Dänemark zeigt keine Gnade : Eine böse Niederlage für Deutschland bei der Handball-WM
Drinnen donnerte noch der Bass und die Menschen johlten, als Mathias Gidsel draußen sagte: „Es war wie im Kolosseum. Aber zum Glück ging es nicht um Leben und Tod.“ Gemeinsam mit ihrem Trainer Nicolaj Jacobsen hatten einige Spieler am Vorabend den Film „Gladiator“ im Kino in Herning gesehen. Der Ausnahmehandballspieler aus Dänemark hatte dann einen Auftritt hingelegt, der für seinen Gegner zwar nicht existenzbedrohend war, aber Gidsel hatte agiert, als ginge es um viel mehr als nur ein erstes Hauptrundenspiel gegen Deutschland.
Man fragt sich ja schon, woher dieser schlangenhaft durch die Abwehrreihen schlüpfende Linkshänder seine Kraft nimmt, ist er doch keiner mit gladiatorengleicher Figur. Gidsel aber, angefeuert von vielen der 15.000 Menschen in der Arena, bezwang die oft ratlosen Deutschen fast allein – zehn Tore aus zwölf Versuchen gelangen ihm beim 40:30 (24:18) am Dienstagabend. Fast noch virtuoser sind seine Vorlagen an den Kreis und nach außen.
Weil auch sein Partner auf der anderen Rückraumseite, Simon Pytlick, acht Tore aus elf Versuchen warf, konnten sich die Deutschen im Angriff mühen, wie sie wollten: Sie hatten keine Chance gegen den Weltmeister. Ihr Altstar Rasmus Lauge sagte: „Ich bin jetzt so lange dabei. Aber zwischen solchen Jungs habe ich noch nie gespielt. Du gibst ihnen den Ball, und sie machen etwas Gutes daraus.“
„Wir wollten ganz anders decken“
Passgeschwindigkeit, Genauigkeit, Tempo, Mut und Extravaganz vereinten sich in fast jedem dänischen Angriff. „Sie haben ja okay gedeckt, aber wir machen einfach immer wieder das Gleiche und drücken sie so ganz weit in ihre Abwehr“, sagte Gidsel sehr freundlich. Abgesehen von der 37. Minute, als Juri Knorr die Chance zum 26:23 und vielleicht auf einige Sorgenfalten bei den Dänen vergab, prallten die Deutschen an der roten Wand auf dem Parkett und der Halle ab. „Wir wollten ganz anders decken und Gidsel und Pytlick früher aufnehmen“, stöhnte Luca Witzke, „aber das hat nicht geklappt.“ So gab es auch im vierten deutschen WM-Spiel eine erhebliche Diskrepanz zwischen Plan und Umsetzung.
Dass es letztlich keine gnädige Niederlage wurde, sondern eine böse, lag auch daran, dass die Dänen unter Jacobsen nichts verwalten. Wie im Olympia-Finale zogen sie durch. „Wir spielen zu Hause, wir wollen schön, schnell und erfolgreich spielen“, sagte Gidsel fast entschuldigend zum dänischen Ohne-Gnade-Handball.
Es hatte sich wieder bewahrheitet, dass die Deutschen der Spitze im Welthandball vielleicht etwas näher gerückt sind, auf dem Gipfel aber unerreichbar Dänemark thront. „Mit diesem Tempo sind sie schwer zu schlagen“, seufzte Luca Witzke, der es als Spielmacher für den kranken Juri Knorr am Ende noch ganz gut gemacht hatte.
Nun also: Abhaken, weitermachen. „Es gibt kein unwichtigeres Spiel als ein erstes Hauptrundenspiel gegen Dänemark“, behauptete Rune Dahmke. Das stimmte insofern, als die Deutschen gegen Italien an diesem Donnerstagabend (18.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Handball-WM und im ZDF) gewinnen müssen, um das angestrebte Viertelfinale dieser WM in Dänemark, Norwegen und Kroatien zu erreichen.
Italien? Handball? Wie auf einer Klassenfahrt nach Dänemark reisen die Männer in den schicken blauen Trainingsanzügen durch diese WM. Es ist die zweite Teilnahme des Verbandes nach 1997. Gewinnen sie gegen Deutschland, sind sie beinahe in der Runde der letzten acht. Unvorstellbar? „Euphorie kann Berge versetzen“, sagt ihr Torwart Domenico Ebner, in Deutschland aufgewachsen, in der Bundesliga für Leipzig am Ball. Nach Siegen gegen Tunesien, Algerien und Tschechien am Dienstag ist das Team mit vielen Spielern aus Südtirol die Überraschung dieser Weltmesse und Liebling der Fans in Herning – die sicher auch am Donnerstag für „Bella Italia“ sein werden.
„Wir haben die Mentalität und die Einstellung, wir sind der Underdog und haben gar nichts zu verlieren“, sagt Ebner, der mit Lust und Laune durch die Halle springt, seine Jungs herzt, anfeuert und zur Not auch sechs Dosen Harz nachbestellt: „Wir hatten zu wenig dabei.“ Ein paar Rollen Tape, Massagebälle und Kompressionsstrümpfe konnten die Italiener auch mitnehmen – sie hatten die Produkte praktischerweise in Ebners Onlineshop bestellt. Diversifizierung heißt das Gebot der Stunde.
Es wäre eine krasse Blamage, sollten die Deutschen am Donnerstag gegen Italien verlieren und die K.-o.-Runde verpassen. Zugleich wechselt die geschätzte Außenseiterrolle (die gegen Dänemark nicht weit trug) wieder zurück zum Gegner: „Deutschland ist der klare Favorit. Man kann unsere Verbände gar nicht vergleichen“, sagte Ebner, der seine Wochen bei der „Federazione Italiana Giuoco Handball“ als Urlaub bezeichnet.