburg und schon gar nicht beim wackligen 28:26 zwei Tage später in Hamburg gegen Brasilien überzeugte das Team restlos.

„Ich mache mir schon Sorgen“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason nach der zweiten Probe. Da hatten erst der eingetauschte Torwart David Späth und die beiden Spielmacher Luca Witzke und Juri Knorr eine Niederlage verhindert; Witzke und Knorr empfahlen sich im Rückraum als ballsichere und torgefährliche Variante. „Wir müssen jetzt nicht komplett an uns zweifeln“, sagte Knorr, „aber schlechter als Brasilien werden unsere Gegner in Dänemark nicht sein. Es war vielleicht ein Warnzeichen zur rechten Zeit.“

Nach Platz vier bei der Heim-EM und Olympia-Silber sind die eigenen Erwartungen und die der Öffentlichkeit groß – Handball-Partys in ausverkauften Hallen inklusive (fast 13.000 Menschen waren in Hamburg zugegen). So leicht ist es nicht nach einer harten Bundesliga-Vorrunde, und so nahm Gislason lieber die erfreuliche Tatsache mit in die erste Turnierwoche, dass sein eingespieltes Team endlich lange vermisste Fähigkeiten in der Crunchtime entwickelt zu haben scheint: „Wir haben früher oft 40 Minuten mitgehalten, dann riss es ab. Jetzt waren wir die letzte Viertelstunde voll da und haben gewonnen.“ Das erinnerte an die späten Siege bei den Olympischen Spielen gegen Frankreich und Spanien.

Einzug ins WM-Viertelfinale ist Pflicht

Leichtigkeit und Spielfreude hatte das bemühte DHB-Team jedoch vermissen lassen, was auch daran lag, dass es den brasilianischen Torwart Rangel da Rosa aus allen Lagen auf groteske Weise warm warf. „Normalerweise gewinnt man ein Spiel mit so vielen Fehlversuchen nicht“, sagte Gislason, der den halben freien Tag natürlich nicht einkassierte.

An diesem Montag rollt der Bus über die Grenze nach Silkeborg im mittleren Jütland, ehe am Mittwochabend das erste Gruppenspiel gegen Polen im nahen Herning auf dem Programm steht (20.30 Uhr/ARD). Weiter geht es im Zwei-Tages-Rhythmus gegen die Schweiz am Freitag (20.30 Uhr/ZDF) und Tschechien am Sonntag (18 Uhr/ARD) in einer ziemlich europäischen WM-Gruppe A.

Selbst der vorsichtige Bundestrainer hat seine Mannschaft zum Favoriten gestempelt. Die Qualifikation vorausgesetzt – alles andere wäre eine Blamage –, geht es dann ebenfalls in der „Jyske Bank Box“ gegen Dänemark und wohl Algerien und Tunesien weiter. Bei allem Respekt vor der Konkurrenz liegt das Viertelfinale in Oslo am 29. Januar in nicht allzu weiter Ferne. Dort könnten die Norweger warten.

Gislason wird mit 17 Profis nach Dänemark reisen. Kreisläufer Tim Zechel und der dritte Torwart Joel Birlehm bleiben in Deutschland, können aber eingesetzt werden. Was dem DHB der erste Titel seit 2007 wert wäre, ist inzwischen auch bekannt: 475.000 Euro könnte das Team als Prämie unter sich aufteilen. Werden mehr als 19 Spieler eingesetzt, erhöht sich die Summe sogar auf eine halbe Million Euro.

Drei Veranstalter teilen sich das WM-Turnier

Schon am Dienstag beginnt die 29. WM mit dem Spiel der dänischen Titelverteidiger in Herning gegen Algerien. 32 teilnehmende Nationen können nur untergebracht werden, indem sich drei Veranstalter das Turnier teilen; Dänemark, Norwegen und Kroatien. Unter Nachhaltigkeits-Aspekten kann das kaum überzeugen, und für einige Fangruppen wie die reiselustigen Isländer etwa sind die Wege lang zwischen Zagreb und Oslo.

Doch wie es der 80 Jahre alte Weltverbands-Präsident Hassan Moustafa der „Handball-Woche“ sagte: „Auch in Fußball, Basketball oder Volleyball organisieren mehrere Länder große Veranstaltungen. Wir wollen, dass auch im Handball immer mehr Länder eine WM austragen.“ Wachsen oder weichen, auf dem internationalen Unterhaltungsmarkt mischt der Handball kräftig mit – Schattenseiten inklusive.

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