Zeitfahren bei der Rad-WM :
Tony Martin will noch einmal Vollgas geben

Von Alex Westhoff
Lesezeit: 2 Min.
„Ich habe sehr, sehr gut arbeiten können“ – Tony Martin vor dem WM-Zeitfahren in Flandern
Eine Schiene trägt der Radprofi wegen seines Unfalls immer noch, aber Tony Martin ist zurück – und strebt nach einer Medaille im WM-Zeitfahren in Flandern.
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Die Erinnerungen an seinen missratenen Rad-Sommer sind immer noch spürbar. In Form einer Schiene im Mund, welche die bei einem Sturz mit dem Gesicht vorweg in Mitleidenschaft gezogenen Zähne stabilisiert. Die Tour de France hatte Tony Martin mal wieder die besonderen Härten des Radsports beschert. Darauf soll nun aber ein goldener belgischer Spätsommer folgen.

Der 36-jährige Radsport-Veteran will es noch mal wissen. Und zwar, ob er noch mal den Weg findet aus der (selbst gewählten) Rolle des Edelhelfers in jene des Siegfahrers. Ob er in seiner langjährigen Spezialdisziplin noch mal die Sterne vom Himmel holen kann. Ob er die Wattwerte der deutlich jüngeren Gegner in die Pedale drücken kann.

Die Aussicht auf das diesjährige Einzelzeitfahren der Weltmeisterschaften an diesem Sonntag in Flandern habe ihn „voller Motivation aufs Rad getrieben“, sagt Martin. Da seien die Wunden von seinen Unfällen bei der Tour nicht mal vollends verheilt gewesen. „Ich habe sehr, sehr gut arbeiten können.“ Und zwar nach Jahren mal wieder überwiegend und gezielt auf der Zeitfahrmaschine. Sein niederländisches Team Jumbo-Visma hat ihm dabei alle Freiheiten gewährt. Im Normalfall hilft er dort anderen zu glänzen.

Das Prickeln ist zurück

In dieser Funktion sei er aufgegangen. „Es ist angenehm, persönlich keinen an Platzierungen zu messenden Erfolgsdruck mehr zu haben“, sagt Martin der F.A.Z., „aber es fehlte mir ab und an das Prickeln.“ Das ist nun zurück. Denn der in Cottbus geborene und in Eschborn aufgewachsene Profi klingt in den Stunden vor dem WM-Wettkampf gegen die Uhr fast so wie früher, als er mehr als ein halbes Jahrzehnt lang derjenige war, den es im Zeitfahren zu schlagen galt. Zur Erinnerung: Martin ist 2011 in Kopenhagen, 2012 in Valkenburg, 2013 in Florenz und 2016 in Doha Zeitfahr-Weltmeister geworden.

Und 2021 in Flandern, dem wohl radsportbegeistertsten Flecken Europas? „Mein Wunsch und Ziel ist es, eine Medaille zu holen. Das ist ambitioniert, keine Frage. Aber ich habe nicht wochenlang trainiert, um am Ende Sechster zu werden“, sagt der Wahl-Schweizer. Das Selbstvertrauen zieht er aus seiner körperlichen Verfassung und der Beschaffenheit des Kurses, der wie für ihn konzipiert ist. Topfeben und lang – so wie es Martin schon immer geschätzt hat.

Die 43,3 Kilometer lange Strecke von Knokke-Heist nach Brügge hält kaum spürbare 78 Höhenmeter bereit. Bei diesem flandrischen Kurs wird es nicht heißen, möge der Beste gewinnen, sondern es ist klar, dass der Stärkste gewinnen wird. „Es wird“, sagt Martin, „kein großartiges Taktieren geben.“ Er will den WM-Auftakt jedenfalls zu seiner Überraschungsshow machen. „Ich bin sehr gespannt.“

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