Hochsprungshow in Budapest : Die hohe Kunst des Clowns
Jeder gute Zirkus braucht einen Clown. Die Leichtathletik hat ihn in Gianmarco Tamberi gefunden. Am Dienstagabend vertrieb dieser den kleinen Sohn seines geschlagenen Konkurrenten und Freundes Mutaz Barshim – mit dem er sich bei den Olympischen Spielen von Tokio den Sieg im Hochsprung teilte – von der Hochsprungmatte, auf der ihn sein Vater herumtollen ließ.
Tamberi wollte auf seinen Sieg bei der WM in Budapest noch einen draufsetzen. 2,36 Meter hatte er im ersten Anlauf übersprungen, an 2,38 Metern waren er und sein letzter Konkurrent JuVaughn Harrison gescheitert. Tamberi stand als Sieger fest. Da ließ er für seinen letzten Versuch 2,40 Meter auflegen. Wollte er eine persönliche Bestleistung erreichen, den Landesrekord brechen?
Abwarten. Der hyperaktive Italiener folgt seinem Showprogramm. Zur Qualifikation hatte er sich wieder einmal einen Bart stehen lassen, um ihn zum Finale zur Hälfte abzurasieren. Das ist sein Markenzeichen, der typische Tamberi-Look: eine Gesichtshälfte bis zur Nasenscheidewand glatt, die andere im Dreitagebart-Look. Nein, er neigt nicht zu halben Sachen.
Am Dienstag schien er nach dem Titelgewinn und vor dem letzten Akt alle Bekannten umarmen zu wollen, die ihm aus der Kurve des Stadions zur Gratulation entgegenströmten. Tamberi griff sich eine Trommel und erhöhte den Radau seiner Landsleute um eine deutliche Schlagzahl. Er rannte zurück auf die Laufbahn und animierte die Fans mit weit ausholenden Armbewegungen zu Jubel – und Anfeuerung.
Stimmt, da war doch noch was zu erledigen, 2,40 Meter im Flug. Und die Uhr tickte. Drei Minuten Bedenkzeit genießt ein Hochspringer für einen Solosprung. Es fühlte sich an, als sei sie während der Solovorstellung dreimal gestartet worden. Das ist die Kunst der Unterhaltung: Spannung in die Länge ziehen, auf den Höhepunkt zutreiben. Ah, jetzt aber, endlich. „Gimbo“, wie ihn Freunde und Fans nennen, läuft an – und lachend unter der Latte hindurch. Manchmal hängt sie zu hoch.