Fitnesstipps im Internet : Seniorentraining mit Navy Seals oder Pamela Reif?

Videos mit Burpees, Liegestützen, Klimmzügen und allen unmöglichen Variationen mit einem Sandsack auf der Schulter – was ein paar Klicks und Likes im Netz so alles anrichten können. Eine Glosse.
Es fing ganz harmlos an. Ein Klick hier, ein paar Likes da. Vielleicht ein bisschen Anregung und Motivation mitnehmen, weil mein Sohn der Meinung ist, dass es für mich mit fortschreitendem Alter nichts Wichtigeres gibt als Muskeltraining. Was soll’s. Ein Blick auf das Reel von diesem Fitness-Typen kann ja nicht schaden. Aber was ich mir hätte denken können: Das Netz ist ein Elefant, es vergisst nicht. Algorithmen und so. Seither bin ich von Fitness-Reels umzingelt.
Die Algorithmen machen Überstunden. Die Fitness-Coaches dieser Welt stürmen meine Timeline und wollen mich für ihre Muskelaufbau-Programme gewinnen. Da ich dummerweise auch ein erklärter Bewunderer des Boxers Mike Tyson bin, was den Algorithmen auch nicht entgangen ist, sind meine Fitness-Reels nicht vom Typ Pamela Reif, sondern eher rauer.
Fast hätte ich gesagt: Googeln Sie mal den Classic Mike Tyson Push-up, dann wissen Sie, was ich meine. Aber kann ich Ihnen nicht empfehlen. Sie wissen ja: Das Netz vergisst nicht.
Neuerdings sind offenbar auch die Navy Seals auf mich aufmerksam geworden oder zumindest ihre Fitness-Gurus, die mich rekrutieren und meinen Alltag in einen militärischen Drill verwandeln wollen. Da ich aktuell allerdings keine Ambitionen habe, bei einer Spezialeinheit anzuheuern, scheinen mir die dargebotenen Übungen etwas suspekt, zumal sie von einem Typen im Tarnanzug vorgeführt werden, der offenbar aus Stahl besteht.
Der Typ, nicht der Tarnanzug. Das sind Übungen, die selbst Mike Tyson mit einem anerkennenden Nicken quittieren würde. Burpees, Liegestütze in allen möglichen Variationen, Klimmzüge in allen unmöglichen, alles am besten mit einem Sandsack auf den Schultern, weil ja nur Weicheier normale Liegestütze und Klimmzüge machen.
Was Burpees sind? Offenbar das Wichtigste, was der Muskelmarkt zu bieten hat. Sie bestehen aus Kniebeuge, Sprung nach hinten in die Liegestützposition, Liegestütz, Sprung nach vorn zur Hocke, Strecksprung. Das Ganze in einer fließenden Bewegung 100 Mal am Stück, dreimal täglich – soll Wunder wirken.
Ich bin schon am ersten Versuch gescheitert. Aber Aufgeben ist keine Option, sagen sie. Überhaupt sind sie auch bärenstark in Motivationsrhetorik, haben wohl nicht nur die Sixpacks, sondern auch die Sprüche in den Glückskeksen erfunden: Ein Hindernis ist nur eine Stufe auf dem Weg zum Erfolg. Ja klar.
Was also tun? Sich dem Fitness-Markt ergeben? An den Burpees arbeiten? Oder doch lieber an neuen Likes mit dem Ziel, irgendwas zu finden ohne Iron Mike, ohne Navy Seals, ohne Tarnanzug? Irgendwas Schönes. Vielleicht sogar Pamela Reif? Kurz gegoogelt: Ihr „Six Minute brutal sixpack workout, short and sweet“ ist glatt einen Like wert. Mal sehen, was der Elefant draus macht.