Matt vor Gericht : Niemann-Klage gegen Carlsen abgewiesen

Schach-Großmeister Niemann erleidet im Kampf gegen Betrugsvorwürfe eine empfindliche Niederlage. Seine Klage auf Schadensersatz wird abgewiesen. Carlsens Vertreter reagieren erleichtert.
Ein Bezirksgericht im amerikanischen Bundesstaat Missouri hat die Klage des amerikanischen Schachprofis Hans Niemann gegen Magnus Carlsen, Hikaru Nakamura, die Firma Chess.com und die mittlerweile von ihr aufgekaufte Play Magnus Group abgewiesen. Nach einer Niederlage gegen Niemann vorigen September in St. Louis hatte der damalige Weltmeister Carlsen das Turnier abgebrochen und getweetet, wenn er spreche, komme er in Schwierigkeiten. Nakamura hatte dies auf seinem Stream als Betrugsvorwurf gewertet.
Niemann gab zu, bei zwei lange zurückliegenden Onlineturnieren betrogen zu haben. Laut Chess.com sei er weit öfter erwischt worden. Ob er am Brett, wie von ihm behauptet, stets fair spielte, ist umstritten. Dass Niemann während seiner Gewinnpartie gegen Carlsen unerlaubte Computerhilfe bekam, glaubt allerdings so gut wie niemand mehr.
Die Klage gegen Verschwörung und Kartellbildung zwischen den Beklagten ist rechtskräftig abgewiesen. Dagegen kann der Anklagepunkt Verleumdung auf der höheren Ebene eines Bundesstaatsgerichts neu verhandelt werden, wenn zusätzliche Beweise vorgebracht werden. Niemanns Anwälte Darren Oved und Terrence Oved haben angekündigt, dies zu versuchen.
Eine Fair-Play-Kommission der Weltschachföderation FIDE hat unter Mitarbeit des Hammer Richters Klaus Deventer sowohl die Vorwürfe gegen Niemann als auch Carlsens Verhalten untersucht. Der Bericht soll aber nicht veröffentlicht werden, wie die FIDE am Mittwoch bestätigte, solange der zivile Rechtsstreit läuft und auch nicht, bevor die Ethik-Kommission ein Urteil in der Sache gefällt habe.
In Folge der Affäre sind die Vorkehrungen gegen Betrug bei Turnieren ebenso verschärft worden wie die Sanktionen. Ein Spieler aus Singapur, der nicht überführt wurde, sondern sich selbst bezichtigte, ist für zwei Jahre gesperrt worden. Eine bei der Junioren-WM in Führung liegende Inderin wurde aus dem Wettbewerb ausgeschlossen, weil nach einer Partie in ihrer Jacke Kopfhörer gefunden wurden.
Der Weltranglistendritte Fabiano Caruana erklärte es kürzlich für unfair, Niemann als Sündenbock darzustellen, während viele tatsächliche Betrüger nicht erwischt werden. In seinem Podcast und auf dem Stream von Nakamura führte er eine Partie vor, in der er so gut wie sicher sei, betrogen worden zu sein. Jeder konnte nachsehen, dass es sich bei seinem Gegner um Ivan Vihor handelte.
Der ehemalige kroatische Jugendmeister und Konzertpianist wies den Vorwurf gegenüber der F.A.Z. zurück. Er habe während eines Klavierwettbewerbs in Monte Carlo zur Entspannung am Mobiltelefon gespielt. Der für die FIDE tätige Betrugsjäger Ken Regan von der Universität Buffalo fand weder in dieser noch in anderen Partien Vihors Hinweise auf Betrug. Caruanas Darstellung, Vihor habe für fast jeden Zug fünf Sekunden gebraucht und nach ihrer Begegnung ständig verloren, ist offensichtlich falsch. Weder Caruana noch sein Podcastpartner Christian Chirila waren auf Nachfrage erreichbar.